Wo ist das tiefste loch der erde

Norbert Neugirg formulierte es gewohnt deftig. "Wir waren hier schon immer am A . . . der Welt, und jetzt haben wir auch noch das Loch dazubekommen", spottete der scharfzüngige Kommandant der Altneihauser Feierwehrkapell’n unter anderem bei einer Art Veteranentreffen der KTB. Viele Akteure des einstigen Großprojekts bei Windischeschenbach treffen sich immer noch in regelmäßigen Abständen, obwohl die Bohrarbeiten am tiefsten Loch der Erde vor mittlerweile 25 Jahren eingestellt wurden.

Im Herbst 1994 stießen die Wissenschaftler in einer Tiefe von 9101 Metern auf das erhoffte Phänomen, das Geologen als Spröd-Duktil-Übergang der Erdkruste bezeichnen. Bei einer Temperatur von 287 Grad und einem Druck von 3800 Bar erreichte der Bohrkopf jenen Bereich, in dem das Gestein aufgrund der enormen Hitze und des gigantischen Drucks zähflüssig wird.

Bohren war ab diesem Punkt nicht mehr möglich, "das wäre dann nur noch wie Rühren im Honig gewesen", erklärt Frank Holzförster, der wissenschaftliche Leiter des Geo-Zentrums an der KTB. Doch auch ein Vierteljahrhundert nach dem Abschluss der Hauptbohrung wird nach wie vor geforscht auf dem Gelände nordwestlich von Windischeschenbach.

Deutsche Universitäten und wissenschaftliche Einrichtungen wie das GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam betreiben eine ganze Reihe von Messgeräten in den beiden Bohrlöchern der KTB. Neben dem 9101 Meter tiefen Loch gibt es nämlich noch eine etwa 4000 Meter tiefe Vorbohrung, in dem die Wissenschaftler und Techniker damals erst einmal die für dieses Projekt teilweise neu entwickelten Bohrverfahren und -instrumente testeten.

Nahtstelle der Kontinentalplatten

Gemessen und dokumentiert werden auf dem Gelände im Oberpfälzer Landkreis Neustadt an der Waldnaab unter anderem Erdbeben auf der ganzen Welt, und das mit einer Präzision, die angesichts der hervorragenden Messbedingungen im tiefsten Loch der Erde ihresgleichen sucht. Die Gegend rund um die 5000-Einwohner-Stadt Windischeschenbach glänzt nämlich mit einem Alleinstellungsmerkmal, mit dem sie damals erste Wahl war für das bislang größte geowissenschaftliche Forschungsprojekt in Deutschland.

Vor über 500 Millionen Jahren waren nämlich vom damaligen südlichen Großkontinent Gondwana zwei kleinere Kontinentalplatten abgebrochen, nach Norden gedriftet und im Bereich des nördlichen Oberpfälzer Waldes zusammengestoßen. Von der KTB erhoffte sich das damalige Ministerium für Forschung und Technologie deshalb unter anderem wertvolle Erkenntnisse über die Kontinentalverschiebung und die damit verbundenen geologischen Prozesse.

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Umgerechnet über 270 Millionen Euro flossen deshalb zwischen den Jahren 1987 und 1995 in dieses Projekt, von dem auch die umliegenden Ortschaften in hohem Maß profitierten. Gerade Windischeschenbach und seine Ortsteile wurden zu jener Zeit vom Niedergang der Oberpfälzer Porzellan- und Bleiglasindustrie gebeutelt, etwa 4000 Arbeitsplätze wurden im Laufe der Jahre abgebaut.

Und das in einer Gegend, die angesichts der Grenznähe zu Tschechien jahrzehntelang unter dem Eisernen Vorhang zu leiden hatte. Der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion versperrte die Märkte und lähmte die regionale Wirtschaft. Da waren die Investitionen in dieses Bohrprojekt und die positiven Folgeeffekte hochwillkommen.

Viel zusätzliche Kaufkraft

Unter anderem ging der Großteil der Bauaufträge an Unternehmen aus der Region, die Zahl der Übernachtungen in Windischeschenbach verdoppelte sich von 38 000 auf fast 80 000 im Jahr 1989, und die zahlreichen Wissenschaftler, Ingenieure und Bohrtechniker, die damals an der KTB mitarbeiteten, sorgten für viel zusätzliche Kaufkraft. Einige blieben auch in der zwar etwas abgelegenen, aber landschaftlich sehr reizvollen Gegend hängen.

"Manche Leute dieser Bohrtrupps waren natürlich auf der Suche nach Mädels, ein paar haben auch hier geheiratet", erzählt Frank Holzförster, der seit elf Jahren das Geo-Zentrum neben dem Bohrturm – mit 83 Metern immer noch der höchste Landbohrturm der Welt – leitet und auch heute noch viele persönliche Kontakte zu einstigen KTB-Mitarbeitern pflegt.

Windischeschenbach kann mit zwei Superlativen aufwarten: Das tiefste Loch der Erde wurde gebohrt mit Hilfe des nach wie vor höchsten Landbohrturms der Welt. © Foto: André Ammer

Nach dem Abschluss der Bohrarbeiten sollte das Gelände eigentlich rekultiviert werden, doch der Freistaat Bayern als Grundstückseigentümer stimmte später nicht nur einer wissenschaftlichen, sondern auch einer pädagogischen und touristischen Nachnutzung des Areals zu. Bis zu 25.000 Besucher pro Jahr, darunter zahlreiche Schulklassen, informieren sich in dem inzwischen auch als Umweltstation anerkannten Geo– Zentrum über die damaligen Arbeiten, die daraus gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse und das Innenleben unseres Planeten.

"Die positiven Effekte der Kontinentalen Tiefbohrung wirken bis heute nach – allein dadurch, dass unsere Stadt auf einmal in aller Welt bekannt war", freut sich Windischeschenbachs Bürgermeister Karlheinz Budnik (CSU). Die einstige wirtschaftliche Flaute ist überwunden, die aktuelle Arbeitslosenquote in der Gegend liegt bei drei Prozent, viele Unternehmen interessieren sich für einen Standort in einem neuen, rund 400.000 Quadratmeter großen Gewerbepark an der A 93.

Besonders beliebt bei Touristen ist die Kombination aus einem Besuch des KTB-Areals und einem geselligen Abend in einer der Zoigl-Wirtschaften in Windischeschenbach und Umgebung. Das von örtlichen Kommunbrauhäusern produzierte unfiltrierte Bier ist nämlich ähnlich einmalig wie das ein paar Kilometer entfernt liegende XXL-Loch.

Erstellt: 18.04.2017Aktualisiert: 19.04.2017, 10:46 Uhr

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Wo ist das tiefste loch der erde

Sieht unscheinbar aus, ist aber verdammt tief: Das Kola Superdeep Borehole. © YouTube/SciShow

Murmansk - Unter dem unscheinbaren, von Unrat umgebenen Gullideckel auf oben zu sehendem Foto verbirgt sich nicht weniger als das tiefste Loch der Erde. Gebohrt haben es russische Forscher in den Siebzigern. Der Grund, warum sie mit dem Bohren aufhören mussten, macht Angst.

Unter dem Gullideckel, den Sie auf dem Foto oben sehen, verbirgt sich das „Kola Superdeep Borehole“. Gelegen im russischen Murmansk, auf der Halbinsel Kola, wurde es 1970 von sowjetischen Forschern gebohrt. Das Ziel der Wissenschaftler: Herausfinden, wie die Erdkruste beschaffen ist. Aufschlüsse hierzu erhofften sie sich 15.000 Meter unter der Erdoberfläche. Insgesamt 24 Jahre - also zwischen 1970 und 1994 - bohrten die Ingenieure. Doch dann folgte das Aus.

6.700 Meter Fossilien

Die Forscher trieben zwar einen massiven Bohrer mit einem Durchmesser von 21,4 Zentimetern in die Erde und die Gesteinschichten darunter, bekamen aber ab einer gewissen Tiefe Probleme mit der dort unten herrschenden Hitze. Die Temperatur unter der Erdoberfläche betrug mit 210 °C - viel mehr als die Wissenschaftler erwartet hatten. Das bedeutete: Abbruch der Bohrung - in einer Tiefe von exakt 12.262 Metern. Die Hitze führten die Wissenschaftler damals auf die natürliche Radioaktivität des Gesteins zurück. Außerdem entdeckten die Forscher dort unten große Mengen Wasser und 6.700 Meter Plankton-Fossilien - insgesamt 24 unterschiedliche Spezies.

Irre Gerüchte

1989 gerieten irre Gerüchte über die Bohrung in Wallung: Die Forscher vernahmen im Loch durch herabgelassene Mikrofone Geräusche, die einige als Schreie aus der Tiefe deuteten. Daraus entstand das Gerücht, dass die Wissenschaftler versehentlich die Hölle angebohrt hatten. Wahrscheinlicher ist zwar, dass sie schlichtweg seismische Aktivitäten vernommen haben, aber wie das bei Verschwörungstheorien eben so ist: Diese halten sich dennoch hartnäckig.

Obwohl die sowjetischen Forscher über zwölf Kilometer tief in die Erde bohrten, entspricht das lediglich gerundete 0,2 Prozent des Weges, der zurückgelegt werden müsste, um den Mittelpunkt der Erde zu erreichen. Trost für die Sowjet-Forscher: Mit ihrer Bohrung in Kola übertrumpften sie die USA, die bis dahin den Rekord für das tiefste Loch der Welt hielten. US-Wissenschaftler bohrten zuvor „nur“ 9.583 Meter tief - bei der „Bertha Rogers Bohrung“ im US-Bundesstaat Oklahoma. Und wie wir wissen, waren solche Rekorde damals im kalten Krieg extrem wichtig für beide Seiten.

Immer wieder entdecken Forscher seltsame Dinge unter der Erde - z.B. diese uralten Mikroorganismen.

tz/mm