Wo gehen die toten hin

Du hast einen dir nahestehenden Menschen verloren? An diesen Dingen kannst du erkennen: Du bist nicht alleine! Im Video seht ihr, auf welche untrüglichen Zeichen ein Medium achtet.

Wenn jemand stirbt, der uns viel bedeutet, dann hinterlässt das eine unglaublich große Leere. Ein tröstender Gedanke ist dann, dass die Seele dieser Person immer noch in unserer Nähe ist.

Auf seiner Website erklärt der Sterbeforscher Bernard Jakoby : (Autor von "Das Tor zum Himmel: Was wir aus Nahtoderfahrungen für das Leben lernen können"): "Begegnungen mit Verstorbenen ereignen sich tagtäglich mitten unter uns: an jedem Ort und zu jeder Zeit. Sie können sogar noch viele Jahre nach dem Tod eines Angehörigen plötzlich und unerwartet auftreten". Und zwar in diesen Formen.

Es ist spürbar, dass die verstorbene Person  gegenwärtig ist

Bernard Jakoby schreibt: "Der Betroffene spürt buchstäblich die spezifische Ausstrahlung des Verstorbenen. Man kann das auch als Wärme umschreiben, die den Erlebenden einhüllt als befreiendes Gefühl von Geborgenheit und Liebe." Meist nehme man die verstorbene Person ganz spontan wahr, in alltäglichen Situationen. Man wisse einfach, dass sie sich im selben Raum befindet.

Sie gibt körperliche Zuwendung

Manchmal könne es sich tatsächlich so anfühlen, als würde der Verstorbene einen anfassen. "Körperliche Zuwendungen über den physischen Tod hinaus werden in Form von sanfter Berührung, Streicheln oder Umarmungen wahrgenommen", sagt der Sterbeforscher. Das sei vor allem dann der Fall, wenn man ein enges Verhältnis zur verstorbenen Person hatte.

Sie erscheint im Traum

Träume von Verstorbenen haben laut Jakobi eine ganz andere Qualität als "gewöhnliche" Träume. Sie würden sehr realitätsnah wirken, und oft sei man der Einzige, der den Toten wahrnimmt. "Die Träume werden auch über längere Zeiträume nicht vergessen", meint Jakobi.

Sie tritt als Licht-Gestalt auf

Der Sterbeforscher schreibt, dass Verstorbene ihren Angehörigen oft in Verbindung mit Licht erscheinen würden. Sie seien dann gesund und "heil" – auch wenn sie in ihrem Leben auf der Erde eine Behinderung hatten.

Elektrogeräte spielen verrückt

Der PC geht plötzlich aus, der Affiliate-LinkFernseher spinnt, das Radio geht von alleine an ... das alles könnte eine Kontaktaufnahme durch einen Verstorbenen sein. Jakoby: "Selbst schwere Gegenstände werden hin und her bewegt, oder sie verschwinden plötzlich, um an einer völlig unerwarteten Stelle wieder aufzutauchen."

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«Wie funktioniert sterben? Was ist das für ein Prozess? Wann ist es möglich, zu sagen ‹jetzt ist er oder sie tot›? Oder etwas blumiger formuliert: Wann verlässt die Seele den Körper?» Markus Zimmermann macht sich seit einem Vierteljahrhundert Gedanken über das Lebensende. Er ist Professor für Moraltheologie und Ethik, Vizepräsident der Nationalen Ethikkommission und war Präsident der Leitungsgruppe des Nationalen Forschungsprogramms «Lebensende» – aber auch er kennt die Antworten auf die allerletzten Fragen nicht.

«Im Prinzip ist es vergleichbar mit dem Lebensanfang», erklärt Zimmermann. «Dort stellt sich die Frage, wann der Mensch Mensch wird, wann die Seele sozusagen in die Zellen kommt, und auch dort müssen wir die Grenze soziokulturell bestimmen.» Beim Sterben besteht dasselbe Problem. Lange behalf man sich mit dem Herz-Kreislauf-Tod. Dieser ist auch für Laien feststellbar. «Wenn der Puls weg ist, die Atmung aussetzt, der Körper kalt wird – dann sagte man, jetzt ist’s vorbei. Nur: Man kann von dort unter Umständen auch wieder zurückkommen. Es kommt vor, dass das Herz plötzlich spontan wieder einsetzt.»

Besonders relevant wird die Frage bei der Organspende. Schliesslich wollen Ärzte auf keinen Fall noch lebendige Menschen aufschneiden. Sie dürfen es übrigens auch nicht. Dass das Sterben ein Prozess sein soll, stellte die Transplantationsmedizin bereits in ihren Anfangszeiten vor 50 Jahren vor erhebliche Probleme. Glücklicherweise kam allerdings zeitgleich mit der Transplantationsmedizin im Kontext der Intensivmedizin eine neue Todesdefinition auf: der Hirntod. «Der Hirntod hat den Nachteil, dass seine
Feststellung nur indirekt möglich ist. Der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen hat aber den Vorteil, dass von hier garantiert niemand mehr zurückkommt. Das Licht ist aus.» Ob, oder besser, zu welchem Grad man damit allerdings tot ist, ist eine andere Frage. «Mit maschineller Beatmung und Kreislaufunterstützung können Hirntote sozusagen am Leben gehalten werden. ‹Tote am Leben erhalten›: Sie sehen bereits an meiner Formulierung, in welch einem verzwickten Zwischenraum wir uns da bewegen.» Dabei ermöglichte die Spitzenmedizin bereits aufsehenerregende Fälle. So wurde eine hirntote Schwangere so lange am Leben (oder nur ihr Körper am Funktionieren?) gehalten, bis das Kind per Kaiserschnitt geboren werden konnte. «Kann eine tote Frau gebären? Sie sehen, wie komplex die Sache ist! Deshalb mag ich persönlich die Definition des Philosophen Ralf Stoecker: ‹Hirntote sind nicht mehr am Leben, aber noch nicht tot›.»

Wer soll bestimmen?

Zimmermann bewegt sich in den Schattierungen zwischen Dies- und Jenseits. Ein Gast auf Charons Fähre. Vielen von uns ist in diesem Dazwischen unwohl. Uns ist lieber, wenn die Dinge klar sind. Schwarz-Weiss, Ja-Nein, Pro-Contra. Aber Präzision ist dem Ethiker wichtig. Insbesondere bei der Organspende. «Ich bin für Organspenden», sagt er. «Ich habe einen Spenderausweis. Trotzdem hoffe ich, dass die Schweizer Stimmbevölkerung die Widerspruchslösung ablehnt.» Dass die Transplantationsmedizin zum Politikum wird, liegt am Mangel an Spenderorganen. Kranke warten heute bisweilen Jahre auf ein passendes Herz, eine Lunge, Niere oder Leber. Für manche ist es dann zu spät. Deshalb wurde die Volksinitiative «Organe spenden – Leben retten» gestartet. Diese fordert eine enge Widerspruchslösung. Wobei «eng» bedeutet, dass nur der Spender selbst entscheidet, nicht dessen Angehörige. Und «Widerspruchslösung», dass dieser nicht Ja sagen muss, um Spender zu werden, sondern aktiv Nein sagen müsste, um als Nichtspender zu gelten.

Der Bundesrat hat als Gegenvorschlag die «erweiterte Widerspruchslösung» ins Parlament gebracht: Ohne Widerspruch gilt jede Person als Spenderin, aber die Angehörigen haben das letzte Wort. «Nach diesem Modell verfährt beispielsweise Österreich praktisch gesehen heute, obgleich dort gesetzlich die enge Lösung gilt. Wenn Sie zu unseren Nachbarn zum Skifahren gehen, sind Sie Organspender, ob Sie das wollen oder nicht. Zwar könnten Sie sich in ein spezielles Register eintragen, das werden Sie aber kaum tun. Sogar unter Österreicherinnen und Österreichern haben das bloss 4000 Personen getan – also mehr oder weniger niemand.» Eigentlich müsste man annehmen, dass es in Österreich nun sehr viel mehr verfügbare Organe gibt, aber das ist nicht der Fall. «Die Angehörigen lehnen die Spende oft ab.»

Wo gehen die toten hin
© Nadja Baltensweiler
Herz retten – oder Herz brechen?

Es ist ein Punkt, der vor lauter medizinischen und juristischen Erörterungen gerne vergessen geht: Sterben ist eine soziale Angelegenheit. «Auf der einen Seite gibt es Regeln, Richtlinien und Protokolle, und die werden auch professionell befolgt. Zugleich ist da aber eine Familie, die einen Angehörigen verliert, die einen Trauerprozess durchläuft. Und die benötigt ebenfalls ihren Platz, Zeit um loszulassen und um zu verstehen, was gerade geschehen ist.» Diesen Raum, diese Zeit kann die Medizin aber kaum bieten. Hier sind schnelle, effiziente, sterile Abläufe entscheidend. «Stoppen Herz und Kreislauf, werden die Organe nicht mehr mit Blut versorgt. Von dem Moment an gehen die Organe kaputt. Bei einer Spende infolge eines Herz-Kreislauf-Todes, die in der Schweiz auch praktiziert wird, kommt es auf Minuten an. In manchen Ländern wartet man 20 Minuten nach der Todesfeststellung, um auf Nummer sicher zu gehen. In der Schweiz wartete man bis vor kurzem noch 10 Minuten, heute sind es noch fünf. Dann wird damit begonnen, Organe zu entnehmen.»

Aus Sicht der Medizin bedeutet das, dass der Verstorbene wieder in den Operationssaal muss. Idealerweise stirbt er bereits ganz in der Nähe, damit keine Zeit verloren wird. Für die Angehörigen bedeutet es, dass sie ihren Toten erst nach der Explantation bei sich haben können. «Gerade Pflegende, welche die Sterbenden oft lange begleiten, sie auch noch nach dem Eintreten des Hirntods waschen und rasieren, haben oft keinen Spenderausweis. Die Tätigkeit der Explantationsteams erinnert eher an die von Metzgern als von Ärzten. Das ist für diejenigen, die das unmittelbar mitbekommen, manchmal schwer erträglich.»

Bitte ankreuzen

Der Umgang mit der Organspende ist kulturell unterschiedlich. In Japan wird wenig gespendet. Im französischen Sprachraum besteht ein eher nutzenorientierter Umgang, im deutschen Sprachraum wird die Selbstbestimmung betont. Ob eine Person spenden möchte, entscheidet sie selbst. «Überhaupt wird die Selbstbestimmung am Lebensende immer wichtiger. Ein Stück weit ist das zwar auch eine Illusion, da niemand weiss, wie er oder sie letztlich stirbt».

Trotz allem: Ethiker Zimmermann ist für die Organspende. «Womit ich ein Problem habe, ist, dass der Staat hingeht und sagt, wer sich nicht äussert, gilt als spendebereit. Das geht mir zu weit.» Was wäre für ihn denn eine geeignete Methode? «Ich bin für eine Erklärungslösung. Jede Person soll regelmässig zur Organspende befragt werden, beispielsweise bei der Erneuerung der ID. Ein simples Kreuzchen würde genügen: Ja / Nein / Ich will mich dazu nicht äussern. Die Leute der ersten Gruppe gelten dann als spendebereit. Die der beiden anderen nicht.»

Hirn tot

Der Hirntod bezeichnet den irreversiblen Ausfall aller Hirnfunktionen sowohl des Grosshirns, wie auch des Hirnstamms. Häufigste Ursachen sind Hirnblutungen, Sauerstoffmangel oder ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnten Mediziner erstmals bewusstlose Patienten ohne Atemantrieb dank maschineller und medikamentöser Unterstützung am Leben erhalten. Sie hätten im Prinzip weiter behandeln können – oder gar müssen – obschon aufgrund der irreversiblen Hirnschäden keine Perspektive auf Heilung oder auch nur das Wiedererlangen des Bewusstseins bestand. Das Konzept des Hirntods löste dieses Dilemma.
Einige übers Rückenmark laufende Reflexe funktionieren bei Hirntoten weiterhin. Ausserdem können sie noch immer schwitzen, zucken oder urinieren. Sie haben einen Puls und einen messbaren Blutdruck. Das alles vermittelt Angehörigen den Eindruck, die Patienten seien weiterhin am Leben. Reflexe, die über den Hirnstamm laufen, fallen bei Hirntoten aber aus. So der Würgereflex, der Hustreflex, aber auch Reaktionen auf Schmerz. Am wichtigsten aber ist, dass Hirntote nicht selbständig atmen können. Ohne maschinelle Unterstützung träte deshalb sofort auch der Herz-Kreislauf-Tod ein.

Unser Experte Markus Zimmermann ist Theologe und Ethiker. Er hat in Frankfurt und Freiburg studiert, in Freiburg promoviert und habilitiert. Er ist Lehr- und Forschungsrat und seit 2014 Titularprofessor am Departement für Moraltheologie und Ethik unserer Universität. Er lehrt und forscht zu Fragen der Sozialethik, der Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen und der Bioethik. Er ist Vizepräsident der Nationalen Ethikkommisson (NEK), die sich zuletzt 2019 zur Organspende geäussert hat (www.nek-cne.admin.ch).