Wie lange dauert es bis eine Leiche skelettiert ist?

Wenn die alte, kranke Großmutter zu Hause in ihrem Bett einen letzten tiefen Atemzug nimmt, noch einmal kräftig seufzt und sich dann die Mimik entspannt, die Farbe aus dem Gesicht weicht, das Herz nicht mehr schlägt – dann ist allen um sie herum klar: Sie ist sanft eingeschlafen. Tot. Und doch muss ein Arzt kommen und den Tod feststellen.

Als sichere Todeszeichen gelten entsprechend der Leitlinie zur Durchführung der ärztlichen Totenschau: Totenflecke, Totenstarre, Fäulnis sowie Verletzungen oder Zerstörungen, die mit dem Leben nicht vereinbar sind.

In einem Krankenhaus kommt noch die Null-Linie im Elektrokardiogramm (EKG) als Möglichkeit hinzu. Das ist die Linie mit dem langgezogenen Piep-Ton, wie man sie aus Krankhaus-Fernsehserien kennt.

Wann ist ein Mensch tot? | Bildquelle: imago

Totenflecken treten als erstes auf

Die ersten Todeszeichen, die sichtbar werden, sind die Totenflecken, in der Fachsprache Livores genannt. Unter normalen Umständen treten sie bereits 20 bis 30 Minuten nach dem unumkehrbaren Herz-Kreislauf-Stillstand auf: Weil das Herz nicht mehr pumpt, kann das Blut nicht mehr durch den Körper zirkulieren.

Es sinkt mit der Schwerkraft an die tiefliegenden Körperpartien. Dort bilden sich dann die blauvioletten Flecken – außer an den Stellen, an denen der Körper aufliegt.

Wenn die als Beispiel genannte Großmutter also auf dem Rücken liegt, dann bilden sich am Rücken die Totenflecken, aber nicht an den Schulterblättern und am Gesäß. Etwa neun Stunden nach dem Tod sind die Flecken am größten und besonders farbintensiv.

Konservierte Leiche von Lenin | Bildquelle: akg

Totenstarre hält bis zu drei Tage an

Etwa ein bis zwei Stunden nach dem Tod setzt die Totenstarre (Rigor mortis) ein: erst an den Augenlidern, dann am Kiefer. Nach etwa sechs bis acht Stunden ist der gesamte Körper totenstarr. Grund für diese Starre ist die Biochemie der Muskelfasern: Muskeln können sich allein zusammenziehen. Um sich zu entspannen, ist jedoch ein "Weichmacher" namens Adenosintriphosphat, kurz ATP, nötig.

Nach dem Tod zerfallen diese Weichmacher-Moleküle, sodass die Muskelfasern hart bleiben. Nach zwei bis drei Tagen beginnt die Starre, sich wieder zu lösen: Die Muskelzellen und all die anderen Zellen im Körper lösen sich nun auf. Dafür sorgen Enzyme aus den abgestorbenen Zellen. Dieser Vorgang wird als Autolyse – Selbstauflösung – bezeichnet.

Fäulnis und Verwesung sind ganz natürlich

An der Zersetzung eines toten Menschen sind noch zwei weitere Prozesse beteiligt: Fäulnis und Verwesung. Der grundlegende Unterschied zwischen beiden: Die Fäulnis findet unter Sauerstoff-Abschluss statt, die Verwesung hingegen kann nur mit Sauerstoff ablaufen.

Bei der Fäulnis sorgen Bakterien dafür, dass organische Körpersubstanzen abgebaut werden. Es entstehen unter anderem die Gase Schwefelwasserstoff, Ammoniak und Methan. Weil im Darm des Menschen so viele Bakterien sind und dort das Gewebe auch recht feucht und weich ist, beginnt die Fäulnis hier.

Das erste sichtbare Anzeichen für die eingetretene Fäulnis ist, dass die Haut am rechten Unterbauch sich gelbgrün verfärbt. Dann bläht sich der Bauch auf, Weichteile werden aufgedunsen, an der Haut können Fäulnisblasen entstehen. Weniger unappetitlich ist die Verwesung: Hier entstehen nur Wasser, Kohlenstoffdioxid und Harnstoff.

Grab-Ruhezeit reicht für vollständige Zersetzung

Auch wenn die Vorstellung an diese Zersetzungsprozesse eklig oder grausam erscheinen mag: Diese Vorgänge sind natürlich. "Bei einer Sargbestattung braucht auch niemand Angst zu haben, dass man da einen Menschen unter die Erde bringt, dessen Körper nicht mehr erkennbar ist", sagt Rolf Lichtner, Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Bestatter.

"Der Bestatter bewahrt den Leichnam bis zur Beisetzung bei unter acht Grad Celsius auf, um die Autolyse, die Fäulnis und die Verwesung hinauszuzögern." Bei solch kühlen Temperaturen können sich Bakterien kaum vermehren und auch chemische Reaktionen laufen nur sehr träge ab.

Wenn der Verstorbene dann unter der Erde ist, saugen im Sarg eine Matratze, Stroh, Sägemehl oder Torf die entstehenden Flüssigkeiten auf. "Außerdem gelangt durch das Holz des Sarges Sauerstoff aus dem Boden in den Sarg, sodass der Körper gut verwesen kann, statt nur zu verfaulen", sagt Lichtner.

Je nachdem, wie viel Sauerstoff und Wasser in der Erde sind, dauert die Zersetzung unterschiedlich lange: Für gewöhnlich ist sämtliches Gewebe nach zwölf Jahren zersetzt, die Knochen brauchen noch etwas länger.

Kühle Lagerung bis zur Bestattung | Bildquelle: WDR/mauritius

Nach der üblichen Ruhezeit von bis zu 30 Jahren ist von dem Leichnam in der Regel nichts mehr übrig, außer vielleicht der Schädel- und die Oberschenkelknochen.

"Bei Friedhöfen mit schweren Lehmböden kann es aber passieren, dass man nach Ablauf der Ruhezeit Wachsleichen vorfindet", so der Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Bestatter.

Wachsleichen entstehen vor allem in Lehm- und Tonböden: Sie sind kaum luftdurchlässig, so dass kein Sauerstoff zur Leiche dringt und aus den Körperfetten eine wachsähnliche Schicht entsteht. Das verhindert, dass der Körper vollständig verwest.

Nur Holzsärge sind erlaubt

Auch der Sarg hat Einfluss auf die Zersetzung des Leichnams: In Deutschland sind nur Holzsärge erlaubt, weil diese selbst verrotten. In einem Zinksarg hingegen könnte es zu einer Faul-Leichenkonservierung kommen: Dabei fließt die Fäulnisflüssigkeit nicht ab und auch die Gase können aus dem Sarg nicht entweichen.

Beim Abbau der Proteine entsteht dann so viel Ammoniak, dass die Bakterien absterben und somit die Fäulnis gestoppt wird. Auch die Verwesung wird angehalten, weil der Sarg ja luftdicht ist, also der Sauerstoff fehlt.

"Der Leichnam bekommt dann wirklich ein zombieähnliches Aussehen", sagt Wolfgang Huckenbeck von der Universitätsklinik Düsseldorf. Der Rechtsmediziner hat das erste und bisher einzige Mal solch eine Faul-Leichenkonservierung gesehen, als er die Überreste aus einem 15 Jahre zuvor beigesetzten Zinksarg bergen sollte, damit diese verbrannt und umgebettet werden konnten. In einem Holzsarg, wie er hierzulande vorgeschrieben ist, passiert so etwas jedoch nicht, versichern die Experten.

Holzsärge verrotten mit dem Leichnam | Bildquelle: WDR/laif

Keine Würmer stören die letzte Ruhe

Der Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Bestatter, Rolf Lichtner, räumt auch noch mit dem Mythos auf, dass Würmer aus dem Boden sich durch den Sarg fräßen und sich dann an der Leiche laben würden: "Würmer leben nur bis zu einer Bodentiefe von etwa 30 Zentimeter, die Grabtiefe ist aber für gewöhnlich 1,6 bis 2 Meter."

Zumal Würmer sich vorwiegend von Pflanzen und Erde ernähren und nicht von menschlichen Überresten. Der Verstorbene kann also in Frieden ruhen.

(Erstveröffentlichung: 2011. Letzte Aktualisierung: 09.12.2020)

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Verwesung (Begriffsklärung) aufgeführt.

Unter dem Begriff Verwesung wird eine Vielzahl an Prozessen zusammengefasst, die nach dem Tod eines Organismus oder nach dem Absterben von Teilen eines Organismus ablaufen. Die Bezeichnung Verwesung wird in der Regel im Zusammenhang mit tierischen Organismen (Aas, bzw. Leichname beim Menschen) gebraucht. Bei pflanzlichem Material spricht man von Verrottung, bei Lebensmitteln von Verderben. Im medizinischen Kontext gehört der Vorgang der Gewebsfäule zum Symptomenkomplex der Nekrosen.

Teil eines Unterkiefers eines verwesten Pflanzenfressers

Verwesung wird durch saprotrophe Organismen, hauptsächlich durch Bakterien und Pilze, hervorgerufen. Enzyme, die diese Organismen abgeben, zersetzen komplexe organische Verbindungen in kleinere Einheiten, die dann unter Energiegewinn vollständig oxidiert werden. Aber auch Autolyse, also Zersetzung durch eigene, supravitale Enzyme, spielt eine Rolle.

Verwesung findet nur in Anwesenheit von Sauerstoff statt, ist also aerob. Die organischen Verbindungen werden dann hauptsächlich zu Wasser, Kohlenstoffdioxid, Harnstoff und Phosphat abgebaut. Unter Sauerstoffabschluss überwiegen dagegen Fäulnisprozesse. Entsprechend erfolgt der Zerfall eines größeren Organismus innerlich überwiegend durch Fäulnis, äußerlich durch Verwesung. In späteren Stadien der Zersetzung überwiegen Verwesungsprozesse, sofern genügend Sauerstoff zur Verfügung steht.

Im Gegensatz zur anaeroben Fäulnis sind an Verwesungsprozessen oft auch höhere Organismen beteiligt. Pflanzliche Überreste werden beispielsweise von Würmern, Asseln und Insektenlarven gefressen und zerkleinert und mikrobiellem Abbau dadurch besser zugänglich gemacht. Kadaver von Tieren werden oft zu großen Teilen von Insekten (zum Beispiel Aaskäfer, Ameisen, Speckkäfer) oder deren Larven (zum Beispiel Fliegenmaden) und Fadenwürmern gefressen. In Abhängigkeit von den herrschenden Umgebungsbedingungen bildet sich bei Verwesung eines größeren Organismus eine spezifische „Aasfauna“ heraus.

Die Verwesung in den oberen Bodenschichten führt zur Bildung von Humus, auch Kompostierung umfasst hauptsächlich Verwesungsprozesse.

Ein an der Luft liegender toter Körper verwest etwa doppelt so schnell wie eine im Wasser liegende Leiche und achtmal so schnell wie eine begrabene (Casper’sche Regel, durch die moderne Forensik überholt). Eine Wasserleiche bildet nach einiger Zeit durch chemische Reaktionen eine seifenartige Substanz aus, die die Körperform erhält und den Körper langsamer verwesen lässt. Dieses Phänomen einer sogenannten Wachsleiche ist auf einigen in feuchten Gebieten angesiedelten Friedhöfen zu einem großen Problem geworden, da die Verwesungszeit die vorgesehene Ruhezeit von ca. 30 Jahren zum Teil deutlich überschreitet.

 

Verstorbenes Liebespaar, Gemälde eines unbekannten oberrheinischen Künstlers, um 1470 (Straßburg, Frauenhausmuseum)

  • Beginnende Fäulnis
  • Fettartig
  • Käseartige Produkte
  • Ammoniakale Fäulnis
  • Beginnende Vertrocknung
  • Starke Vertrocknung
  • Skelettierung

In dieser Galerie wird der Verwesungsprozess eines im Freien liegenden toten Hausschweins gezeigt:

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    Tag 0

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    Tag 4

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    Tag 8

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    Tag 11

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    Tag 39

Verschiedene flüchtige und riechende Stoffe werden bei der Verwesung gebildet. Bei den Säugetieren werden unter anderem Cadaverin, Putrescin und andere biogene Amine gebildet. Bei der Verwesung des Menschen entstehen charakteristische Mischungen von riechenden Verbindungen, die unter anderem zur Auffindung von Leichen mit Hilfe von Leichen-Spürhunden verwendet werden.[1]

  • Mark Benecke: Mordmethoden. Ermittlungen der bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Lübbe, Bergisch Gladbach 2002, ISBN 3-442-15394-8.
  • Mark Benecke: So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 6. Auflage, Lübbe, Bergisch Gladbach 2011, ISBN 978-3-404-60562-0.
  • Ernst Hallier: Gärungserscheinungen; Untersuchungen über Gärung, Fäulniss und Verwesung mit Berücksichtigung der Miasmen und Contagien sowie der Desinfection, für Ärzte, Naturforscher, Landwirthe, und Techniker. Engelmann, Leipzig 1867 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Mary Roach: Stiff: the curious lives of human cadavers. Norton, New York (NY) 2003, ISBN 0-393-05093-9.
  • Dirk Schoenen, Michael Carl Albrecht: Die Verwesung. Teil 1: Dirk Schoenen: Die Verwesung aus hygienischer Sicht. Teil 2: Die Verwesung aus bodenkundlicher Sicht. In: Verein für Wasser-, Boden- und Lufthygiene (Hrsg.): Schriftenreihe des Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene. Nr. 113, Verein für Wasser-, Boden- und Lufthygiene (WaBoLu), Berlin 2003, ISBN 3-932816-42-0.

 

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 Wiktionary: Verwesung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

  1. Sarah Everts: Scientists search for death’s aroma. In: Chemical & Engineering News. 2016, Band 94, Ausgabe 14, S. 16–18.

Normdaten (Sachbegriff): GND: 4396373-0 (OGND, AKS)

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