Welche firmen haben den grünen knopf

Faire Löhne, ein Verbot gefährlicher Chemikalien, Grenzwerte für Schadstoffe im Abwasser: Das staatliche deutsche Siegel „Grüner Knopf“ garantiert hohe ökologische und soziale Standards in der Textilproduktion. Dutzende deutsche Unternehmen führen mittlerweile das Gütezeichen. Und auch zahlreiche ausländische Firmen bekunden Interesse. Was macht den Grünen Knopf für sie attraktiv? Nachgefragt bei Peter Beirholm, Geschäftsführer des dänischen Textilherstellers Beirholm, und seinem Sohn Andreas. Das Familienunternehmen war Anfang 2021 die erste nicht-deutsche Firma, die den Grünen Knopf erhielt.

Warum haben Sie beschlossen, Beirholm mit dem Grünen Knopf zertifizieren zu lassen?

Andreas Beirholm: Als das Siegel 2019 eingeführt wurde, waren wir gleich interessiert. Wir beliefern mit unseren Textilien unter anderem Krankenhäuser und Pflegeheime, dabei geht es oft um öffentliche Ausschreibungen. Label für Nachhaltigkeit spielen dabei eine immer größere Rolle. Und auch unsere Kunden aus dem privaten Bereich wie Hotels und Restaurants sind zunehmend an dem Thema Nachhaltigkeit interessiert.

Aber warum ein deutsches Label?

Peter Beirholm: Deutschland ist unser größter Markt, wir machen dort rund 50 Prozent unseres Umsatzes. Der Grüne Knopf ist einfach eine sinnvolle Ergänzung dessen, was unser Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit ohnehin schon tut. Und das Siegel ist gut durchdacht: Zum Beispiel baut es auf anderen Zertifizierungen auf und reduziert damit die Bürokratie. Hat ein Produkt etwa schon das Label „Made in Green“ von Oeko-Tex, sind einzelne Anforderungen des Grünen Knopfes damit bereits erfüllt und die Firmen müssen sie nicht erneut nachweisen.

Was unterscheidet den Grünen Knopf noch von anderen Siegeln?

Andreas Beirholm: Es gibt da draußen einen wahren Dschungel von Labels – im Bereich Textilien sind es Hunderte verschiedene Zertifizierungen allein in der EU. Für den Grünen Knopf spricht, dass er direkt von der deutschen Bundesregierung unterstützt wird. Außerdem nimmt er neben den ökologischen auch soziale Kriterien stark in den Blick. Positiv ist zudem, dass er im Sinne des gerade beschlossenen deutschen Lieferkettengesetzes das gesamte Zulieferer-Portfolio eines Unternehmens betrachtet. Das ist ein neuer, ganzheitlicher Ansatz. Er verhindert, dass Unternehmen einfach für jeden Zulieferer ein anderes, passendes Siegel wählen.

Sehen Sie beim Grünen Knopf auch Verbesserungspotenzial?

Andreas Beirholm: Obwohl das Siegel die gesamte Lieferkette in den Blick nimmt, liegt der Schwerpunkt derzeit auf den sogenannten Nassverfahren wie dem Färben. Man könnte kritisieren, dass der Fokus etwas zu eng ist. Perspektivisch wird der Grüne Knopf aber wohl auch andere Produktionsschritte stärker betrachten, angefangen bei der Gewinnung der Rohstoffe.

Wie aufwändig war es, die Zertifizierung zu bekommen?

Andreas Beirholm: Das war harte Arbeit. Es reicht nicht, ein Konzept zu haben – man muss ständig nachweisen, dass es auch funktioniert. Wie ist das Risikomanagement genau aufgestellt? Welche Maßnahmen ergreift man, wenn etwas schiefläuft? Wie stellt man sicher, dass dies rechtzeitig geschieht? Auch die Sorgfaltspflicht spielt eine große Rolle: Wie können Arbeiterinnen und Arbeiter an Produktionsstätten im Ausland Bedenken äußern? Dafür muss es klare, erprobte Prozesse geben.

Peter Beirholm: In unserem Unternehmen gehen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit seit Jahren Hand in Hand. An unserer Nachhaltigkeitsstrategie selbst mussten wir also kaum etwas ändern. Aber wir mussten eine komplett neue IT-Plattform aufsetzen, um unser Reporting zu systematisieren.

Das klingt tatsächlich sehr aufwändig…

Peter Beirholm: Um ehrlich zu sein, haben wir nach den ersten Gesprächen mit Vertretern des Grünen Knopfes sogar überlegt, das Ganze abzubrechen. Wir dachten: „Unsere Firma ist doch schon so transparent! Warum kommen sie jetzt mit all diesen bürokratischen Anforderungen?“ Doch nach einer Weile merkten wir, dass es genau die richtigen Anforderungen waren und dass sie für uns sogar eine Hilfe darstellten. Auf der anderen Seite können auch wir den Grünen Knopf unterstützen.

Inwiefern?

Andreas Beirholm: Der Grüne Knopf hat Zukunft, aber es gibt noch einiges zu tun. Bislang ist das Siegel vor allem in Deutschland bekannt, hier in Skandinavien müssen wir weiterhin viel Erklärungsarbeit dazu leisten. Doch wenn das Lieferkettengesetz erst einmal in Kraft tritt – und viele andere europäische Länder haben bereits ähnliche Gesetze verabschiedet oder planen sie – wird das die Attraktivität des Grünen Knopfes weiter erhöhen. Wir als Unternehmen können dazu beitragen, das Siegel noch bekannter zu machen, bei unseren Kunden in Europa und weltweit.

© www.deutschland.de

Näherinnen in Asien

Die Bundesregierung will Unternehmen verpflichten, ihrer globalen Verantwortung besser nachzukommen. Der „Wirtschaftsweise“ Professor Achim Truger sagt, warum.

Roboter bauen Elektromotoren für Autos.

Schadet Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung? Wir stellen eine europäische Initiative vor, die sagt: Das Gegenteil ist der Fall.

Indischer Bauer mit einem Berater auf einem Baumwollfeld

Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde – Deutschlands Wirtschaft engagiert sich auch international dafür.

Das neue Metasiegel für Textilien hat erhebliche Startprobleme. Viele Unternehmen von C&A bis Peek & Cloppenburg lehnen es ab, weil es ihnen nicht weit genug geht.

21.10.2019 | von Georg Weishaupt

Textilfabrik in Bangladesch

Textilfabrik in Bangladesch © imago/photothek

Düsseldorf Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hatte sich einen prominenten Unterstützer zur Premiere geholt: Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche (EKD) Heinrich Bedford-Strohm lächelte Anfang September in die Kameras, um beim Start des neuen Textilsiegels „Grüner Knopf“ zu helfen. Schließlich ist es ein wesentliches Ziel des Siegels, die Produktionsbedingungen in den armen Lieferländern zu verbessern.

Doch ob der Segen der Kirche dabei hilft, die Textilbranche grundlegend zu ändern, muss sich noch zeigen. Es dürfte zumindest noch sehr lange dauern, bis die gewünschten Segenswirkungen in den Fabriken in Bangladesch ankommen. Denn bislang haben sich nur diejenigen Unternehmen für den Grünen Knopf qualifiziert, die ohnehin schon Vorbildfunktion haben.

„Die Unternehmen der ersten Phase haben sich schon lange mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt“, weiß Wolfgang Wielpütz, Geschäftsführer der Tüv Nord Cert GmbH, die Textilunternehmen und ihre Produkte für das neue staatliche Siegel zertifizieren. „Sie sind schon weiter als viele andere in der Branche“, sagte Wielpütz dem Handelsblatt.

„Es ist erschreckend, dass bislang überhaupt kein großes deutsches Modeunternehmen das Siegel unterstützt“, kritisiert Henning Siedentopp, Gründer und CEO von Melawear, das in Indien Textilien und Schuhe fair und ökologisch produzieren lässt. Melawear gehört zu den ersten Unternehmen, die das neue staatliche Siegel tragen dürfen.

Aber viele große Namen aus der Modebranche fehlen. So halten sich bislang die Düsseldorfer Textilkette C&A beim neuen Gütesiegel ebenso zurück wie Marc O‘Polo aus Stephanskirchen oder Peek & Cloppenburg (P&C) aus Düsseldorf.

Ein Sprecher von C&A begründet seine Zurückhaltung so: „Als international tätiger Einzelhändler nutzen wir global gültige Zertifizierungen wie GOTS. Eine Umsetzung nationaler Initiativen wie die des Grünen Knopfes ist für uns wenig praktikabel.“

Auch ein Sprecher von Marc O‘Polo hat Bedenken, „unter anderem mit Hinblick auf die internationale Verständlichkeit des Siegels“. Denn bislang ist der Grüne Knopf nur eine deutsche Angelegenheit.

„Es ist noch ein weiter Weg zu objektiven Standards, die international verbindlich sind“, sagt Karl-Hendrik Magnus, Experte für die Modebranche bei McKinsey. Erst dann werde der Markt für nachhaltig produzierte Kleidung stärker wachsen. Denn erst ein Prozent der Kleidung, die im ersten Halbjahr 2019 auf den Markt kam, so ein Ergebnis des neuen Reports der Unternehmensberater, war bereits als nachhaltig gekennzeichnet.

Erst 27 Unternehmen dürfen bisher das Siegel Grüner Knopf tragen. Zwar haben nach Angaben des BMZ weitere 100 Unternehmen ihr Interesse bekundet. Doch die brauchen erst einmal einen Prüftermin bei Einrichtungen wie dem Tüv Nord. Das kann dauern. Dann erfolgt eine Vorbesprechung und später eine zweitägige Prüfung vor Ort im Unternehmen. Bis dann die Produkte in den Handel kommen, vergehen noch einmal Monate.

Zu denen, die eigentlich wollten, gehört auch der Textildiscounter Kik. Doch Verzögerungen beim Prüftermin haben die Skepsis beim Unternehmen aus Bönen wachsen lassen. „Seine geringe Verbreitung, die bisher nicht vorhandene Nachfrage in unserer Zielgruppe sowie der geringe Mehrwert des Siegels gegenüber bereits bestehenden sind aus unserer Sicht Argumente, die gegenwärtig gegen eine Verwendung sprechen“, sagte ein Kik-Sprecher.

Umso schwerer ist es, den Grünen Knopf durchzusetzen. Selbst kleinere Unternehmen, die mit der fairen Produktion und dem Einsatz von Biobaumwolle werben, sind skeptisch, wie Jan Thelen. Der Gründer und CEO des Hamburger Unternehmens Recolution unterstützt zwar den Grundgedanken des Grünen Knopfes, „weil er mehr Klarheit in das für den Verbraucher schwer verständliche Wirrwarr an Siegeln bringen kann“. Leider habe der Bundesentwicklungsminister aber „diese Chance vertan, weil er das Siegel halbfertig auf den Markt geworfen hat“. So würden nur 50 Prozent der Produktionsstufen erfasst.

Tatsächlich umfasst das Siegel nicht alle Produktionsstufen, sondern nur das Zuschneiden, Nähen, Bleichen und Färben von Kleidungsstücken. Andere Arbeiten auf vorgelagerten Stufen werden nicht erfasst. Das will der Bundesentwicklungsminister erst in den nächsten Jahren ändern.

Das ist auch ein Grund, warum P&C sich dem Grünen Knopf nicht anschließt. „Zum jetzigen Zeitpunkt bewertet das Siegel nur Teilaspekte der Modeindustrie“, teilt das Düsseldorfer Unternehmen auf Anfrage mit. „Zudem gibt es in der derzeitigen Einführungsphase einige Ausnahmen in den Regeln und damit auch uneindeutige Aussagen gegenüber dem Endkunden.“

Nichtregierungsinitiativen wie die Kampagne für Saubere Kleidung, ein Netzwerk deutscher Nichtregierungsorganisationen, kritisieren zum Beispiel: Das neue Siegel überprüfe nur, ob Mindestlöhne in den Textilfabriken in Fernost gezahlt werden. Das ist deutlich weniger als die von ihnen geforderten existenzsichernden Löhne, die ausreichen, um davon zu leben. Diesen Punkt will Minister Müller erst in den nächsten Jahren in seinen Forderungskatalog aufnehmen.

Aber selbst Unternehmen, die sich zum Grünen Knopf bekennen, haben in der Praxis Probleme. So hat der Modedienstleister Brands Fashion aus Buchholz bei Hamburg zwar die Autorisierung für das neue Prüfsiegel erhalten. Und deutlich über 30 Prozent der Textilien des Spezialisten, der Berufsbekleidung für Unternehmen wie Obi sowie Kollektionen für Eigenmarken des Handels produziert, erfüllen die Kriterien des Grünen Knopfes.

Aber „wir müssen noch viele unserer Kunden vom neuen Siegel überzeugen“, sagt Geschäftsführer Ulrich Hofmann. „Einige sind nicht bereit, mehr für ein nachhaltig produziertes Kleidungsstück zu bezahlen.“ Bei der Bestellung von einer Million T-Shirts machen Mehrkosten, die er auf acht bis neun Prozent schätzt, gleich einen größeren Betrag aus.

Bei einem Einkaufspreis für ein T-Shirt von zwei Euro sind dies bei acht Prozent Mehrkosten von 16 Cent pro Stück. Das erhöht den Einkaufspreis bei einer Million T-Shirts um 160.000 Euro.

Aufmerksam wird die Entwicklung des Grünen Knopfs auch von den Unternehmen und Organisationen beobachtet, die bereits seit vielen Jahren mit eigenen Siegeln im Geschäft sind wie der Global Organic Textile Standard (GOTS), Fairwear oder Oeko-Tex mit seinem Siegel „Made in Green“, das es bereits seit 2015 gibt. „Wir waren auf dem Segment einer der Vorreiter“, betont Georg Dieners, Generalsekretär von Oeko-Tex, denn auch.

Es gehört zu mehreren Dutzend Siegeln, die von verschiedenen Institutionen und von Unternehmen selbst vergeben werden. Diese verwirrende Vielfalt dürfte in den nächsten Jahren nicht so bleiben. „Ich bin überzeugt davon, dass sich der Markt für Textilsiegel konsolidieren wird“, erwartet zum Beispiel Melawear-Chef Siedentopp.

Bundesentwicklungsminister Müller zumindest ist davon überzeugt, dass der Grüne Knopf als Metasiegel diese Marktbereinigung überstehen wird.