Was ist der unterschied zwischen neurologische und orthopadische svhmerzen

Eine Orthopädische Rehabilitation bietet Patienten mit Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparats ein ganzheitliches Therapieprogramm. Dadurch sollen die Beweglichkeit und Stabilität, aber auch die Erwerbsfähigkeit verbessert und wiederhergestellt werden.

Welche Bereiche umfasst die Orthopädie?

Die Orthopädie befasst sich mit Krankheiten und Fehlbildungen des menschlichen Stütz- und Bewegungsapparates. Das medizinische Personal konzentriert sich dabei auf das Zusammenspiel der Knochen, Muskeln, Sehnen und Gelenke. Ein Orthopäde ist Ihr Facharzt, wenn Sie aufgrund von Erkrankungen in Ihrer Beweglichkeit und Körperhaltung eingeschränkt sind. Da die Ursachen für die unterschiedlichen Erkrankungen zahlreich sein können, muss der Orthopäde bei der Diagnose und Behandlung in verschiedene Richtungen denken.

Eine Orthopädische Reha behandelt Erkrankungen und Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparats, deren Ursache sein können:

Als Anschlussheilbehandlung wird eine Orthopädische Rehabilitation nach Operationen und Gelenkimplantationen angeordnet. Dies ist beispielsweise nach Wirbelsäulen- oder Gelenkersatzoperationen der Fall.

Was ist eine Orthopädische Reha?

Orthopädische Rehakliniken sind darauf spezialisiert, Sie während Ihrer Reha optimal zu versorgen und medizinisch zu betreuen. Das Angebot reicht vom spezialisierten Therapiepersonal über eine geeignete Sport- und Therapieausstattung bis hin zu ergonomisch anpassbaren Möbeln vor Ort. Dies alles soll Ihren Bewegungsapparat entlasten und fordern.

Eine Orthopädische Rehabilitation zeichnet sich durch die folgenden Leistungen aus:

  • Physiotherapie,
  • Sporttherapie und medizinische Trainingstherapie,
  • Physikalische Therapie mit Massagen, Kälte-, Wärme- oder Wasseranwendungen,
  • Ergotherapie,
  • ärztliche Versorgung und Diagnostik,
  • pflegerische Versorgung, inklusive Wundversorgung,
  • Sozialdienst und Psychologische Beratung,
  • Gesundheitsbildung und Ernährungsberatung,
  • orthopädische Schuhtechnik und Orthopädie-Technik sowie
  • Rehabilitationsnachsorge.


Bei der Orthopädischen Rehabilitation wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Während Ihrer Reha richten die Experten den Fokus darauf, Ihre Beweglichkeit und Stabilität so gut wie möglich wiederherzustellen. Aber auch andere Aspekte spielen bei der Rehabilitation eine wichtige Rolle, um Ihre Lebensqualität zu verbessern. Sie erfahren zum Beispiel mehr zu gesunder Ernährung, den Hintergründen Ihrer Erkrankung und lernen Strategien für den privaten und beruflichen Alltag. Sie sollen während Ihrer Reha neue Impulse erhalten, um danach wieder ein aktiveres Leben mit weniger Schmerzen führen zu können.

Wann ist eine Orthopädische Reha sinnvoll?

Eine orthopädische Rehabilitation ist die richtige Maßnahme bei akuten Symptomen oder chronischen Krankheitsprozessen. Ob und wann Sie eine Reha mit orthopädischem Schwerpunkt benötigen, hängt nicht zwangsläufig vom Krankheitsbild ab, sondern vor allem vom Verlauf der Symptome und deren Prognose. In der Regel ist eine Orthopädische Rehabilitation dann sinnvoll, wenn Sie mittel- bis langfristig in Ihren Bewegungen und Haltungen unterstützt werden müssen.

In erster Linie betrifft diese Reha Patienten, die zuvor Operationen erfahren haben. Typischerweise sind es Operationen des Knies (z. B. ein Kreuzbandriss oder ein Kniegelenkersatz aufgrund einer Kniearthrose), der Hüfte, der Schulter, der Wirbelsäule und der Bandscheibe. Weiterhin werden die Leistungen Orthopädischer Rehakliniken empfohlen, wenn die Patienten unter Gelenk- oder Bandscheibenbeschwerden leiden bzw. gelitten haben. Darüber hinaus ist die orthopädische Reha eine sinnvolle Maßnahme bei Osteoporose, Skoliose, Arthrose oder Rheuma.

Patienten mit chronischen Schmerzen fällt ein besonderes Augenmerk zu. Für diese Patienten gibt es das Spezialgebiet der Verhaltensmedizinischen Orthopädie (VMO), bei der neben der konventionellen Schmerztherapie eine intensive psychologische Betreuung eingesetzt wird. Hierauf haben sich einige Kliniken spezialisiert.

Ziele und Verlauf einer Orthopädischen Reha

Das oberste und zugleich allgemeine Ziel ist die Verbesserung von Bewegungs- und Haltungsmöglichkeiten und mehr Lebensqualität im Alltag. Je nach Zustand können Ihre Beschwerden ganz behoben werden oder aber Sie werden dahingehend gefördert, dass Sie trotz Ihrer Beschwerden in Ihrer Lebensqualität gestärkt werden und Ihre Autonomie möglichst lange erhalten bleibt.

Die Ziele im Überblick:

  • Minderung körperlicher, seelischer und sozialer Krankheitsfolgen,
  • Verbesserung der Gehstrecke,
  • Verbesserung der Fitness und Beweglichkeit,
  • Verbesserung der Beweglichkeit von Gelenken und Wirbelsäule und
  • Verbesserung von Ausdauer und Kraft.

Wie Ihre Reha konkret ablaufen wird, entscheidet der behandelnde Arzt zu Beginn der Maßnahme bei Ihrer Aufnahme in die Rehaklinik. In der Regel erhalten Sie sowohl einen Überblick über den gesamten Rehaverlauf, als auch wöchentliche Therapiepläne. Darin finden Sie Ihr tägliches Therapieprogramm, die ärztlichen Untersuchungen sowie medizinischen Vorträge. Ihr Therapieplan wird in Absprache mit Ihrem Arzt erstellt und individuell auf Sie zugeschnitten. Gegen Ende der Rehabilitation wird überprüft, welche Fortschritte Sie machen konnten und ob die Therapieziele erreicht wurden.

Voraussetzungen und Kliniken für eine Orthopädische Reha

Ganz gleich, ob Sie wegen Krankheiten am Knie, Osteoporose oder einem Unfall behandelt werden müssen: Sie erfüllen die Voraussetzungen für eine Orthopädische Reha, wenn Ihre behandelnden Ärzte diese als notwendig erachten. Die Hauptkriterien sind:

  • Ihre Rehabilitationsbedürftigkeit ist festgestellt, das heißt, Sie brauchen den intensiven Therapieumfang einer Reha.
  • Sie sind rehabilitationsfähig und insgesamt dazu in der Lage, aktiv an der Reha und dem Therapieprogramm teilnehmen zu können.
  • Es besteht eine positive Prognose darüber, dass die Reha bei Ihren Beschwerden helfen wird.

Darüber hinaus sind die persönlichen Voraussetzungen der Deutschen Rentenversicherung und der Krankenkassen sowie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentenversicherung ausschlaggebend. Hier sind die Erwartungen also immer in Relation zu dem (sozial)gesetzlichen Rahmen zu setzen, um Notwendigkeit, Art und Dauer einer Rehabilitation korrekt einschätzen zu können. Ebenso ist vor diesem Hintergrund zu entscheiden, welche Reha-Form angebracht ist, also stationär oder ambulant.

Orthopädische Rehabilitation wird von ausgewiesenen Rehakliniken mit dem Schwerpunkt der Orthopädie angeboten. Es gibt aber auch einige Rehakliniken, bei denen orthopädische Störungen als Nebenindikation zählen. Das heißt, deren Behandlungsschwerpunkte liegen in anderen Bereichen, aber begleitend bieten sie orthopädische Unterstützung an.

Orthopädische Reha - für den ganzen Menschen

Auch wenn eine Orthopädische Rehabilitation das Ziel hat, Ihre Beweglichkeit, gesunde Haltung und Erwerbsfähigkeit zu optimieren, so bieten die meisten Rehakliniken einen ganzheitlichen Ansatz an, so dass auch andere Bereiche des menschlichen Lebens gefordert und gefördert werden. Ernährungstherapie, Entspannungstechniken oder psychologische Beratung sind hier nur drei mögliche Ergänzungen, um Ihre Rehabilitation in einem umfassenden Sinne anzustreben.

Zuletzt geändert am: 24.07.2020

Autor

Was ist der unterschied zwischen neurologische und orthopadische svhmerzen

(Schema Empfehlungsgraduierung siehe Tabelle 3 im Anhang)

Zusammenfassung

Die zervikale Radikulopathie (ZR) ist ein relativ häufiges Krankheitsbild, welches in sehr vielen Bereichen der Medizin vorkommt und einen interdisziplinären Behandlungsansatz erfordert. Obwohl das Leitsymptom der Schmerz ist, weist die ZR einige Besonderheiten auf, denen die Deutsche Gesellschaft für Neurologie in einer eigenen Leitlinie Rechnung trägt. Im Hinblick auf die allgemeinen Prinzipien der Nackenschmerzbehandlung wird ausdrücklich auf die aktuelle S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin verwiesen [32].

Der Leitlinie liegt eine Recherche von Leitliniendatenbanken und Medline zugrunde. Unter der Moderation durch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erfolgte die Konsensfindung mittels eines nominalen Gruppenprozesses und des Delphi-Verfahrens.

In der vorliegenden Leitlinie der DGN wird auf die unterschiedlichen Vorgehensweisen in Bezug auf primär konservative und operative Therapieregime eingegangen.
Adressaten der Leitlinie sind spezialisierte Ärzte in der Niederlassung (Fachrichtungen Neurologie, Orthopädie, Unfallchirurgie, Neurochirurgie, Schmerztherapie, Physikalische und Rehabilitative Medizin und Manuelle Medizin), Ärzte in Krankenhäusern aus allen konservativen und speziellen chirurgischen Fächern (wie Orthopädie, Unfallchirurgie, Neurochirurgie), in der Rehabilitationsmedizin tätige Ärzte (besonders aus den Fächern Neurologie, Orthopädie und Physikalische und Rehabilitative Medizin) und Funktionstherapeuten (besonders Physiotherapie und Ergotherapie). Die Leitlinie dient auch der Information für weitere als Adressaten genannte Fachdisziplinen (z.B. Fachrichtungen Innere Medizin und Allgemeinmedizin).

Das wesentliche Ziel dieser Leitlinie ist es, den aktuellen Wissensstand zur Therapie der zervikalen Radikulopathie zu vermitteln. Die vorliegende Leitlinie bezieht sich ausschließlich auf die degenerativ bedingten zervikalen Radikulopathien.

Einleitung

Die zervikale Radikulopathie (ZR) ist eine häufige neuro-muskulo-skelettale Erkrankung, die Schmerzen und Behinderung verursacht. Die jährliche Inzidenz beträgt 83,2 von 100.000 mit einer erhöhten Inzidenz in der 5. und 6. Lebensdekade [11, 102, 109]. Schmerzen der Halswirbelsäule (HWS) mit Ausstrahlung in den Arm sind die Leitsymptome der ZR. Die ZR ist das Ergebnis einer Nervenwurzelirritation oder -kompression, die zumeist durch eine raumfordernde Veränderung wie einen Bandscheibenvorfall oder Veränderungen der Zwischenwirbelgelenke oder Osteophyten verursacht wird. Diese raumfordernden Veränderungen affektieren die Schmerzrezeptoren und -fasern der Nervenwurzeln, die die typischen radikulären Symptome verursachen [138]. Am häufigsten sind die Nervenwurzeln C6 und C7 betroffen [11, 102, 138].

Klinische Voraussetzungen für das Vorliegen einer zervikalen Radikulopathie sind Symptome und Beschwerden, die einer zervikalen Nervenwurzel zuzuordnen sind.

Als Ursachen für die Radikulopathien im HWS-Bereich finden sich neben Bandscheibenvorfällen (häufiger bei jüngeren Patienten) auch degenerativ-knöcherne Veränderungen (Osteochondrose, Unkovertebralgelenkarthrose, Spondylarthrose, Spondylolisthese, Osteophyten) mit Einengung der Foramina intervertebralia (häufiger bei älteren Patienten) [102, 138]. Diese degenerativ-knöchernen Veränderungen können auch zur Einengung des Spinalkanals und zur begleitenden zervikalen Myelopathie führen (s. auch Leitlinie „Zervikale spondylotische Myelopathie“). Weiterhin können lokale Raumforderungen wie Tumoren (z.B. Knochenmetastasen, Ependymome, Neurinome, Meningeome, selten Synovial-Zysten), Hämatome oder entzündliche Veränderungen (Abszesse, Spondylodiszitis, Borreliose, Zoster) eine ZR verursachen. Pseudoradikuläre Syndrome bei orthopädischen Erkrankungen müssen von zervikalen Radikulopathien abgegrenzt werden, was besonders bei Wurzelreizsyndromen nicht immer einfach ist [102]. Die vorliegende Leitlinie bezieht sich ausschließlich auf die degenerativ bedingten zervikalen Radikulopathien.

Im Hinblick auf die Prinzipien der Nackenschmerzbehandlung wird ausdrücklich auf die aktuelle S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin verwiesen [32]. Die Leitlinie ZR verfolgt das Ziel, für bestimmte klinische Konstellationen Empfehlungen für ein konservatives und/oder operatives Vorgehen zu geben.

Leitlinienreport

Verantwortlichkeiten

Die Erstellung der Leitlinie erfolgte im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) in Kooperation mit folgenden medizinischen Fachgesellschaften bzw. Verbänden (in alphabetischer Reihenfolge):

Bundesverband der Ergotherapeuten in Deutschland (BED) Deutsche Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM) Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) Deutsche Gesellschaft für Neurologische Rehabilitation (DGNR) Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) Deutsche Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation (DGPMR) Deutsche Schmerzliga (DSL) Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK)

Deutsche Wirbelsäulengesellschaft (DWG)

Übersicht

Siehe Tabelle 1 im Anhang

Zusammensetzung der Leitliniengruppe

Vom Sekretariat der Leitlinie wurden im Auftrag der federführenden Fachgesellschaft DGN die Vorstände aller o.g. Fachgesellschaften über das Vorhaben informiert und gebeten, Vertreter zu benennen. Es wurden die im Folgenden aufgeführten Personen als Vertreter der Fachgesellschaften mit jeweils einem Stimmrecht pro Fachgesellschaft benannt (in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen):

  • Dr. Rena Isabel Amelung, Bismarckstr. 9, 33790 Halle (Westf.), und Nicola Dodd, Ergotherapeutin, M.A., Fritz-Wunderlich-Straße 12a, 66869 Kusel, für den BED
  • Prof. Dr. Tobias Back, Chefarzt Neurologie und Stellvertretender Ärztlicher Direktor des Sächsischen Krankenhauses Arnsdorf, Hufelandstraße 15, 01477 Arnsdorf
  • Birgitta Gibson, Danziger Str. 5, 63500 Seligenstadt, für die DSL
  • Dr. Mario Leimert, Chefarzt der Asklepios Orthopädischen Klinik Hohwald, Fachkrankenhaus für Orthopädie u. Rheumaorthopädie, Hohwaldstr. 40, 01844 Neustadt, und Prof. Dr. Michael Stoffel, Direktor der Neurochirurgischen Klinik, HELIOS Klinikum Krefeld, Lutherplatz 40, 47805 Krefeld, für die DGNC
  • Prof. Dr. Jennifer Linn, Ärztliche Direktorin des Instituts und der Poliklinik für Neuroradiologie, Universitätsklinik Carl Gustav Carus, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, für die DGNR (Neuroradiologie)
  • Prof. Dr. Hermann Locher, Lindauer Str. 16, 88069 Tettnang, für die DGMM
  • Prof. Dr. Thomas Mokrusch, Ärztlicher Direktor, MediClin Hedon Klinik, Hedonallee 1, 49811 Lingen, für die DGNR (Neurorehabilitation)
  • Prof. Dr. Marcus Pohl, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Fachklinik für Neurologisch-Neurochirurgische Rehabilitation, HELIOS Klinik Schloss Pulsnitz GmbH, Wittgensteiner Str. 1, 01896 Pulsnitz, für die DGN und das
  • Leitliniensekretariat
  • Prof. Dr. Tobias L. Schulte, Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Orthopädische Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum, Katholisches Klinikum Bochum, St. Josef-Hospital, Gudrunstr. 56, 44791 Bochum, für die DWG
  • Dr. Jens Seifert, Chefarzt der Asklepios Orthopädischen Klinik Hohwald, Fachkrankenhaus für Orthopädie u. Rheumaorthopädie, Hohwaldstr. 40, 01844 Neustadt, für die DGOU
  • Reina Tholen, Kompetenzzentrum Wissenschaft, Forschung, Aus-, Fort- und Weiterbildung, Deutzer Freiheit 72–74, 50679 Köln, für den ZVK
  • Dr. Thomas van de Weyer, BG Klinikum Hamburg, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Lübeck und der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg, Bergedorferstr. 10, 21033 Hamburg, für die DGPMR

Finanzierung

Die angefallenen Kosten (Leitlinienkonferenzen) wurden von der DGN übernommen. Die Reisekosten der Vertreter der anderen beteiligten Gesellschaften wurden jeweils von diesen Gesellschaften übernommen.

Adressaten

Die Empfehlungen der Leitlinie richten sich an alle Berufsgruppen, die Patienten mit zervikaler Radikulopathie behandeln. Adressaten der Leitlinie sind spezialisierte Ärzte in der Niederlassung (Fachrichtungen Neurologie, Orthopädie, Unfallchirurgie, Neurochirurgie, Schmerztherapie, Physikalische und Rehabilitative Medizin und Manuelle Medizin), Ärzte in Krankenhäusern aus allen konservativen und speziellen chirurgischen Fächern (wie Orthopädie, Unfallchirurgie, Neurochirurgie), in der Rehabilitationsmedizin tätige Ärzte (besonders aus den Fächern Neurologie, Orthopädie und Physikalische und Rehabilitative Medizin) und Funktionstherapeuten (besonders Physiotherapie und Ergotherapie). Die Leitlinie dient auch der Information für weitere Fachdisziplinen (z.B. Fachrichtungen Innere Medizin und Allgemeinmedizin).

Auswahl, Bewertung der Literatur und Erläuterung zu der Vergabe der Empfehlungsgrade

Die Literaturrecherche erfolgte von Juli 2016 bis September 2016 durch den federführenden Redakteur (Leitliniensekretariat) und Prof. Tobias Back nach spezifischen Suchwörtern (Key Words) in der Datenbank Medline sowie in der Leitlinien-Datenbank der AWMF.

Hinsichtlich der Evidenzbewertung der Literatur ist festzustellen, dass die Datenlage zur Frage des optimalen Vorgehens bei zervikaler Radikulopathie sehr heterogen ist. Im Sinne der S2k-Leitlinie wurde allerdings auf eine systematische Literaturrecherche und eine Klassifizierung der gefundenen Studien in Evidenzgrade und eine Bewertung der Studien verzichtet. Daher wurden Empfehlungen auf dem Niveau der Expertenmeinung ausgesprochen.

Leitlinienkonferenzen

Es fanden protokollierte Konferenzen an folgenden Terminen statt:

  • 08.03.2016: Protokolliertes Treffen der Kernredaktion in Pulsnitz
  • 23.05.2017: Protokollierte Konsensus-Leitlinienkonferenz in Frankfurt

Prozess der Leitlinienerstellung

Festlegung der Ziele

Die Ziele der vorliegenden Leitlinie wurden beim ersten Treffen der Leitlinienkommission in Pulsnitz am 08.03.2016 festgelegt.

Prozess der Leitlinienentwicklung, Konsensfindung

Das Kernredaktionsteam mit dem Hauptredakteur M. Pohl und den Ko-Redakteuren T. Back, M. Leimert und J. Seifert erstellte den ersten Textentwurf, der in der Kernredaktion per E-Mail abgestimmt wurde.

Unter Moderation von Frau Prof. Dr. I. Kopp (AWMF) wurde der Entwurf am 23.05.2017 in Frankfurt mit den Mitgliedern diskutiert und konsentiert.

Der zur Erstellung der Empfehlungen der Leitlinie notwendige Konsensprozess wurde durch die Kombination eines nominalen Gruppenprozesses und der Delphi-Technik erzielt. Beim nominalen Gruppenprozess treffen sich die Beteiligten unter Leitung eines neutralen Moderators (hier Frau Prof. Dr. I. Kopp von der AWMF) zu strukturierten Sitzungen, deren Ablauf in folgende Schritte gegliedert ist:

  1. Präsentation der zu konsentierenden Aussagen
  2. Änderungsvorschläge und Anmerkungen zu den vorgeschlagenen Aussagen durch die Teilnehmer
  3. Abfrage und Sammlung der Kommentare von einem unabhängigen und nicht stimmberechtigten Moderator (Prof. Dr. Kopp). Inhaltlich ähnliche Kommentare werden dabei zusammengefasst
  4. Abstimmung über die Diskussionswürdigkeit der einzelnen Vorschläge
  5. Hieraus resultiert die Rangfolge der Vorschläge
  6. Protokollierung der Konsensstärke und Überarbeitung der Leitlinie.

Dieses Verfahren wird bis zur Erzielung eines Konsenses durchgeführt.

Zur Abstimmung weiterer Empfehlungen wurde im Juni 2017 auch die Delphi-Technik eingesetzt. Hierbei verläuft die Konsensfindung analog zu den oben beschriebenen Schritten, jedoch treffen sich die Teilnehmer nicht, sondern kommunizieren schriftlich, hier per E-Mail.

Sowohl die durch den nominalen Gruppenprozess als auch die durch das Delphi-Verfahren konsentierten Empfehlungen bzw. Kernaussagen wurden mit mehr als 88% der abgegebenen Stimmen befürwortet, so dass durchgängig ein Konsens bei den Empfehlungen bestand.

Erklärung und Prüfung von Interessen

Alle Mitwirkenden der Leitlinie haben ihre Interessenerklärungen mit dem Formular der AWMF rechtzeitig und vollständig ausgefüllt beim Koordinator eingereicht. Das 2016 aktuelle AWMF-COI-Formblatt wurde verwendet.

Alle Interessenerklärungen wurden geprüft und durch einen anonym arbeitenden, unabhängigen und sachkundigen Interessenkonfliktbeauftragten der DGN auf thematisch relevante Interessenkonflikte begutachtet. Danach liegen keine die Objektivität der Beiträge einschränkenden Interessenkonflikte vor.

Daher wurde auch die 50-%-Regel der DGN, d.h., mindestens die Hälfte der Mitwirkenden dürfen keine oder nur geringe themenbezogene Interessenkonflikte besitzen, eingehalten. Die dargelegten Interessen der Beteiligten sowie deren Bewertung sind aus Gründen der Transparenz in der tabellarischen Zusammenfassung (PDF zum Download) aufgeführt.

Verabschiedung des Leitlinientextes in den Fachgesellschaften

Der von der Leitlinienkonferenz verabschiedete Leitlinientext wurde den Vorständen der federführenden und beteiligten Fachgesellschaften zur Erörterung und Kommentierung bzw. Verabschiedung übersandt.

Verbreitung der Leitlinie

Die S2k-Leitlinie „Zervikale Radikulopathie“ wird als Langversion einschließlich Leitlinienreport publiziert. Des Weiteren sind Kurz- und Langversion über die Internetseite der AWMF sowie über die Homepage der DGN verfügbar.

Gültigkeitsdauer und Aktualisierung der Leitlinie

Die Leitlinie gilt bis zur nächsten Aktualisierung, die spätestens drei Jahre nach der Online-Publikation der Leitlinie erfolgt. Verantwortlich für die Initiierung dieses Prozesses ist der Sekretär der Leitlinienkommission der DGN (Prof. Dr. M. Pohl).

Redaktionelle Unabhängigkeit

Die angefallenen Kosten (Leitlinienkonferenzen) der Leitlinien-AG wurden von der DGN übernommen. Die Mandatsträger erhielten von den sie entsendenden Fachgesellschaften eine Fahrtkostenerstattung. Für die Darlegung potenzieller Interessenkonflikte wurde das AWMF-COI-Formblatt verwendet, von allen beteiligten Mitgliedern der Leitliniengruppe ausgefüllt und unterzeichnet und von den Redakteuren bewertet. Es wurde festgestellt, dass keine Interessenkonflikte vorliegen, die die fachliche Unabhängigkeit der Autoren im Hinblick auf die Erstellung dieser Leitlinie beeinträchtigen könnten. Ein teilweiser oder vollständiger Ausschluss einzelner Beteiligter von der Leitlinienerstellung war nicht erforderlich.

Namensliste der Teilnehmer an der Konsensuskonferenz

Neben Frau Prof. Dr. I. Kopp von der AWMF (Leitung) haben am 23.05.2017 in Frankfurt an der Konsensuskonferenz folgende Personen teilgenommen (in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen):

  • Dr. Rena Isabel Amelung, Bismarckstr. 9, D-33790 Halle (Westf.), und Nicola Dodd, Ergotherapeutin, M.A., Fritz-Wunderlich-Straße 12a, 66869 Kusel, für den BED
  • Prof. Dr. Tobias Back, Chefarzt Neurologie und Stellvertretender Ärztlicher Direktor des Sächsischen Krankenhauses Arnsdorf, Hufelandstraße 15, 01477 Arnsdorf
  • Birgitta Gibson, Danziger Str. 5, 63500 Seligenstadt, für die DSL
  • Dr. Mario Leimert, Chefarzt der Asklepios Orthopädischen Klinik Hohwald, Fachkrankenhaus für Orthopädie u. Rheumaorthopädie, Hohwaldstr. 40, 01844 Neustadt, und Prof. Dr. Michael Stoffel, Direktor der Neurochirurgischen Klinik, HELIOS Klinikum Krefeld, Lutherplatz 40, 47805 Krefeld, für die DGNC
  • Prof. Dr. Jennifer Linn, Ärztliche Direktorin des Instituts und der Poliklinik für Neuroradiologie, Universitätsklinik Carl Gustav Carus, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, für die DGNR (Neuroradiologie)
  • Prof. Dr. Hermann Locher, Lindauer Str. 16, 88069 Tettnang, für die DGMM
  • Prof. Dr. Marcus Pohl, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Fachklinik für Neurologisch-Neurochirurgische Rehabilitation, HELIOS Klinik Schloss Pulsnitz GmbH, Wittgensteiner Str. 1, 01896 Pulsnitz, für die DGN und das Leitliniensekretariat
  • Prof. Dr. Tobias L. Schulte, Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Orthopädische Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum, Katholisches Klinikum Bochum, St. Josef-Hospital, Gudrunstr. 56, 44791 Bochum, für die DWG
  • Dr. Jens Seifert, Chefarzt der Asklepios Orthopädischen Klinik Hohwald, Fachkrankenhaus für Orthopädie u. Rheumaorthopädie, Hohwaldstr. 40, 01844 Neustadt, für die DGOU
  • Reina Tholen, Kompetenzzentrum Wissenschaft, Forschung, Aus-, Fort- und Weiterbildung, Deutzer Freiheit 72–74, 50679 Köln, für den ZVK
  • Dr. Thomas van de Weyer, BG Klinikum Hamburg, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Lübeck und der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg, Bergedorferstr. 10, 21033 Hamburg, für die DGPMR

 Die Zervikale Radikulopathie

Begriffsdefintion

Eine ZR liegt vor, wenn klinische Symptome bestehen, die einer zervikalen Wurzel zuzuordnen sind und die durch Schmerzen und/oder Sensibilitätsstörungen, motorische Störungen oder Reflexabschwächung/-ausfall gekennzeichnet sind.

Als Ursachen für die Radikulopathien im HWS-Bereich finden sich neben Bandscheibenvorfällen (häufiger bei jüngeren Patienten) auch degenerativ-knöcherne Veränderungen (Osteochondrose, Unkovertebralgelenkarthrose, Spondylarthrose, Spondylolisthese, Osteophyten) mit Einengung der Foramina intervertebralia (häufiger bei älteren Patienten) [102, 138]. Diese degenerativ-knöchernen Veränderungen können auch zur Einengung des Spinalkanals und zur begleitenden zervikalen Myelopathie führen (s. auch Leitlinie „Zervikale spondylotische Myelopathie“).

Weiterhin können lokale Raumforderungen wie Tumoren (z.B. Knochenmetastasen, Ependymome, Neurinome, Meningeome), Hämatome oder entzündliche Veränderungen (Abszesse, Spondylodiszitis, Borreliose, Zoster) eine ZR verursachen. Pseudoradikuläre Syndrome bei orthopädischen Erkrankungen müssen von zervikalen Radikulopathien abgegrenzt werden, was besonders bei Wurzelreizsyndromen nicht immer einfach ist [102].

Klinik, klinische Untersuchung und Verlauf

Akut oder subakut und im Verlauf dann auch chronisch auftretende einschießende Schmerzen und/oder Parästhesien im Ausbreitungsgebiet einer oder selten mehrerer Nervenwurzeln sind typische Symptome einer zervikalen Radikulopathie. Die Ausbreitung der Sensibilitätsstörungen und der Schmerzen entspricht den Dermatomen der betroffenen Nervenwurzeln.

Die Diagnose einer zervikalen Radikulopathie beruht auf der Anamnese und der neurologischen Untersuchung. Bandscheibenvorfälle der zervikalen Etagen C5–Th1 sind die häufigste Ursache und führen zu akut einsetzenden intensiven Schmerzen, meist zuerst vertebral, später dem betroffenen Dermatom folgend, aber auch in Form eines vernichtenden Schulterschmerzes. Im Dermatom ist oft das Schwitzen gestört. Es besteht häufig ein lokaler Klopfschmerz der Halswirbelsäule und ein reaktiver schmerzhafter muskulärer Hartspann. Eine Schmerzverstärkung ist häufig bei bestimmten Extrembewegungen und bei Husten, Pressen oder Niesen nachweisbar. Das vertebrale Schmerzsyndrom führt zu einer Blockierung des Wirbelsäulenabschnitts. Neurologische Ausfälle können anfangs fehlen und bestehen in Form von Paresen, Sensibilitätsausfällen, Reflexabschwächungen oder Reflexausfällen. Die neurologischen Defizite werden durch das Innervationsmuster der betroffenen Wurzel und deren Dermatom bestimmt.

Motorische Ausfälle mit konsekutiven Muskelatrophien betreffen die Kennmuskeln (aber auch andere von der Wurzel versorgte Muskeln). In Bezug auf die Zugehörigkeit der Kennmuskeln, Dermatome und Reflexe für jede Wurzel im HWS-Bereich wird auf Lehrbücher der Neurologie verwiesen (z.B. [7]). Die Paresen sind meist inkomplett, da die einzelnen Kennmuskeln ihre Innervation über mehrere Nervenwurzeln erhalten und die Kennmuskeln klinisch meist nicht isoliert geprüft werden können. Dementsprechend kommt es zu einer Abschwächung oder zu einem Ausfall der zugehörigen Kennreflexe. Bei den meisten Radikulopathien kommt es zu erheblichen Veränderungen im Bereich der HWS mit einer Steilstellung, einem paravertebralen muskulären Hartspann, einem lokalen Klopf- oder Druckschmerz über der Wirbelsäule sowie zu einer Zunahme der Beschwerden bei Drehung oder Neigung des Kopfes nach hinten und/oder zur betroffenen Seite (auch Okklusionsschmerz genannt mit eingeschränkter passiver Beweglichkeit der HWS). Zusätzlich können ein Husten-, Press- und Niesschmerz sowie andere Nervendehnungszeichen auftreten. Bei den Nervendehnungszeichen an der HWS wird der gestreckte Arm im Schultergelenk passiv nach hinten bewegt oder der zur betroffenen Seite geneigte Kopf nach unten geführt [100]. Dabei kommt es zu einem in den Arm ausstrahlenden Schmerz [100]. Bei den selteneren polyradikulären Prozessen kommt es zu einem mehrsegmentalen Ausfall. Bei medianen Bandscheibenvorfällen oder anderen spinal raumfordernden Prozessen finden sich zusätzlich zu den meist asymmetrischen peripheren Störungen an den Armen auch Zeichen der Schädigung langer Bahnen mit einer spastischen Gangstörung, Reflexsteigerung an den Beinen, verbreiterten reflexogenen Zonen, unerschöpflichen Kloni und Pyramidenbahnzeichen sowie Blasenentleerungsstörungen. Das entspricht einer zervikalen Myelopathie (siehe Leitlinie „Zervikale spondylotische Myelopathie“). Bei den chronischen Veränderungen stehen meist paravertebrale Schmerzen mit (teilweise intermittierender) radikulärer Ausstrahlung im Vordergrund. Objektivierbare neurologische Ausfälle müssen beschrieben, deren Verlauf dokumentiert und deren eventuell auftretende Progredienz erkannt werden. Häufig kann die Wurzelkompression durch elektromyographische Untersuchungen verifiziert werden.

Zur Erfassung der verschiedenen Symptome und Beschwerden (vor allem Schmerz) wurden (mitunter komplexe) Assessments entwickelt, um eine bessere Verlaufsbeurteilung zu ermöglichen [128, 139].

Der Verlauf bei ZR ist häufig langwierig und individuell sehr unterschiedlich, aber grundsätzlich günstig. Die meisten Patienten mit einer Bandscheibenprotrusion- oder -prolaps-bedingten ZR verbessern sich innerhalb der ersten vier bis sechs Monate nach Beginn der Symptome [67]. Innerhalb von 24 bis 36 Monaten erholen sich 83% dieser Patienten vollständig [135]. Zum natürlichen Verlauf von Patienten mit anderen Ursachen der ZR gibt es keine Studien.

Diagnostische Verfahren

Bildgebung

Bei der Beurteilung bildgebender Untersuchungen der HWS ist generell zu beachten, dass zervikale Bandscheibenläsionen oder andere degenerative Veränderungen bei symptomfreien älteren Menschen sehr häufig sind [93] und pathologische bildgebende Befunde nur mit Zurückhaltung mit klinischen Befunden zu korrelieren sind [83].

Wenn sich aus Anamnese und klinischem Befund die Diagnose einer ZR ergibt, sollte eine Magnetresonanztomographie (MRT) der HWS durchgeführt werden, wenn diese eine therapeutische Konsequenz für den individuellen Patienten haben könnte. Eine Magnetresonanztomographie (MRT) der HWS ist der Computertomographie (CT) in Bezug auf die Weichteildarstellung (z.B. Bandscheibenprolaps) überlegen [83].

Folgende MRT-Sequenzen werden empfohlen [13]:

  • sagittale T1-Spinecho-Sequenz in ≤ 3 mm Schichtdicke
  • sagittale T2-Turbospinecho-Sequenz in ≤ 3 mm Schichtdicke und
  • transversale T2-Turbospinecho-Sequenz oder T2*-Gradientenecho-Sequenz, Sequenz in ≤ 3 mm Schichtdicke.

Bei Kontraindikationen für ein MRT oder vorwiegend knöchernen Veränderungen wird ein Dünnschicht-CT der HWS mit Knochenfenster durchgeführt. Die häufigsten Pathologien (Bandscheibenprolaps oder -protrusion, Neuroforameneinengung, Metastasen der Wirbelkörper, Neurinome oder Meningeome) können damit sicher erfasst werden. Kontrastmittelgabe bei V.a. Neoplasie oder Spondylodiszitis. Befunde, die den Spinalkanal tangieren, können mit einer Myelo-CT besonders gut sichtbar gemacht werden. Die CT der HWS zeigt auch die Ossifikation von Bandscheibenveränderungen und der Ligamente vor operativen Eingriffen. Letzteres ist besonders bei der seltenen Ossifikation des hinteren Längsbandes (OPLL) von Bedeutung, die in Asien gehäuft vorkommt und bei Nichterkennen zu schweren intraoperativen Komplikationen führen kann.

Röntgen-Nativaufnahmen der HWS spielen heute in der bildgebenden Diagnostik der ZR eine untergeordnete Rolle. Die Durchführung von Röntgen-Nativaufnahmen der HWS wird für folgende spezielle Fragestellungen empfohlen:

  1. Vor einem operativen Vorgehen zur Darstellung bzw. zum Ausschluss von Knochendestruktionen
  2. Bei Fragestellungen nach zervikalem Wirbelgleiten, Densfehlstellungen oder atlantodentalen Instabilitäten (bei Rheuma) in seitlichen Funktionsaufnahmen.

Elektrophysiologie

Bei diagnostischer Unsicherheit in Bezug auf die betroffenen Wurzeln soll zusätzlich elektrophysiologisch untersucht werden (Elektromyographie; frühestens zehn Tage nach Beschwerdebeginn). Ein Elektromyogramm (EMG) wird aus den Kennmuskeln der Wurzeln abgeleitet, die klinisch vermutlich betroffen sind, unter Einbeziehung der paravertebralen Muskulatur [134]. Die sensible Neurographie wird ergänzt. Wichtige Merkmale sind die Floridität der EMG-Veränderungen und die Abgrenzung gegen eine Plexusschädigung (z.B. die häufige Plexusneuritis, auch neuralgische Schulteramyotrophie genannt).

Denervierungszeichen in Kennmuskeln sind ein wichtiges Argument für die Entscheidung zu einem operativen Vorgehen. In einem Drittel der Fälle mit zervikaler Wurzelschädigung kann das EMG aber normal sein [103]. Mit dem EMG kann im Verlauf das Ausmaß der Reinnervation beurteilt werden. Ein Karpaltunnelsyndrom kann ebenfalls mittels EMG/NLG nachgewiesen werden, das häufig hartnäckige Brachialgien verursacht, die mit radikulären Schmerzen verwechselt werden können.

Die Messung langer Bahnen mittels MEP und SEP (Tibialis, Medianus) kann eine begleitende Myelopathie durch Nachweis einer verlängerten zentralen Leitungszeit sichern. Dies ist insbesondere bei zervikaler Spondylose und einer Spinalkanalstenose von Bedeutung.

Labordiagnostik

Falls klinisch eine Spondylosdiszitis vermutet wird, ist ein Basislabor mit Entzündungsparametern erforderlich. Zusätzlich wird eine Liquordiagnostik angestrebt, wenn eine Plexusneuritis oder eine Infektion des Nervensystems im Raum steht (z.B. Herpes zoster, Neuroborreliose, Tuberkulose). Bei neoplastischen Erkrankungen sollte eine Meningeosis carcinomatosa mittels Lumbalpunktion ausgeschlossen werden.

Differenzialdiagnose

Da in der Mehrzahl der zervikalen Radikulopathien Schmerzen vorhanden sind, die sich im entsprechenden Dermatom ausbreiten, kommen selten andere Erkrankungen in Betracht. Diese sind in Tabelle 2 (siehe Anhang) dargestellt. Bei sogenannten pseudoradikulären Beschwerden sind die neurologischen und elektrophysiologischen Untersuchungsbefunde unauffällig.

Therapie der zervikalen Radikulopathie

Allgemeine Empfehlungen zur Therapie

Die Therapie ist allgemein geprägt von einem primär multimodalen, interdisziplinären konservativen Vorgehen [106].

Eine operative Therapie in Kombination mit einem strukturierten Physiotherapieprogramm führt im Vergleich zu einem strukturierten Physiotherapieprogramm alleine bis zu ein Jahr nach der Operation schneller zu einer Schmerzlinderung und einer von den Betroffenen eingeschätzten allgemeinen Verbesserung ihrer Gesundheitssituation [44]. Nach zwei Jahren zeigte das primär operative Vorgehen in zwei RCTs keinen besseren Nutzen als das primär konservative Vorgehen [44, 105]. Im Langzeitverlauf (fünf bis acht Jahre) profitieren dagegen die Patienten mit ZR von einer primären Operation im Vergleich zu einem konservativen Vorgehen in Bezug auf Nackenbeweglichkeit und Nackenschmerzen, nicht aber in Bezug auf Armschmerzen und das Outcome der selbst eingeschätzten Gesundheitssituation [42]. Aus diesen Studien kann abgeleitet werden, dass bei Fehlen funktioneller Beeinträchtigung das Vorgehen zunächst konservativ (nicht operativ) sein soll. Bei funktionell beeinträchtigenden oder rasch progredienten Paresen soll das primäre Vorgehen dagegen operativ sein.

Konservative Therapie

Physiotherapie

Physiotherapeutisch kommen bei der ZR alle typischen Verfahren zur Anwendung [22, 59, 67]. Es dominieren Dehnungs- und Mobilisationsübungen und Übungen zur Stärkung der Muskulatur [22, 59, 67]. In verschiedenen Studien wurden physiotherapeutische Programme mit unterschiedlichen therapeutischen Inhalten untersucht [44, 50, 59, 85, 123].

Es existiert weiterhin eine Reihe von Studien, die verschiedene physiotherapeutische Verfahren miteinander vergleichen [12, 37, 50, Metaanalysen: 22, 73]. Physiotherapeutisch werden isometrische Muskelkontraktionen, aktive Bewegungsübungen zur Verbesserung des Grades der Beweglichkeit, Kraftübungen, Dehnungsübungen und manuelle Therapien angewendet [22, 73]. Die Kombination der verschiedenen Methoden wird grundsätzlich empfohlen [22, 73].

Die Datenlage ist insgesamt sehr heterogen, so dass sich kein einzelnes physiotherapeutisches Verfahren als überlegen herauskristallisiert [9, 22, 23, 25, 73, 138, 142]. In aller Regel wurde bei den unterschiedlichen Verfahren nur der kurzzeitige Effekt untersucht [57]. Insofern wird in den Empfehlungen eine Kombination aus verschiedenen Verfahren auch in Abhängigkeit von der Schmerztoleranz des Patienten favorisiert [9, 25, 67, 142]. Im Weiteren wird Bezug genommen auf physiotherapeutische Verfahren, die im Rahmen von RCTs untersucht wurden:

  • Die frühzeitige zervikale Mobilisation als Einzelintervention reduziert sofort und kurzzeitig die Schmerzen im Vergleich zu keiner Behandlung. Daten über längerfristige Effekte liegen nicht vor [57, 122].
  • Multimodale Interventionen, bestehend aus zervikaler Mobilisation und Übungen zur motorischen Kontrolle, sind effektiver in Bezug auf Schmerz und Bewegungseinschränkungen als Einzelinterventionen [122].
  • Bewegungstherapie in Form von Krafttraining und Stretching der Nackenmuskulatur kann zur Verbesserung der Funktion und Schmerzlinderung führen [22].
  • Sowohl das Tragen einer halbharten Halskrause (bzw. Halskrawatte), kombiniert mit einer allgemeinen Immobilisation („taking rest as much as possible“) über drei Wochen, mit einer anschließenden Entwöhnung von der Halskrause als auch mit einer zweimal wöchentlich stattfindenden Physiotherapie mit den Schwerpunkten auf Mobilisation und Stabilisation und einem zusätzlichen häuslichen Übungsprogramm über sechs Wochen, waren in einer Studie von Kuijper et al. einem abwartenden Verhalten ohne therapeutische Intervention in der frühen Phase (Symptombeginn kürzer als ein Monat) der klinisch diagnostizierten zervikalen Radikulopathie in Bezug auf die Schmerzreduktion überlegen [82]. Zwischen dem Tragen einer Halskrause mit Immobilisation und der Physiotherapie mit häuslichem Übungsprogramm zeigten sich hinsichtlich der Wirkung keine Unterschiede [82]. Aus dieser Studie kann abgeleitet werden, dass manche Patienten gerade in der akuten Phase von dem Tragen einer Halskrause profitieren können [39]. Zur Linderung der Schmerzen kann somit eine intermittierende Ruhigstellung durch das Tragen einer Halskrause über wenige Tage bei Patienten mit klinisch eindeutiger ZR im ersten Monat nach Beginn der Beschwerden die Schmerzen lindern und dazu Anwendung finden. Das Tragen einer Halskrause über einen längeren Zeitraum (> 21 Tage) kann zu einer Muskelatrophie führen und wird daher nicht empfohlen.

Manuelle Therapieverfahren

Manuelle Therapieverfahren werden von funktionellen Therapeuten (überwiegend Physiotherapeuten) mit manualtherapeutischer Zusatzausbildung, aber auch von Ärzten mit Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin/Chirotherapie durchgeführt. Manualtherapeutisch kommen neben den die Halsmuskel relaxierenden Maßnahmen im Wesentlichen Mobilisationen und Traktionsbehandlungen zum Einsatz [5, 11, 50, 55, 85, 86, 96, 140, 143]. Offenbar sind es bestimmte klinische Untersuchungsbefunde (unter anderem vorhandene Nackenschmerzen, Verbesserungen durch Nackenbewegungen, keine Verschlechterung unter Nackenextension), die vorhersagen, ob manuelle Therapien einen positiven Einfluss auf den Schmerz bei ZR haben oder nicht [19, 125].

Neuere Studien zeigten, dass Traktionsbehandlungen in Kombination mit segmentaler Mobilisation und Übungstherapie die beste Wirkung aufweisen [11, 12, 50]. Traktionsbehandlungen sind effektiver, wenn sie mechanisch mit definierten Gewichten prozentual zum Körpergewicht und nicht manuell angewendet werden [12].

Kontinuierliche oder intermittierende Traktionsbehandlungen zur Schmerzlinderung können nicht empfohlen werden [55, 122, 140].

Über chiropraktische Behandlungen mit impuls- und ruckartigen Manipulationen gibt es eine Kontroverse in der Fachliteratur [9, 67, 143]. Zum einen können bei manipulativen Therapien schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten (z.B. Dissektion der A. vertebralis) [9, 41, 65, 97, 110, 113]. So hatten in einer Studie in Ontario, Kanada, Patienten mit Vertebralisdissektion und einem Alter < 45 Jahren eine fünffach höhere Wahrscheinlichkeit, in der Woche vor der Dissektion mit einem chiropraktischen Manöver behandelt worden zu sein, im Vergleich zu alters- und geschlechtsgematchten Kontrollen [113]. Zum anderen ist in mehreren Studien zur Sicherheit dieser Behandlungsmethoden keine Vertebralisdissektion aufgetreten [12, 21, 50, 54, 72, 79].

Chiropraktische Manöver mit impuls- und ruckartigen passiven Bewegungen scheinen insgesamt das Dissektionsrisiko der A. vertebralis zu erhöhen [49, 65, 71, 110]. Geschätzt tritt eine Dissektion mit einer Häufigkeit von 1 in 400.000 bis 1 Million Manipulationen auf [113].

Abschließend wird empfohlen, dass manualtherapeutische Behandlungsverfahren von Ärzten mit Zusatzweiterbildung Manuelle Medizin/Chirotherapie und Physiotherapeuten mit abgeschlossener Weiterbildung in der Manuellen Therapie bei ZR angewendet werden sollen [96, 125]. Dabei können manuelle Traktionen und Mobilisationen der HWS nach Ausschluss von Kontraindikationen angewendet werden. Manipulationen mit Impuls sollen bei degenerativ bedingter ZR wiederum nicht angewendet werden.

Ergotherapie

Es existiert zu ergotherapeutischen Interventionen bei ZR keine Evidenz. Die Empfehlung basiert an dieser Stelle auf Expertenmeinungen.

Ergotherapie kann bei Patienten mit ZR zum Einsatz kommen. Dabei steht eine Verbesserung oder Kompensation der Schmerzsymptomatik und/oder der neurologischen Ausfälle im Fokus, um eine möglichst selbstständige Lebensführung zu ermöglichen und die Alltagskompetenz des Patienten zu stärken (z.B. Ankleiden, Hygienemaßnahmen). Als Basis für das Training von Alltagshandlungen beinhaltet dies etwa das Erlernen ergonomischer und physiologischer Bewegungsabläufe und von Kompensationsstrategien zur Schmerzlinderung oder die Förderung von motorischen und sensiblen Fähigkeiten (vgl. [35]) und die Verbesserung der Belastungsfähigkeit und der Ausdauer.

ADL (activities of daily life) – Beratung/Training

Es erfolgen eine Analyse von konkreten Alltagshandlungen und -abläufen und die Erstellung eines Konzepts zur Bewegungsergonomie und ggf. zu erforderlichen Kompensationsstrategien. Zudem werden Empfehlungen für Maßnahmen zur Anpassung des räumlichen und sozialen Umfeldes entwickelt (z.B. Veränderung der Platzierung von Arbeitsgegenständen, Arbeitsplatzanpassung, vgl. [34]). Die ADL-Analyse und Beratung erfolgt bei ZR-Patienten individuell entsprechend der Symptomatik. Das ADL-Training kann bei ZR-Patienten unter Berücksichtigung der N.A.P.-Therapie (Neuromuskuläre Arthroossäre Plastizität oder auch Neuroorthopädische Aktivitätsabhängige Plastizität) erfolgen [63].

Hilfsmittelberatung, -testung und -training

In der akuten Phase der ZR mit häufig starker Schmerzsymptomatik erfolgt die Hilfsmittelversorgung i.d.R. zunächst temporär mit dem Schwerpunkt auf Selbstversorgung (z.B. Greifhilfen, adaptierte Kleidung), da sich die Schwierigkeiten im Alltag mit einer Besserung der Symptomatik meist reduzieren (vgl. Heilmittelkatalog bei EN3-Rückenmarkserkrankungen [66]). Empfohlene Hilfsmittel für ZR-Patienten sind je nach Schwere der Symptomatik vor allem:

  • Schraubhilfen
  • Greifhilfen
  • Griffverdickungen
  • höhenverstellbare Tische und Stühle.

Die Patientenedukation

Die Patientenedukation im Rahmen der Ergotherapie bei ZR betrifft unter anderem die Arbeitsplatz- und Wohnraumanpassung (vgl. [53]) und kann zur Vermeidung von langfristigen pathologischen Bewegungsabläufen durch Fehlhaltung und Kompensationen sinnvoll sein. Bei Patienten mit ZR sollte die Patientenedukation unter Berücksichtigung des Gelenkschutzes (insbesondere bei hochgradigen Paresen) erfolgen. Die empfohlenen Maßnahmen hierbei sind die Anpassung des Arbeitsplatzes hinsichtlich der Ergonomie und des Greifraums und die individuelle Anleitung zur Änderung des Verhaltens in anderen Lebensbereichen, um eine Entlastung des zervikalen Bereiches zu erzielen.

Zusammenfassend kann Ergotherapie bei ZR mit funktionellen Beeinträchtigungen durchgeführt werden. Dabei sollten Therapiemethoden angewendet werden, die insbesondere die Alltagskompetenz des Patienten stärken.

Physikalische Maßnahmen

In Bezug auf die Anwendung unbestimmter physikalischer Maßnahmen (Kälte, Wärme) kann keine Empfehlung ausgesprochen werden, da es zu wenige kontrollierte Studien gibt [25]. In einer Cochrane-Metaanalyse zur Effektivität von Massagen bei „mechanischen Nackenerkrankungen“ konnten keine Empfehlungen für Massagen beschrieben werden, da die Evidenz unzureichend war [104]. In einer anderen Metaanalyse führten chinesische Massagetechniken („Tui Na“) bei ZR allenfalls zu einer kurzzeitigen Linderung der Schmerzen [130]. Aber auch hier wurde die Datenlage als unzureichend eingeschätzt [130].

Eine Elektrotherapie mittels TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation), PEMF (pulsierte elektromagnetische Feldtherapie) oder RMS (repetitive magnetische Stimulation) mit dem Ziel der Schmerzlinderung finden Anwendung, auch wenn die Evidenzlage für die ZR ungenügend und der Effekt als sehr gering einzustufen ist [80].
Physikalische Maßnahmen zur Behandlung der degenerativ bedingten ZR können abschließend wegen mangelnder Evidenzgrundlage nicht empfohlen werden.

Patientenschulung (z. B. Nackenschule)

Es existiert derzeit keine klare Evidenz dafür, dass edukative Interventionen wie Patientenschulungen (Verhaltensratgeber, Nackenschule, Entspannungsverfahren) kurz- oder längerfristig auf Patienten mit ZR einen positiven Einfluss haben [56, 58, 60, 141], obwohl diese Methoden relativ häufig Anwendung finden [20].

Demgegenüber sollten die Patienten umfassend über die Pathophysiologie und den Schmerzmechanismus bei ZR aufgeklärt werden und Anleitungen zur physikalischen Aktivität und zum Umgang mit den Schmerzen erhalten [76].

Medikamentöse Therapie

Aufgrund der ausgesprochen schwachen Evidenzlage zur oralen Medikation bei zervikaler Radikulopathie wird auf die Leitlinie „Pharmakologisch nicht interventionelle Therapie chronisch neuropathischer Schmerzen“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie verwiesen [33]. Außerdem wird geraten, sich an den Empfehlungen der Europäischen Föderation der Neurologischen Fachgesellschaften zur medikamentösen Therapie neuropathischer Schmerzen zu orientieren [3]. In Bezug auf die medikamentösen Prinzipien der Nackenschmerzbehandlung wird weiterhin auf die aktuelle S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. [32] und auf die Nationale Versorgungsleitlinie „Nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ verwiesen [14].

Im Grundsatz sollen bei der medikamentösen Behandlung von Schmerzen in Abhängigkeit von der Schmerzanalyse und den Regeln der mechanismenorientierten Differenzialtherapie nicht saure Analgetika, steroidale und nicht steroidale Antirheumatika sowie ggf. Opioide und Antikonvulsiva eingesetzt werden.

Konventionelle Analgetika und nicht steroidale Antiphlogistika

Als erste Eskalationsstufe wird der Einsatz von konventionellen Analgetika und nicht steroidalen Antiphlogistika (z.B. Ibuprofen oder Diclofenac) zur Schmerzregulierung bei zervikaler Radikulopathie empfohlen [3, 40, 46]. Bei Versagen von konventionellen Analgetika und nicht steroidalen Antiphlogistika wird als nächste Eskalationsstufe empfohlen, höherpotente Analgetika (z.B. von schwach wirksamen Opioiden wie Tramadol bis zu stark wirksamen Opioiden wie Fentanyl transdermal) einzusetzen [3, 40, 46]. Bei der Verschreibung retardierter Opioide muss eine engmaschige Überwachung erfolgen, und die noch bestehenden Therapienotwendigkeiten müssen regelmäßig reevaluiert werden.

Neben diesem Stufenschema wird der Einsatz von weiteren Medikamenten beschrieben, die bei der ZR hilfreich sein können und im Folgenden aufgeführt werden. Dabei richtet sich der Einsatz dieser Medikamente nach Ausprägung und Dauer der Schmerzsymptomatik und weiterer Begleitsymptome (z.B. depressive Symptomatik, Schlafstörungen etc.).

Spezielle Analgetika

  • Gabapentin Gabapentin ist bei der schmerzhaften Polyneuropathie und der postzosterischen Neuralgie der Placebogabe überlegen [3, 40, 46, 98]. Weitere kontrollierte Studien bei Patienten mit Rückenmarksverletzungen, schmerzhaftem Guillain-Barré-Syndrom und Phantomschmerzen zeigten ebenfalls positive Effekte. Allerdings wurde wiederholt auf die Problematik des Outcome-Reporting dieser von Pharmafirmen unterstützten randomisierten Studien hingewiesen [126, 127].

    Dosierung: Startdosis: 3 × 100mg, Steigerung: jeden dritten Tag um 3 × 100mg bis auf 1200–2400mg in 3 Einzeldosen, Maximaldosis: 3600mg; Dosisanpassung an Nierenfunktion notwendig.

  • Carbamazepin Neben Gabapentin wird auch Carbamazepin in der Therapie des chronisch neuropathischen Schmerzes häufig eingesetzt [131]. Bei der typischen Trigeminusneuralgie ist Carbamazepin wirksam und Mittel der ersten Wahl [131, 133]. Bei der Behandlung der schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie und bei zentralen Schmerzsyndromen konnten ältere Studien positive Effekte zeigen, die nicht reproduziert sind [46, 133]. Dosierung: Startdosis: 100–200mg retard. Zieldosis: 600–1200mg retard. Steigerung alle

    3–5 Tage um 100–200mg retard bis auf Zieldosis oder bis zum Sistieren der Schmerzen. Die Aufdosierung sollte zur Verminderung initialer Nebenwirkungen langsam und einschleichend vorgenommen werden, idealerweise über z.B. 4 Wochen. Die Substanz sollte dann möglichst in retardierter Form, verteilt auf 2 Einzeldosen, verordnet werden. Maximaldosis: 1400mg/d.

  • Pregabalin
    Pregabalin erwies sich analgetisch wirksam bei der Behandlung der postzosterischen Neuralgie, der diabetischen Neuropathie und von zentralen Schmerzen nach Rückenmarkläsion [48, 115, 118]. Darüber hinaus konnte eine dosisunabhängige schlafverbessernde Wirkung in den Studien dokumentiert werden. Damit kann eine häufig bei neuropathischen Schmerzen auftretende Komorbidität erfolgreich mitbehandelt werden. Pregabalin ist auch anxiolytisch wirksam. Allerdings hatte Pregabalin in einer aktuellen placebokontrollierten Studie weder einen positiven Einfluss auf die Schmerzintensität noch auf das Outcome bei Patienten mit Ischias [92]. Zudem hatten Patienten mit Pregabalin signifikant häufiger Nebenwirkungen im Vergleich zu Placebo [92], so dass für den Einsatz von Pregabalin in Bezug auf die ZR keine klare Empfehlung ausgesprochen werden kann.
    Dosierung: Startdosis: 1 × 50–75 bis 2 × 50–75mg, Steigerung: Die Dosissteigerung kann bei jüngeren Patienten im Einzelfall rascher erfolgen, sonst bis zur Enddosis um 50–75mg alle 3–4 Tage, Maximaldosis: 600mg, verteilt auf 2 Einzeldosen; Dosisanpassung bei Nierenfunktion notwendig.

Antidepressiva

  • Trizyklische Antidepressiva Die analgetisch wirksamsten Substanzen der Antidepressiva sind die nicht selektiven Monoamin-Wiederaufnahmehemmer (z.B. Amitriptylin). Trizyklische Antidepressiva (TCA) sind sowohl bei der schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie, der postzosterischen Neuralgie, bei partiellen Nervenläsionen als auch bei zentralen Schmerzsyndromen der Placebogabe überlegen [3, 40, 46, 114]. Die Evidenz der schmerzbeeinflussenden Effektivität ist mäßig [99] bis gering [30, 61, 62], obwohl die TCAs in aller Regel zur Standardtherapie chronisch neuropathischer Schmerzen gehören [3, 30, 61, 62, 99]. Es sind sedierende (z.B. Amitriptylin) von nicht sedierenden (z.B. Clomipramin) TCAs zu unterscheiden und entsprechend differenziert nach gewünschter (Neben-)Wirkung zu verordnen (z.B. Amitriptylin retard zur Nacht bei zusätzlichen Schlafstörungen). Dosierung von Amitriptylin: Bei den Antidepressiva ist eine individuelle Titration in Abhängigkeit von Wirkung und Nebenwirkungen erforderlich. Startdosis: 25mg retardiert zur Nacht bzw. in Abhängigkeit vom Wirkstoff auch morgens. Insbesondere bei älteren Patienten sollte eine niedrigdosierte einschleichende Dosierung, z.B. beginnend mit 10mg/d retardiert, gewählt werden. Steigerung: Dosissteigerung alle 3–5 Tage um 10–25mg. Die wirksame und tolerierbare Dosierung liegt meist zwischen 25–75mg/d (bisweilen auch niedriger), je nach Wirkstoff retardiert als Einmalgabe oder verteilt auf

    2–3 Tagesdosen. Höhere Dosierungen sind nur notwendig, wenn zusätzlich antidepressive Effekte gewünscht werden (> 150mg/d).

  • Duloxetin Bei Patienten mit schmerzhafter diabetischer Polyneuropathie ist der selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Duloxetin mäßig wirksam (in Dosen zwischen 60 und 120mg) [88]. Ob Duloxetin auch bei Patienten mit ZR wirksam ist, ist nicht ausreichend untersucht.

    Dosierung: Startdosis: 30mg morgens, Steigerung: nach 7–14 Tagen auf die Zieldosis von 60mg (bis 120mg) als Einmaldosis morgens, Maximaldosis: 120mg.

Kortikosteroide

Orale Kortikosteroide werden unter der Vorstellung einer abschwellenden Wirkung bei zervikalen Bandscheibenvorfällen mit ZR relativ häufig eingesetzt. Der Effekt von oralen Kortikosteroiden, deren Einsatz wegen der Nebenwirkung meist auf wenige Tage beschränkt wird, ist trotz des häufigen Einsatzes im klinischen Alltag durch Studien nicht gesichert [8, 34, 38]. Die Gabe von Kortikosteroiden zur Behandlung der degenerativ bedingten ZR kann abschließend wegen mangelnder Evidenzgrundlage nicht empfohlen werden.

Muskelrelaxanzien

Zentral wirksame Muskelrelaxanzien (z.B. Tetrazepam, Flupirtin, Tizanidin, Baclofen, Pridinol, Tolperison, Eperison oder Methocarbamol) werden bei begleitender Muskelverspannung, die nicht durch Schmerzmittel durchbrochen werden kann, eingesetzt [23]. Die Evidenz von zentral wirksamen Muskelrelaxanzien auf die Beschwerdesymptomatik bei ZR ist gering, die Wirkung einzelner Medikamente teilweise nicht gut untersucht. Teilweise sind die zentral wirksamen Muskelrelaxanzien für verschiedene Beschwerden im Zusammenhang mit der ZR (z.B. neuropathischer Schmerz) nicht zugelassen [23]. Die Gabe von Muskelrelaxanzien zur Behandlung der degenerativ bedingten ZR kann abschließend wegen mangelnder Evidenzgrundlage nicht empfohlen werden.

Die Autoren merken an, dass die Liste der Medikamente, die bei der ZR eingesetzt werden, nicht vollständig ist. Eine Reihe von weiteren antikonvulsiven Medikamenten (z.B. Lamotrigin [132]) und nicht zyklischen Antidepressiva (z.B. Venlafaxin [51]) sowie weitere Medikamente (s. [3]) werden bei der ZR eingesetzt, ohne dass eine Evidenz dafür vorliegt [3, 46]. Damit werden die nicht aufgeführten Medikamente auch nicht empfohlen.

Zudem wird auf die Therapie der unter der Überschrift Differenzialdiagnosen aufgeführten Erkrankungen in dieser Leitlinie nicht eingegangen (z.B. antibiotische Therapie bei Lyme-Borreliose, antivirale Therapie bei Zoster, Cortisonbehandlung der neuralgischen Schulteramyotrophie).

Periradikuläre Infiltrationstherapie (PRT)

Bei der sogenannten periradikulären Infiltrationstherapie (PRT) wird unter Bildwandler- oder CT-Kontrolle lokal ein Steroid und/oder ein Lokalanästhetikum in den Epiduralraum bzw. an die jeweilige Nervenwurzel injiziert mit dem Ziel einer Schmerzreduktion. Hinsichtlich des Zugangswegs wird zwischen transforaminalen und interlaminären Injektionen unterschieden (Rathmell et al., 2015). Die Evidenzlage für diese Therapieverfahren ist gering.

Mehrere nicht randomisierte, nicht kontrollierte Studien an Patientenkollektiven zwischen n = 20 und n = 120 fanden eine Schmerzreduktion bei ca. 30–70% der so behandelten Patienten (z.B. [6, 17, 26, 31, 74, 77, 120]).

Zwei randomisierte prospektive Studien mit kleinen Fallzahlen verglichen zervikale interlaminäre [90] bzw. transforaminale [2] Injektionen eines Steroids und eines Lokalanästhetikums (S+LA) mit der reinen Injektion eines Lokalanästhetikums (LA) und fanden vergleichbare Ergebnisse bei beiden Methoden. Manchikanti et al. beschreiben eine signifikante Verbesserung (definiert als 50%ige Schmerzreduktion) nach zwei Jahren bei 73% (nur LA) bzw. 70% (S+LA) der Patienten (60 Patienten in jeder Gruppe) [90], Anderberg et al. fanden in beiden Gruppen bei je 30% der Patienten eine drei Wochen andauernde Wirkung
(20 Patienten in jeder Gruppe) [2]. Diese Daten weisen darauf hin, dass die zusätzliche Applikation von Steroiden möglicherweise gegenüber der reinen Applikation von Lokalanästhetika keinen Vorteil bietet [2, 90].

In einer prospektiven Arbeit an 659 Patienten mit 799 epiduralen Injektionen unter Durchleuchtung traten geringfügige Komplikationen oder Nebenwirkungen (v.a. vasovagale Reaktionen) in 5% der Fälle auf [108]. In der Literatur sind jedoch auch – im Rahmen von Fallberichten – schwerwiegende Komplikationen wie spinale Ischämien, Hirnstamm- und Kleinhirninfarkte und Myelonverletzungen beschrieben (Übersicht siehe [111]).

Da diese Komplikationen überwiegend nach der Verwendung von partikelhaltigen Steroiden aufgetreten sind, sollten diese aufgrund der potenziell höheren Gefahr schwerwiegender Komplikationen für zervikale Injektionstherapien nicht mehr zum Einsatz kommen [111]. Beachtet werden muss generell, dass Glukokortikoide nicht für diese Anwendung zugelassen sind, d.h., es handelt sich in jedem Fall um einen „off-label-use“.

Zusammenfassend kann eine periradikuläre Infiltrationstherapie (PRT) zur Schmerzreduktion bei Versagen der nicht invasiven Therapieverfahren erwogen werden. Dabei soll der transforaminale Zugang und nicht der interlaminäre Zugang gewählt werden. Partikelhaltige Steroide sollten aufgrund der potenziell höheren Gefahr schwerwiegender Komplikationen nicht zur Anwendung kommen. Glukokortikoide sind für diese Anwendung nicht zugelassen, d.h., es handelt sich um einen „off-label-Gebrauch“, über den aufzuklären ist. Die Infiltration sollte radiologisch kontrolliert werden.

Operative Therapie

Operative Indikation

Es gibt einige Studien, die darauf hinweisen, dass operative Verfahren eine sinnvolle Therapieoption bei der ZR sind [44, 107, 116]. Bis heute ist nicht klar, welche Patienten mit ZR von einem primär operativen und welche von einem primär konservativen Vorgehen profitieren [67]. Allerdings wurden Faktoren ermittelt, die mit einem signifikant besseren Ergebnis nach Operation verbunden sind: Dauer der Nackenschmerzen (< 12 Monate), Dauer der Armschmerzen (< 12 Monate), weibliches Geschlecht, niedriger EQ-5D-Index, hohes Angstniveau durch Arm- und Nackenschmerzen, niedriger Self-Efficacy Scale Score, hoher Distress and Risk Assessment Method Score [43]. Auch konnte gezeigt werden, dass eine längere präoperative Symptomdauer (> 6 Monate) mit einem schlechteren klinischen Ergebnis verbunden ist [16].

Eine Operation verkürzt die Schmerzdauer, was in vielerlei Hinsicht für den Patienten sehr relevant sein kann (Chronifizierung, Lebensqualität, Arbeitsfähigkeit etc.). Mittelfristig (zwei Jahre) hat eine Operation eindeutige Vorteile [44]. Langfristig (fünf bis acht Jahre) allerdings sind die operierten Patienten signifikant besser bezüglich der Nackenschmerzen und der selbst beurteilten Symptombesserung („better“ oder „much better“), jedoch nur tendenziell besser (nicht signifikant) bezüglich Armschmerz und Lebensqualität [42].

Die Indikation zu einem operativen Vorgehen sollte differenziert gestellt werden [42, 43, 47, 67, 105]. Allgemein gilt:

  • Absolute Indikation (Expertenmeinung ohne Evidenz):
    Progrediente, funktionell relevante radikuläre motorische Ausfälle (schlechter als Kraftgrad 4/5) und der bildgebende Nachweis der entsprechenden Wurzelkompression oder akute Myelopathie bei Massenvorfall.
  • Relative Indikation:
    Trotz intensiver konservativer Maßnahmen über mehrere Wochen nicht ausreichend therapierbare Schmerzen, abhängig vom Leidensdruck und der funktionellen Beeinträchtigung der Patienten [28, 112]. So scheint bei Symptompersistenz und hohem Leidensdruck eher ein früheres operatives Vorgehen, bei Symptomregredienz und geringem Leidensdruck ein abwartendes Vorgehen bis sechs bis acht Wochen denkbar. In Bezug auf die Armschmerzen profitieren besonders die Patienten, die innerhalb von sechs Monaten nach Auftreten der ersten Symptome operiert werden, im Vergleich zu den Patienten, die nach sechs Monaten operiert werden [16, 112].

Operative Verfahren

  • Offene Diskektomie in mikrochirurgischer Technik über ventralen Zugang mit interkorporeller Spondylodese (sog. Fusion mit unterschiedlichen Fusionsmethoden) oder zervikale Arthroplastik, „total disc replacement“ (vorzugsweise junge Patienten, weiche Bandscheibenvorfälle, erhaltene Lordose, keine Instabilität)
  • Sequesterektomie und Radikulodekompression über eine dorsale Foraminotomie
  • Endoskopische Verfahren

Operationen mit anteriorem Zugang

Als Standardverfahren zur Beseitigung einer Nervenwurzelkompression hat sich die offene mikrochirurgische Diskektomie über einen anterioren Zugang durchgesetzt, sogenannte ACD(F) = Anterior cervical discectomy (with fusion) [64, 67, 75]. Mit dieser Operationstechnik ist es möglich, sowohl die durch einen Bandscheibenvorfall (soft disc) als auch durch eine Spondylose (hard disc) verursachte Kompression sicher und schonend zu beseitigen. Um eine postoperative segmentale Instabilität und eine kyphotische Fehlhaltung zu vermeiden, wird in aller Regel als zweiter operativer Schritt eine interkorporelle Spondylodese (Fusion) vorgenommen [28, 69]. In den Niederlanden war bei den Neurochirurgen im Jahr 2015 die ACDF die häufigste operative Methode bei ZR [28].

In den letzten Jahren kommt der ACD mit zervikaler Arthroplastik (künstlicher Bandscheibenersatz, verschiedene Prothesen) eine zunehmende Bedeutung zu (CDA = cervical disc arthroplasty), da eine signifikante Beweglichkeit bei CDA im operierten HWS-Segment im Vergleich zur ACD(F) erhalten bleibt [67, 68, 94, 95, 124]. Inzwischen konnten beide Verfahren in mehreren randomisierten, kontrollierten Studien mit einer Mindestnachbeobachtungszeit von zwei Jahren miteinander verglichen werden [10, 52].

Nach monosegmentaler Versorgung ergibt sich folgendes Bild: Die postoperative Zervikobrachialgie (nach VAS) und die „composite success rate“ – in die neurologische Verbesserungen und radiologische Parameter eingehen – waren in der CDA-Gruppe signifikant geringer bzw. besser im Vergleich zur ACD(F)-Gruppe, und die Quote der Zweitoperationen war signifikant geringer. Der Krankenhausaufenthalt, der Nackenschmerz (NDI = „neck disability index“) und die Inzidenz von Komplikationen waren in beiden Verfahren identisch.

Auch bei der bisegmentalen operativen Versorgung zeigt sich die CDA der ACDF als überlegen. Davis et al. konnten vier Jahre nach Operation (CDA: 202 Patienten, ACDF: 89 Patienten) eine signifikant profundere Verbesserung von NDI und SF-36 in der CDA-Gruppe zeigen [27]. Der Rückgang des Nackenschmerzes, ermittelt über die VAS, war in der CDA-Gruppe stets ausgeprägter als nach ACDF, erreichte aber nur drei und sechs Monate nach Operation statistische Signifikanz [27]. Auch die Reoperationsrate war nach CDA (4%) signifikant geringer als nach ACDF (15%), ebenso die Häufigkeit radiologischer Anschlusssegmentdegeneration [27].

Heterotope Ossifikation ist eine Besonderheit der bewegungserhaltenden OP-Technik (CDA) und findet sich in klinisch relevanter Ausprägung in ca. 25–30% der Fälle [16, 27].

Ausschlusskriterien für eine CDA, die sich aus den RCTs ergeben, sind folgende [29]:

  • spinale Infektionen
  • Malignome
  • Osteoporose oder Osteopenie und metabolische Knochenerkrankungen
  • Rheumatoide Arthritis
  • Autoimmunerkrankungen
  • Trauma
  • schwere Spondylose oder Bandscheibenhöhenminderung > 50%
  • Ankylosierende Spondylitis
  • OPLL („Ossification of the posterior longitudinal ligament“)
  • DISH („diffuse idiopathic skeletal hyperostosis“)
  • Instabilität auf HWS-Funktionsbildern (Translation > 3mm, Angulation > 11°)
  • Kyphose
  • Voroperation im Indexlevel
  • Fazett-Arthropathie
  • primär posteriore Stenose
  • axialer Nackenschmerz als einziges Symptom
  • extreme Adipositas (BMI > 40)
  • chronische Steroidtherapie
  • Diabetes mellitus Typ 1.

Über die Segmente HWK 2/3 und HWK 7/BWK 1 können keine klaren Angaben gemacht werden, da diese in Studien ausgeschlossen wurden.

Die Datenlage im Vergleich alleinige Diskektomie versus Diskektomie mit Fusion ist derzeit in Hinblick auf das klinische Ergebnis noch nicht eindeutig [67, 68, 94, 95, 137]. Allerdings zeigen Patienten mit alleiniger Diskektomie zwei Jahre nach der Operation häufiger segmentale Kyphosen mit Instabilität [67, 137], so dass die ACDF empfohlen wird [67]. Eine alleinige zervikale Dekompression von ventral ohne abschließende Fusion wird nicht empfohlen.

Bei der interkorporellen Spondylodese im Rahmen der ACDF findet immer seltener autologer Knochen Verwendung (Beckenkamm), der durch eine additive ventrale Platte stabilisiert werden muss [67, 68, 136]. Alternativ zur Verwendung von autologem Knochen können synthetische Materialien (Titan, Polyetheretherketon [PEEK] etc.) mit vergleichbaren Ergebnissen verwendet werden [4, 67, 68, 117], was mittlerweile, v.a. wegen der mit der Spanentnahme assoziierten Schmerzen, in Deutschland üblich ist. Eine Fusion mittels uninstrumentierter Knochenzementplombe (Polymethylmethacrylat [PMMA]) ist nicht mehr indiziert [78].

Operationen mit posteriorem Zugang

Bei lateralen oder intraforaminalen Bandscheibenvorfällen und Stenosen kann die Nervenwurzel auch über einen dorsalen Zugang durch eine Foraminotomie (nach Scoville/Frykholm) mit Sequesterektomie dekomprimiert werden. In diesen Fällen ist eine posteriore zervikale Foraminotomie (PCF = posterior cervical foraminotomy) eine wichtige Alternative zum anterioren Zugang [18, 24, 45, 67, 84, 91, 119]. Eine PCF erweitert das Foramen, dekomprimiert direkt die Nervenwurzel und benötigt nur selten und eher bei osteophytären Stenosen eine partielle Hemilaminektomie oder eine mediale Facettektomie. Eine PCF vermeidet die mit dem anterioren Zugang verbundene Morbidität (Dysphagie, Heiserkeit, Implantat-assoziierte Komplikationen) und erhält die Wirbelsäulenbeweglichkeit ohne die Notwendigkeit eines Implantates. Der posteriore Zugang macht es auch einfacher bei multiplen Wurzelaffektionen. Zudem ist diese Methode kosteneffektiver als die ACDF [91]. Bei der präoperativen Selektion sollte man allerdings darauf achten, dass klinisch nicht mehr als zwei Wurzeln betroffen sind, die Armsymptomatik im Vergleich zum Nacken deutlich im Vordergrund steht und die Lordose nicht aufgehoben ist (cave: Lordose < 10°) [70, 81]. Als Risikopopulation für das Ausbilden einer Kyphose gelten Patienten älter als 60 Jahre, aber auch Patienten mit einem sehr niedrigen BMI und jahrelangem Medikamentenabusus [70]. Die operative Erfolgswahrscheinlichkeit ist bei knöchern bedingten Stenosen deutlich reduziert im Vergleich zu Beschwerden, die durch einen weichen Bandscheibenvorfall verursacht werden [18, 70, 129].

Die Nachteile dieser Prozedur beinhaltet die rein indirekte Dekompression bzw. schwierigere Resektion bei knöcherner, ventraler Raumforderung und fortgeschrittener Degeneration in dem Segment, was wiederum Reoperationen notwendig werden lassen kann [18]. Bei spondylotisch eingeengten Neuroforamina ist diese Operationsmethode nicht so effektiv wie ein anteriorer Zugang [78].

Mehrere RCTs und retrospektive komparative Studien verglichen diese beiden Techniken miteinander. Deren Ergebnisse wurden in einem systematischen Review zusammengefasst [87]. Dabei zeigten sich bezüglich klinischem Ergebnis, Komplikationen und Reoperationsrate in allen bis auf einer retrospektiven Studie diese beiden Techniken gleichwertig. In einer Studie war die „success rate“ (Odom I + II) nach ACDF signifikant besser als nach PCF [78].

Andere operative Verfahren

Die (überwiegend dorsale) Nervenwurzeldekompression mit minimalinvasiven perkutanen oder endoskopischen Verfahren ist noch nicht ausreichend standardisiert [1, 15, 89, 101, 121]. Außerdem fehlen kontrollierte Langzeitergebnisse, die einen Vorteil gegenüber den offenen Methoden belegen. Diese Verfahren werden deshalb nicht empfohlen.

Vorgehen bei chronischen Schmerzen im Rahmen der zervikalen Radikulopathie

Der Verlauf des Schmerzsyndroms kann bei der degenerativ bedingten ZR selten chronisch werden. Chronisch ist hier gemäß ICD 10 definiert als ein im Rahmen einer zervikalen Radikulopathie über sechs Monate hinaus bestehendes Beschwerdebild. Das Leitsymptom ist hier in aller Regel der Schmerz in der betroffenen zervikalen Wurzel.

Psychischen Faktoren werden eine wichtige Rolle für den Schweregrad, die Exazerbation und/oder die Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen, sind jedoch nicht ursächlich. Der Schmerz verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Im ICD ist dieses chronische Schmerzsyndrom als F45.51 verschlüsselt [36].

In aller Regel wird beim chronischen Schmerzsyndrom bei degenerativ bedingter ZR eine Operation empfohlen (s. Abschnitt 4.4). Wenn eine Operation nicht durchgeführt werden kann, kann ein multimodales Behandlungskonzept mit Physiotherapie, Ergotherapie, manueller Therapie, medikamentöser Therapie sowie psychotherapeutischen und psychoedukativen Verfahren Anwendung finden. Die Evidenz für diese Empfehlung ist gering [58].

In der nationalen Versorgungsleitlinie „Nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ wird empfohlen, dass Patienten mit subakuten und chronischen nicht spezifischen Kreuzschmerzen mit multimodalen Programmen behandelt werden sollen, wenn weniger intensive evidenzbasierte Therapieverfahren unzureichend wirksam waren [14]. Die Inhalte dieser multimodalen Behandlungsprogramme für Patienten mit degenerativ bedingter ZR sind in Anlehnung an die nationale Versorgungsleitlinie „Nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ wie folgt zusammenzufassen [14]:

  • Medizinische Behandlung (z.B. medikamentöse (Schmerz-)Therapie, manuelle Therapie etc.)
  • Intensive Information und Schulung auf Basis der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit mit Inhalten zur Schmerzerkrankung und Bezug zur individuellen Problematik (z.B. psychosoziale Risikofaktoren)
  • Konsequente Steigerung der körperlichen Aktivität (Bewegungstherapie, Sporttherapie) mit Motivierungs- und Beratungselementen für Alltagsaktivitäten und möglichst orientiert an verhaltenstherapeutischen Prinzipien
  • Psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen zur Veränderung eines maladaptiven, auf Ruhe und Schonung oder Durchhalten ausgerichteten Krankheitsverhaltens sowie zur Stärkung von eigenen Ressourcen im Umgang mit Schmerz und Beeinträchtigung
  • Erlernen von Bewältigungsstrategien und Entspannungs- und Stressbewältigungstechniken
  • Arbeitsplatzorientierte Beratung und Trainingsprogramme unter Einbezug ergotherapeutischer Maßnahmen
  • Miteinbeziehen von relevanten Komorbiditäten in das Therapiekonzept.

Zusammenfassend sind chronische Schmerzen bei der degenerativ bedingten Radikulopathie ohne Operationsindikation selten. Multimodale Behandlungsprogramme mit oben aufgeführten Inhalten sollten hier Anwendung finden, auch wenn die Evidenzlage für diese Empfehlung unzureichend ist.

Versorgungskoordination

Die Behandlung der Patienten mit zervikaler Radikulopathie und die Durchführung der diagnostischen Maßnahmen erfolgen primär ambulant. Bei operativem Vorgehen ist eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich. Bei notwendiger Therapieoptimierung kann entweder eine stationäre Krankenhausbehandlung oder eine stationäre Rehabilitationsbehandlung sinnvoll sein. Bei Patienten mit chronischen Schmerzen im Rahmen einer zervikalen Radikulopathie sind zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit häufig medizinisch beruflich orientierte Rehabilitationsmaßnahmen notwendig.

Expertengruppe

Marcus Pohl, Leitliniensekretariat, Kernredaktion, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) Tobias Back, Kernredaktion, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) Mario Leimert, Kernredaktion, Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) Jens Seifert, Kernredaktion, Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) Ina Kopp, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) Rena Amelung, Bundesverband der Ergotherapeuten in Deutschland (BED) e.V. Nicola Dodd, Bundesverband der Ergotherapeuten in Deutschland (BED) e.V. Hermann Locher, Deutsche Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM) Michael Stoffel, Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) Thomas Mokrusch, Deutsche Gesellschaft für Neurologische Rehabilitation (DGNR) Jennifer Linn, Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) Thomas van de Weyer, Deutsche Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation (DGPMR) Birgitta Gibson, Deutsche Schmerzliga (DSL) Reina Tholen, Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK)

Tobias L. Schulte, Deutsche Wirbelsäulengesellschaft (DWG)

Federführend Prof. Dr. M. Pohl, HELIOS Klinik Schloss Pulsnitz GmbH, Fachklinik für Neurologisch-Neurochirurgische Rehabilitation, Wittgensteiner Str. 1, 01896 Pulsnitz Tel.: +49 (0)35955-51201, Fax: +49 (0)35955 51210

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Empfehlungen

  1. Die Diagnose einer zervikalen Radikulopathie beruht auf der Anamnese und der neurologischen Untersuchung und soll durch eine bildgebende Methode (vorzugsweise MRT unter Beachtung der Kontraindikationen) bestätigt werden.
  2. Bei Fehlen behindernder Ausfälle soll das Vorgehen primär konservativ (nicht-operativ) sein.
  3. Bei rasch progredienten Paresen soll das primäre Vorgehen operativ sein.
  4. Physiotherapie in Kombination von manueller Therapie und Bewegungsübungen soll bei der durch einen Bandscheibenprolaps bedingten ZR frühzeitig Anwendung finden.
  5. Physikalische Maßnahmen (spezifische oder unspezifische) zur Behandlung der ZR werden nicht empfohlen.
  6. Ergotherapie kann bei ZR angeboten werden. Dabei sollten Therapiemethoden angeboten werden, die insbesondere die Alltagskompetenz des Patienten stärken.
  7. Schmerzen sollen frühzeitig und ausreichend analgetisch mit behandelt werden. Dabei sollen neben klassischen Analgetika gegen neuropathische Schmerzen wirksame Substanzen eingesetzt werden.
  8. Eine intermittierende Ruhigstellung durch das Tragen einer Halskrause über in der Regel mehr als zehn Tage (maximal 21 Tage) kann bei einigen Patienten in der Frühphase die Schmerzen lindern und Anwendung finden.
  9. Eine periradikuläre Infiltrationstherapie kann zur Schmerzreduktion bei Versagen der nicht invasiven Therapieverfahren erwogen werden. Dabei soll der transforaminale Zugang und nicht der interlaminäre Zugang gewählt werden. Partikelhaltige Steroide können selten schwerwiegende Komplikationen verursachen und sollten nicht zur Anwendung kommen. Glukokortikoide sind für diese Anwendung nicht zugelassen, d.h., es handelt sich um einen „off-label-Gebrauch“, über den aufzuklären ist. Die Infiltration sollte radiologisch kontrolliert werden.
  10. Eine Operation sollte bei therapierefraktärem, relevantem und zur Radikulopathie anatomisch korrekt passendem Schmerzsyndrom nach Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen – wenn möglich – spätestens sechs Monate nach Symptombeginn dem Patienten empfohlen werden.
  11. Bei lateralen und intraforaminalen Bandscheibenvorfällen können als Operationsverfahren eine ACDF („anterior cervical discectomy with fusion“) oder eine PCF („posterior cervical foraminotomy“) durchgeführt werden. Das bevorzugte Verfahren ist hier im Einzelfall zu wählen. Bei medianen und paramedianen Bandscheibenvorfällen soll der ventrale Zugang gewählt werden. Dabei kommt neben der ACDF der Bandscheibenersatz mit Prothese in Frage.
  12. Bei chronischen Schmerzen ohne Operationsindikation sollte ein multimodales Behandlungskonzept mit Physiotherapie, analgetischer Therapie und Schmerzbewältigungsprogrammen Anwendung finden.

(Schema Empfehlungsgraduierung siehe Tabelle 3 im Anhang)

Anhang Tabellen


Was ist der unterschied zwischen neurologische und orthopadische svhmerzen

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Literatur