Wo sind die meisten turbulenzen

Turbulenzen beunruhigen viele Passagiere. Muss man davor wirklich Angst haben? Gibt es besonders schlimme Flugrouten? Und was können Passagiere, Airlines und Piloten tun?

«Sieben Verletzte bei Turbulenzen aus American-Airlines-Flug» – Diese Schlagzeile jagte kürzlich vielen Passagieren einen Schauer über den Rücken. Doch die Angst vor wackeligen Flügen ist unbegründet. Und davor, verletzt zu werden, kann man sich ziemlich leicht schützen. Wir haben für Sie die wichtigsten Informationen über Turbulenzen gesammelt – aus erster Hand aus dem Cockpit.

Sind die Piloten bei Turbulenzen gefordert?
Egal, wie schlimm die Turbulenzen sind, in denen Sie sich gerade befinden: Sie sind nicht so schlimm, wie Sie meinen. Wenn Sie also einmal im Flugzeug sitzen und es beginnt, sehr stark zu wackeln, erinnern Sie sich daran, was ein Pilot einer großen europäischen Airline aeroTELEGRAPH berichtet. «Die größte Sorge für uns ist meistens, ob wir nun in Ruhe essen und trinken können.» Wenn Sie vor Ihrem Inneren Auge die Piloten im Cockpit sehen, die panisch die Instrumente bedienen, dann könnten Sie nicht weiter daneben liegen. «Man muss einfach ruhig bleiben und warten, bis sie vorbei sind», so der Pilot. Wenn möglich versucht man aber, die Turbulenzen durch das Wechseln der Reiseflughöhe zu umgehen zum Wohl der Passagiere.

Hält das Flugzeug das wirklich immer aus?
«Was ein Flugzeug an Turbulenzen aushalten kann, übertrifft das, was die meisten von Ihnen sich vorstellen können», so der Pilot zu aeroTELEGRAPH. Flugzeuge sind gegenüber der Luft deutlich widerstandsfähiger als jedes Schiff im Wasser. Dennoch beunruhigt viele Passagiere der Blick aus dem Fenster, wenn es Turbulenzen gibt: Sie sehen, wenn es wackelt, wie die Flügel sich biegen. Doch genau das ist etwas, was Sie sehen wollen! Denn: Dadurch passt sich das Flugzeug dem Luftwiderstand an und fängt einen Teil der Turbulenzen ab. Machen Sie sich also um das Flugzeug keine Sorgen.

Gibt es Technik, die Turbulenzen verhindern kann?
Verhindern lassen sich Turbulenzen nicht. Aber: Boeing hat als eines der Verkaufsargumente für den Dreamliner auch die so genannte «smoother-ride-technik» angepriesen. Diese soll das Flugzeug in Turbulenzen so stabilisieren, dass es weniger stark wackelt. Wie genau das funktioniert, verrät Boeing nicht. Nur so viel: Der Computer sendet je nach Wetterlage Signale an die Flügel, bei denen dann bestimmte Teile angepasst werden. Haben Sie während eines Dreamliner-Fluges gemerkt, dass die Technik wirkt? Berichten Sie in den Kommentaren davon.

Und die Triebwerke?
Dafür ein etwas makaberes Beispiel: Flugzeugtriebwerke werden vor ihrem Einsatz auf das Äußerste getestet. Für die Zertifizierung muss sichergestellt werden, dass sie einer Kollision mit einem großen Vogel standhalten können. Ein paar Unregelmäßigkeiten im Luftwiderstand – und mehr sind Turbulenzen nicht – kann ein Triebwerk also ohne weiteres standhalten.

Wie tief fällt ein Flugzeug während Turbulenzen?
Patrick Smith war Jahrzehnte lang Pilot und beantwortet auf seiner Internetseite «Ask The Pilot» Fragen von Passagieren – auch zum Thema Turbulenzen. «Ich erinnere mich an einen Flug, als wir halb über den Atlantik waren und ungewöhnlich starke Turbulenzen aufkamen», so Smith. «Es war die Art von Turbulenzen, von der Passagiere hinterher ihren Freunden berichten.»  Als dann zu hören war, wie Teller zerbrachen und Trolleys umfielen, erinnerte er sich an die Frage eines Lesers. Wie sehr verändert sich die Höhe während schlimmen Turbulenzen. Also schaute er auf den Höhenmesser. «Es waren immer unter vierzig Fuß», so Smith. «Die meiste Zeit eher zehn bis zwanzig Fuß.» Das sind immer noch zwischen rund drei und zwölf Metern – also guter Grund für ein flaues Gefühl im Magen. Aber Passagiere, die von Hundert-Meter-Luftlöchern berichten, liegen definitiv daneben.

Gibt es Strecken, die besonders betroffen sind?
Ja. Auf Flügen über den Nordatlantik kann es durch den Jetstream zu Turbulenzen kommen. Windscherung heißt dieses Phänomen, wenn Turbulenzen auftreten, weil die Windrichtung oder -geschwindigkeit wechselt. Auch Flüge, die über den Äquator führen, geraten deshalb eher in Turbulenzen – egal in welcher Höhe. In den USA kann es über den Rocky Mountains wackelig werden und auch bei Alpen-Überflügen kann es öfter ruckeln. Generell sind Gebirge turbulente Gebiete. Luft wird aufgewühlt, wenn sie über eine Bergspitze zieht. Ist das Flugzeug nicht weit genug über diesem Bereich, kommt es zu Turbulenzen.

Wird es in Zukunft mehr Turbulenzen geben?
Der Klimawandel hat deutliche Auswirkungen auf den Komfort der Flugpassagiere, fanden Paul D. Williams und Manoj M. Joshi heraus. Der Meteorologe der britischen Universität Reading und der Umweltwissenschaftler der Universität von East Anglia führten umfangreiche Klimasimulationen durch und fanden heraus, dass Turbulenzen in Zukunft stärker und viel häufiger auftreten werden. Die beiden Forscher zeigten auf, dass die Turbulenzen über dem Nordatlantik im Winter in den nächsten vierzig Jahren 10 bis 40 Prozent stärker ausfallen könnten als heute. Ihre Häufigkeit nimmt gemäß den Berechnungen der britischen Forscher sogar um 40 bis 170 Prozent zu, wie sie in einem Artikel des renommierten Wissenschaftsmagazins Nature festhalten. Das heißt: Im Schnitt werden Turbulenzen 2050 doppelt so oft vorkommen wie heute.

Kann man Turbulenzen vorhersehen?
Zum einen gibt es die Turbulenzen, die Piloten in der Planung des Fluges berücksichtigen können. Sie ergeben sich aus messbaren Wetterphänomenen wie Sturm oder Gewitter. Daher wissen Piloten meist auch vorher, ob sie das Anschnallzeichen anschalten sollen. Zusätzlich zu Wetterberichten am Boden werden Turbulenzen auch von den Flugzeugen aufgezeichnet und untereinander geteilt. Und dann gibt es da noch die so genannte Clear Air Turbulence – Turbulenzen also, die ohne Vorwarnung aus heiterem Himmel auftreten. Das sind die Turbulenzen, bei denen es oft Verletzte gibt – weil die Piloten eben nicht dazu kommen, rechtzeitig das Anschnallzeichen einzuschalten. Sie sind für das Flugzeug nicht gefährlicher als andere Turbulenzen. Aber: Schnallen Sie sich einfach immer an, wenn Sie sitzen. Das Flugpersonal sagt das in der Sicherheitsansage nicht zum Spaß. Immer wieder gibt es Verletzte durch diese plötzlich auftretenden Turbulenzen.

Kann man Turbulenzen verhindern?
Piloten können allerhöchstens die Reiseflughöhe oder ihre Route leicht anpassen, um es den Passagieren angenehmer zu machen. Sonst müssen sie einfach abwarten. Aber: Forscher arbeiten daran, Methoden zu entwickeln, wie man Turbulenzen früher erkennen kann. American Airlines und Alaska Airlines testen bereits ein Frühwarnsystem der Nasa. Und auch die unangenehmste Art der Turbulenzen – Clear Air Turbulence – kann man vielleicht schon bald voraussagen. Und zwar mit Laser-Technologie. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat einen Ultraviolett-Laser entwickelt, der Clear Air Trubulence bis zu neun Meilen vor dem Auftreten erkennen kann – Genug Zeit für die Piloten, die Route noch anzupassen.

Was kann ich als Passagier bei Turbulenzen tun?
Rufen Sie sich in Erinnerung, dass das Gewackele völlig ungefährlich ist und dass Flugzeuge all das ohne weiteres aushalten können. Haben Sie wirklich schlimme Angst, dann teilen Sie das den Flugbegleitern mit. Die erleben Turbulenzen an jedem Arbeitstag und können Ihnen sicherlich helfen, das ganze in die richtige Perspektive zu rücken. Und vor allem: Schnallen Sie sich an und hören Sie auf die Anweisungen des Personals.

Von Angelika Pickardt | 19. Juli 2021, 17:08 Uhr

Wenn ein Flugzeug plötzlich absackt, kann das für Passagiere eine äußerst unangenehme Erfahrung sein. TRAVELBOOK ist der Frage nachgegangen, wann es bei Turbulenzen im Flugzeug wirklich gefährlich wird und welchen Fehler man auf keinen Fall machen sollte.

Wie es sich anfühlt, wenn ein Flugzeug Turbulenzen durchfliegt, haben viele Flugreisende selbst schon erlebt: Eben noch flog die Maschine vollkommen ruhig durch den Himmel. Doch plötzlich ist ein Ruckeln zu spüren, erst gering, dann immer stärker, die Anschnallzeichen leuchten auf. Besonders unangenehm wird es, wenn das Flugzeug völlig unvermittelt in ein Luftloch gerät und absackt. Doch was ist für die Turbulenzen verantwortlich – und kann ein Flugzeug deshalb abstürzen? TRAVELBOOK beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie entstehen Turbulenzen?

Turbulenzen sind vertikale Verwirbelungen der Luft, die auf meteorologische Phänomene zurückgehen, wie Luftfahrt-Experte Heinrich Großbongardt auf TRAVELBOOK-Nachfrage erklärt. „Im Gewitter entstehen Turbulenzen durch das enge Nebeneinander von Zonen mit schnell aufsteigender warmer Luft (bis zu 180 km/h senkrecht!) und absinkender kalter Luft.“ Auch in Bodennähe gibt es Verwirbelungen der Luft bei stürmischen Winden, hervorgerufen durch Bergzüge, Wälder und Gebäude.

„Außerdem gibt es Turbulenzen durch Flugzeuge, die vorneweg fliegen“, sagt Felix Gottwald, der als Pilot bei der Lufthansa Cargo arbeitet. „Man muss zu einem großen A380 einen höheren Abstand einhalten als etwa zu einer kleineren Boeing 737.“

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Wie gefährlich sind Turbulenzen beim Fliegen?

Bei schweren Turbulenzen läuft vor dem inneren Auge vieler Flugzeug-Passagiere schon das Horror-Szenario eines Absturzes ab. Doch ein solcher Extremfall sei sehr unwahrscheinlich, sagt Luftfahrt-Experte Großbongardt. „Man braucht keine Angst zu haben, dass ein Flugzeug durch Turbulenzen auseinander bricht, auch wenn die Flügelspitzen und Triebwerke unter Umständen ziemlich stark wackeln. Dafür sind sie gebaut. Zudem ist das Durchbiegen der Flügel eine Art Federung, die dem Komfort dient.“

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Gefährlich sind Turbulenzen den Experten zufolge vor allem für Passagiere, die nicht angeschnallt sind, und für deren Umgebung. „Wenn das Flugzeug durchsackt, hängen sie plötzlich an der Kabinendecke, um dann im nächsten Moment mit aller Wucht auf Sitze oder den Kabinenboden zu krachen. Knochenbrüche und Rückgratverletzungen sind häufig die Folge“, sagt Großbongardt. Immer wieder komme es sogar zu Todesfällen, sagt der Luftfahrtexperte.

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Wie sich am besten schützen

Das oberste Gebot für Fluggäste ist also: Anschnallen! Und zwar nicht nur während Start und Landung. „Das LBA (Luftfahrt-Bundesamt, Anm. d. Red.) rät den Passagieren, während der gesamten Flugdauer immer angeschnallt zu bleiben – auch wenn die Anschnallzeichen ausgeschaltet worden sind. Das ist die effektivste Methode für Passagiere, sich vor Verletzungen zu schützen“, sagt LBA-Sprecherin Cornelia Cramer.

Warum sind Flugbegleiter oft nicht angeschnallt?

Als Passagier erlebt man – abgesehen von Start und Landung – selten, dass auch die Flugbegleiter angeschnallt auf ihren Plätzen sitzen. Treten allerdings schwere Turbulenzen auf oder sind zu befürchten, wird der Service an Bord des Flugzeugs auf Geheiß des Flugkapitäns abgebrochen. „Aber auch das dauert seine Zeit, weil ja zunächst alles sicher verstaut werden muss, um die Passagiere nicht zu gefährden“, erklärt Heinrich Großbongardt. Die Fluggäste würden immer etwas früher gewarnt, weil es einige Zeit dauern könne, bis alle ihre Plätze eingenommen hätten. „Wenn durch Turbulenzen im Reiseflug Menschen zu Schaden kommen, sind leider häufig Flugbegleiterinnen darunter, die zum Beispiel noch mit dem Verstauen der Servierwagen beschäftigt waren. Das ist ein wesentlicher Teil ihres Berufsrisikos.“

Bei Turbulenzen handelt es sich um vertikale Verwirbelungen der LuftFoto: Getty Images

Wo und wann ruckelt es im Flugzeug am wenigsten?

„Grundsätzlich spürt man in der Mitte des Flugzeugs die wenigsten Erschütterungen“, erklärt Prof. Andreas Strohmayer vom Institut für Flugzeugbau der Universität Stuttgart. Denn dort, wo die Flügel am Rumpf befestigt sind, sei das Flugzeug am stabilsten. Außerdem spüren Passagiere dort die Steuerkräfte kaum.

Am unruhigsten ist dagegen der hintere Bereich des Fliegers. Denn wenn der Pilot das Höhen- und Seitleitwerk bedient, spürt man die Steuerkräfte vor allem ganz hinten. Das hängt damit zusammen, dass die Flugzeughülle elastisch ist. Auch für das Abheben ist ein Platz ganz hinten eher ungünstig: „Wenn das Flugzeug beim Start rotiert, fühlt man sich ganz hinten wie in einem Fahrstuhl“, sagt Strohmayer. In der Mitte über dem Radkasten ruckelt es dagegen weniger.

Bleibt die Frage, ob man in der Mitte eines großen Flugzeugs lieber zwischen den Gängen oder am Fenster sitzen sollte. „Am Fensterplatz spürt man natürlich, wenn das Flugzeug in die Kurve geht“, sagt der Experte. Allerdings sei es für Menschen mit Flugangst oft gut, aus dem Fenster schauen zu können – das lindert die Übelkeit, weil das Auge einen Referenzpunkt in der Ferne hat.

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Wie „Das Wetter.com“ berichtet, fliegt es sich im Winter viel entspannter als im Sommer. Aufgrund der höheren Dichte der Luft hebt das Flugzeug demnach mit mehr Leichtigkeit ab. Zumindest in niedrigeren Lagen treten dann kaum Turbulenzen auf. In höheren Lagen sind sie fast das ganze Jahr über möglich.

Schwieriger ist es dem Wetterportal zufolge in den Sommermonaten: Die Luft weist dann eine niedrigere Dichte auf und die Flugzeuge benötigen fast die gesamte Länge der Startbahn. 

Kann man Turbulenzen vorher erkennen?

Was Piloten am meisten fürchten, sind sogenannte Clear Air Turbulences (CAT), die in Höhen zwischen 7.000 und 12.000 Metern auftreten und von den Passagieren als „Luftlöcher“ wahrgenommen werden. „Sie entstehen an der Grenzfläche zwischen starken Höhenwinden mit verschiedener Richtung und Stärke“, erklärt Großbongardt.

„Das Unberechenbare an dieser Art Turbulenzen ist, dass sie unangekündigt auftreten“, sagt Cornelia Cramer vom LBA. Das bedeutet: Die Piloten können sie nicht auf dem Wetterradar erkennen und werden auch nicht durch bestimmte Wolkenformationen gewarnt.

„In vielen Fällen können Wetterdienste aber zumindest die Abwindzonen bestimmen, über die dann die Piloten im Rahmen der Flugvorbereitung, zu der auch die Einholung der Wettervorhersage für die  geplante Flugroute gehört, informiert werden“, erklärt die LBA-Sprecherin. Piloten können bevorstehende Turbulenzen, nicht die schwerwiegenden CAT, manchmal an der Wolkenbildung erkennen. Und sollten bereits vorausfliegende Maschinen Turbulenz durchflogen haben, gibt es unter Umständen Vorwarnungen. „Die Flugbesatzung entscheidet je nach Stärke der Turbulenz, diese zu durchfliegen oder das Gebiet zu verlassen.“ In letzterem Fall nimmt der Pilot eine Höhenänderung vor, da Turbulenzen schneller vertikal als horizontal verlassen werden können.

Für die extrem starken CAT gibt es allerdings, wie oben schon erwähnt, keinerlei Vorwarnung. „Die Piloten können sie nicht auf dem Wetterradar erkennen und werden auch nicht durch bestimmte Wolkenformationen gewarnt“, sagt Luftfahrexperte Großbongardt. „Man weiß aus Erfahrung zwar, wo sie vorkommen können, und die Wetterkarten, mit denen sich die Piloten vor dem Flug informieren, enthalten Hinweise, in welchen Regionen man mit CAT rechnen muss, aber wirklich vorhersagen oder vorher erkennen kann man sie nicht.“

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