Wie viele Studenten gibt es in Deutschland 2022?

Dieser Artikel behandelt immatrikulierte Personen – zu anderen Bedeutungen siehe Student (Begriffsklärung).

Als Student oder weiblich Studentin (von lateinisch studens „strebend [nach], sich interessierend [für], sich bemühend um“) wird eine Person bezeichnet, die in einer Einrichtung des tertiären Bildungsbereichs eingeschrieben (immatrikuliert) ist und dort eine akademische Ausbildung (Studium) erhält oder an einer hochschulmäßigen Weiterbildung teilnimmt. Im modernen Sprachgebrauch wird im Plural häufig die geschlechtsneutrale Bezeichnung Studierende verwendet (siehe unten).

Internationales Studententeam der TU Berlin bei der Roboter­entwicklung (2013)

Ein Studium oder eine tertiäre Weiterbildung hat meistens den Erwerb eines akademischen Grades oder das Ablegen eines Staatsexamens zum Ziel, der für die Ausübung mancher Berufe wünschenswert oder sogar erforderlich ist. Ein Studium erfordert eine Immatrikulation (Einschreibung), die an gewisse Voraussetzungen gebunden ist. Mit der Immatrikulation erhält eine Person den Status Student oder Studierende/r, was durch die Ausgabe eines Studenten- oder Studierendenausweises (österreichisch auch Ausweis für Studierende, in der Schweiz Legitimationskarte) bestätigt wird. Je nach Hochschulrecht ist sie damit Mitglied der Hochschule und verfügt über Mitbestimmungsrechte. Mit der Exmatrikulation erlischt dieser Status. Die an einer Hochschule Eingeschriebenen besuchen im Rahmen des Studiums meistens Lehrveranstaltungen in den Gebäuden der jeweiligen Bildungseinrichtung. Eine Ausnahme bildet das Fernstudium.

Als Übergang zur Forschung findet in manchen Ländern (etwa Österreich) auch die Phase zur Erlangung des Doktors, des höchsten akademischen Grades, formal im Rahmen eines regulären Studiums statt.

Der Fleissige Student (Kupferstich von Johann Georg Puschner, um 1725): „Der seine Zeit u. Geld weiß nützlich anzuwenden, heisst recht ein Musen Sohn u. würdiger Student …“

Costüme der Studirenden aus den vorigen Jahrhunderten [1409, 1509, 1609, 1709], erschienen zum Leipziger Universitätsjubiläum 1809

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Insg. nur 2 Belege, und die nur für Detailaussagen? --Chiananda (Diskussion) 04:34, 25. Mär. 2021 (CET)

Angehörige der Universitäten, also Studenten, Professoren aber auch Angestellte wie z. B. die Buchdrucker, galten bis ins 19. Jahrhundert nicht als Bürger der Universitätsstadt, sondern ihrer Universität. Deshalb wurden Studenten, die einen Verstoß gegen die geltende Ordnung begingen, von Seiten der Universität bestraft und kamen nicht in das Stadtgefängnis, sondern in den Karzer der Universität.

Aus dieser Situation ergaben sich vielfach Konflikte mit den Stadtbewohnern. Studenten waren berüchtigt für Alkoholkonsum, nächtliches Lärmen und wilde Streiche. Von der Universität wurden sie dafür vergleichsweise milde bestraft, weshalb sie bei der städtischen Bevölkerung oft unbeliebt waren, selbst wenn man an ihnen gut verdienen konnte.

Mittelalter

 

Laurentius de Voltolina: Liber ethicorum des Henricus de Alemannia, Einzelblatt, Szene: Henricus de Alemannia vor seinen Schülern, 14. Jh.

Zur Entstehungszeit der Universitäten hatten diese Einrichtungen ein weitaus größeres Bildungsspektrum abzudecken als heute. Das vorbereitende Schulwesen war weder entwickelt noch standardisiert. Die Eingangsvoraussetzungen an den Universitäten waren niedrig. Auch hatten die Studienanfänger gänzlich unterschiedliche Vorstellungen über das von ihnen angestrebte Bildungsniveau. In vielen Fällen übernahm die Universität die Aufgaben des heutigen Gymnasiums.

So gab es auch im Mittelalter verschiedene Typen von Studenten an den Universitäten. Der häufigste Typ, auch scholaris simplex genannt, begnügte sich mit einem kurzen, weniger als zwei Jahre dauernden Studium der wissenschaftlichen Grundbegriffe an der „Artistischen Fakultät“, benannt nach den septem artes liberales, den „sieben freien Künsten“, die damals als das notwendige sprachliche und mathematische Rüstzeug betrachtet wurden. Diese Fakultät – aus der sich später die „Philosophische Fakultät“ entwickelte – war über viele Jahrhunderte verantwortlich für die Basisausbildung der Studenten. Nur wer sie erfolgreich absolviert hatte, konnte anschließend in die spezialisierte Berufsausbildung der „höheren“ Fakultäten – Theologie, Medizin oder Rechtswissenschaften – aufgenommen werden.

Der zweithäufigste Typ von Studenten strebte einen solchen Abschluss an der artistischen oder philosophischen Fakultät nach etwa zwei bis zweieinhalb Jahren auch tatsächlich an. Unter der Anleitung seines Magisters konnte er den Grad eines Bakkalaureus (Bachelor) erreichen. Mit diesem Grad konnte man immerhin schon als Privatlehrer arbeiten oder eine eigene Schule betreiben. Auch war die Aufnahme als Betreuer anderer Studienanfänger an den Kollegien in Spanien, Frankreich und England möglich.

 

Septem artes liberales (die „sieben freien Künste“) aus „Hortus Deliciarum“ der Herrad von Landsberg (um 1180)

Der dritte Typ von Student verblieb an der Fakultät, studierte weiter und unterrichtete oder leistete andere akademische Hilfsdienste. Nach weiteren zwei oder drei Jahren konnte er den Grad eines Magisters erwerben. Dieser Grad ermöglichte dann das Studium an einer der „höheren“ Fakultäten, war aber zugleich mit einer Lehrverpflichtung verbunden. Von dieser Lehrverpflichtung konnte man sich jedoch im Laufe der Zeit zunehmend freikaufen, was wohlhabende Studenten dann auch regelmäßig taten. Die meisten Vertreter dieses Typs von Studenten konnten das jedoch nicht und arbeiteten als sogenannte Magisterstudenten weiter. Sie scharten eigene Studienanfänger um sich und bildeten eine schola oder familia scholarium („Schule“ oder „Schülerfamilie“). Sie bezogen jetzt vielfach eigene Einkünfte aus Zahlungen ihrer Schüler, aus Pfründen oder Stipendien. Diese Gruppe leistete die Hauptlehrtätigkeit an den mittelalterlichen Universitäten.

Nur sehr wenige von ihnen, etwa 2 bis 3 % aller Studenten, schafften den Erwerb des Bakkalauriats an einer der höheren Fakultäten, was auch hier eine Lehrtätigkeit ermöglichte, und konnte danach den Doktorgrad anstreben. Dieser vierte Typ hatte dann schon ein würdiges Alter von 25 bis 30 Jahren erreicht und war etwa zehn Jahre älter als seine jüngsten Kommilitonen.

Ein fünfter Typ von Student war schließlich der sogenannte Standesstudent aus einer adligen, patrizischen oder zumindest reichen Familie. Studenten dieser Herkunft kamen mit eigenem Dienstpersonal an die Universität und waren nur am Erwerb von standesrelevanten Kenntnissen meist der Rechtswissenschaften interessiert. Sie hatten wenig Interesse am Erwerb akademischer Grade und an der Ausübung irgendwelcher Lehrtätigkeiten. Bereits damals war auch der Erwerb einer „berufsunspezifischen Sozialqualifikation“ von Interesse, die heute unter der Bezeichnung soft skills wiederentdeckt wird.

Im Mittelalter war dieser Typ von Student noch selten, da eine Führungsposition in der Feudalgesellschaft jener Zeit eher militärische Fertigkeiten verlangte als theoretische Stubengelehrsamkeit. Rechtsgeschäfte wurden im Mittelalter meist mündlich geschlossen und durch vor Augenzeugen regelmäßig wiederholte Rituale bekräftigt und beglaubigt. Nur selten, bei wirklich wichtigen Angelegenheiten wurden schriftliche Urkunden ausgestellt, zum Beispiel durch Papst und Kaiser. Hierbei kamen dann meist Geistliche zum Einsatz, die auf schriftliche Aufgaben spezialisiert waren. Die medizinische Heiltätigkeit wurde im Mittelalter noch weitgehend als ars mechanica, also als „praktische Kunst“, betrachtet und in der Regel von handwerklich gebildeten Menschen ausgeübt, die nebenher noch als Bader, Barbiere oder Zahnreißer fungierten.

 

Aufnahme eines Studenten in die Natio Germanica Bononiae, die deutsche Nation an der Universität Bologna, ca. 15. Jahrhundert

Die universitäre Ausbildung war also im Mittelalter nicht unbedingt die Voraussetzung für eine gesellschaftliche Führungsposition, sondern eher eine Spezialausbildung, die für bestimmte schriftlich-theoretische Tätigkeiten qualifizierte, was oftmals für Söhne weniger begüterter Eltern eine gesellschaftliche Aufstiegsmöglichkeit darstellte.

Um dieser nicht allzu sehr begüterten Klientel ein Studium zu ermöglichen und um effektive Kontrolle über die Studenten auszuüben, wurden Einrichtungen zum gemeinsamen Wohnen und Studieren geschaffen, in denen die Studenten praktisch Tag und Nacht unter der Aufsicht der Universitätsgremien standen. Typisch für die mittelalterliche Universität war das Leben in den Bursen, später auch in den Kollegien. Dieses System des überwachten Wohnens auf dem Universitätsgelände hat sich bis heute an den Universitäten des angelsächsischen Raums gehalten, wo die meisten Studenten in Wohnheimen auf dem Universitätsgelände mit strenger Hausordnung wohnen.

Zumindest in der Anfangszeit der Universitäten im Mittelalter hatten die Studenten nach dem Konzept der Universität Bologna („Bolonesisches Prinzip“) sehr großen Einfluss auf die Entscheidungen in der Universitätsleitung. So war der Rektor in der Regel ein Vertreter der Studenten. Die Professoren wurden als Angestellte der Studenten betrachtet, von denen sie auch direkt bezahlt wurden. Lehrkräfte und Studenten waren in nationes („Landsmannschaften“) je nach Herkunftsgegend zusammengeschlossen, eine Einteilung nach Studienfächern war unüblich. Diese Einteilung zumindest der Studenten nach Herkunft war bis vor wenigen Jahrzehnten in Schweden in Gestalt der nationer gültig, heute gliedern sich diese eher nach Studienfächern.

Aber noch im Laufe des Mittelalters setzte sich das Pariser Prinzip durch, das eine Gruppenbildung der Lehrkräfte nach Unterrichtsfach vorsah, der sich die Studenten unterzuordnen hatten. Diese Gruppierungen nannte man facultates („Fakultäten“). Da diese Fakultäten ausschließlich von den Lehrkräften gebildet wurden, heißt noch heute in angelsächsischen Ländern die Gesamtzahl der Lehrkräfte einer Schule oder Hochschule faculty.

 

Marburg 1576: Johannes Magirus (Kassel 1558 – Braunschweig 1631) als neunzehnjähriger Theologiestudent

 

Paris 1578: Franz von Sales als Zwölfjähriger am Collège de Clermont

Interessanterweise spielt sowohl bei den nationes als auch bei den facultates zumindest in der Anfangszeit die Zahl vier eine große Rolle. Bei der Einteilung nach Herkunftsgegend ging man dann auch ganz grob vor und fasste die unterschiedlichsten Herkunftsgegenden zusammen, wenn aus ihnen nur wenige Studenten kamen, so dass man immer auf die Zahl vier kam. Auch die ersten, traditionellen Fakultäten waren vier: Philosophie, Medizin, Rechtswissenschaften und Theologie.

Frühe Neuzeit

In der Frühen Neuzeit gab es dramatische gesellschaftliche und politische Entwicklungen, die das Gesicht Europas nachhaltig veränderten. Die neuen Verhältnisse stellten auch vollkommen neue Anforderungen an die Universitäten und ihre Absolventen.

Der mittelalterliche Personenverbandsstaat entwickelte sich zum Territorialstaat. Die persönlichen Treueverhältnisse aus dem Lehnswesen wurden ersetzt durch Gesetze, die für alle Untertanen des Landesherren gleichermaßen galten. Eine effiziente Verwaltung konnte in dieser Situation zu einer bedeutenden Machtsteigerung führen, etwa wenn regelmäßige Steuereinnahmen es dem Landesherrn ermöglichten mehr Söldner anzuwerben. Deshalb stieg der Bedarf an ausgebildeten Juristen enorm. Darüber hinaus entstand im 18. Jahrhundert das neue Fach der Kameralwissenschaft, also der Verwaltungslehre.

In den protestantischen Territorien mussten darüber hinaus alle Aufgaben, die bisher von der katholischen Kirche erfüllt worden waren, neu organisiert werden, vor allem die Seelsorge, die Armenfürsorge und das Schulwesen. Nun mussten diese Aufgaben von neu eingerichteten Landeskirchen übernommen werden, an deren Spitze der Herrscher als summus episcopus („oberster Bischof“) stand. Auch für diese Aufgaben benötigte der Herrscher gut ausgebildete und loyale Theologen und Verwaltungsbeamte.

In einer Welle von Neugründungen entstanden die Landesuniversitäten, mit deren Hilfe ein jeder Herrscher sein Territorium mit akademisch gebildeten Führungskräften versorgen wollte. Mit eigenen Universitäten wollten die Herrscher auch die Loyalität der neu heranwachsenden Schicht von Führungskräften gegenüber der herrschenden Dynastie festigen. Die Studentenzahlen stiegen rapide.

Obwohl die Herrscher vorzugsweise ihre eigenen „Landeskinder“ ausbildeten, verloren die Studenten ihre traditionelle Mobilität nicht ganz. Allerdings mussten sie ihr Examen in dem Land ablegen, in dem sie angestellt werden wollten und vorher eine gewisse Anzahl von Semestern dort studieren.

 

Marburg um 1700: Academicus Marpurgensis

 

Altdorf 1725: „Der Rauffende Student“

 

Erfurt 1775: Joseph Martin Kraus

Es stieg auch das gesellschaftliche Niveau der Studenten. Wer im Territorialstaat zur obersten (zivilen) Führungsebene gehören wollte, musste eine Universität besucht haben. Dadurch wurde es natürlich auch für die Söhne der Adels- und Herrscherfamilien unabdingbar, sich der Unbequemlichkeit einer derartigen Ausbildung auszusetzen, wollten sie nicht gegenüber ihren bürgerlichen Verwaltungsbeamten geistig ins Hintertreffen geraten.

Die Universitäten sahen im zunehmenden Interesse des Adels eine große Chance, ihr eigenes Renommee, aber auch ihre finanzielle Situation aufzubessern. Damals war es üblich, dass sämtliche Dienstleistungen einer Universität (Einschreibungen, Vorlesungen, Prüfungen, Verleihungszeremonien etc.) bei den Ausrichtenden direkt bezahlt wurden. Für die adligen Studenten wurden jetzt Zugeständnisse gemacht, die dem Bequemlichkeits- und Prunkbedürfnis der Studenten entgegenkamen, die aber auch teuer bezahlt werden mussten. Auch kam man dem Adel beim Fächerangebot entgegen. So wurde bei den mathematischen Fächern mehr Wert auf Geometrie gelegt, die bei der Artillerie und beim Festungsbau Anwendung finden konnte. Neben Latein wurden jetzt auch neue Sprachen wie Italienisch und Französisch gelehrt. Dazu kamen die exercitia („Übungen“), die das theoretische Studium, die studia, durch mehr körperliche, für den gesellschaftlichen Umgang benötigte Fertigkeiten ergänzen sollten. Dazu zählten das Tanzen, Reiten und Fechten. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden entsprechend qualifizierte Lehrer an den meisten Universitäten eingestellt. Sie begründeten die Tradition des Universitätssports.

 

Der Tanzende Student, Szenen aus dem Leben der Studenten der Universität Altdorf, 1725: Es kan ein Musen-Sohn nicht immerfort studiren, / er muß beflißen seyn galant sich aufzuführen, …

Die Entwicklungen in der Frühen Neuzeit vollzogen sich nicht immer geradlinig. So brachte die Gegenreformation wiederum eine Welle von universitären Neugründungen in kaiserlichen und kirchlichen Territorien, die einen katholischen Gegenpol zu den protestantischen Universitäten bildeten. Auch war der Adel nur begrenzt bereit, seinen geburtsadligen Eliteanspruch gegen das bürgerliche Bildungs- und Leistungsprinzip einzutauschen.

So kam zeitweise das Konzept der Ritterakademie auf. Diese Neugründungen waren Bildungseinrichtungen ausschließlich für junge Adlige und sollten sich auf das spezielle Bildungsbedürfnis dieser Gesellschaftsschicht ausrichten. Neben den studia und exercitia standen Latein und moderne Sprachen auf dem Programm sowie militärische Übungen mit Pike und Muskete. Die Ritterakademien kamen aber nach wenigen Jahrzehnten wieder aus der Mode. Das Standardprogramm für einen jungen Adligen bestand weiter in einer vorbereitenden Ausbildung durch Hauslehrer, einem vergleichsweise kurzen Besuch einer Universität und einer nachfolgenden Grand Tour, auf der andere Universitäten, befreundete Herrscherhöfe und bedeutende Städte besucht wurden, bei weitgehender Einbeziehung des Auslandes, vor allem der Niederlande, Frankreichs und Italiens. Ziel war die Heranbildung einer weltmännischen Weitläufigkeit. Bei diesen Aktivitäten standen den jungen Herren ein Hofmeister, mehrere Instruktoren und eine Schar Diener zur Verfügung.

Typischerweise wurden die Söhne von Fürstenhäusern bei einem Aufenthalt an einer Universität zum Rektor derselben ernannt. Das hatte jedoch nur zeremoniellen Charakter, die tatsächliche Leitungsaufgabe wurde von einem Prorektor übernommen, der dafür entsprechend qualifiziert war.

Auch wenn die Adligen nicht die klassische Universitätslaufbahn vollständig durchschritten, wurden diese jungen Herren doch zu den Leitbildern der anderen Studenten, denn im späteren Berufsleben bildeten sie die wichtigsten Arbeitgeber. So galt es, sich schon früh den entsprechenden Habitus zuzulegen und sich an den Werten dieser Zielgruppe zu orientieren.

 

Studentisches Hospitium in Jena, Stammbuchmalerei um 1750: Der Gastgeber (links im Hausmantel mit Hausschlüssel) lässt seine Gäste trinken, „biß ihr unter dem tisch liegt“.

Als zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Landesherrn ihren adligen und bürgerlichen Hofbediensteten, Beamten und Landständen anfingen spezielle Kleidung in „Landesfarben“ als „Civil-Uniformen“ vorzuschreiben, tauchten bereits die Söhne der betreffenden Funktionsträger mit dieser Kleidung an den Universitäten auf. Und obwohl die „Landsmannschaften“ der Studenten keinen Anteil mehr an der Universitätsleitung hatten, organisierten sich die Studenten weiterhin jetzt in Selbstverwaltung nach ihren Herkunftsregionen. Die Verwendung spezieller Farben je nach landsmannschaftlicher Ausrichtung wurde dabei üblich. Die Behörden verfolgten diese selbstverwalteten Zusammenschlüsse, weil sie in ihnen den Ursprung aller Laster und Exzesse des studentischen Lebens sahen. Auch die „Abzeichen“ dieser „geheimen Verbindungen“ oder „geheimen Gesellschaften“ wurden verboten, ihr Tragen bestraft. Dies war jedoch da nicht möglich, wo sich die Kleidung an die „Civil-“ oder „Militair-Uniformen“ des jeweiligen Herkunftslandes anlehnte.

 

„Studentenlieder“ – Titelblatt des ersten gedruckten Studentenliederbuchs Deutschlands von Christian Wilhelm Kindleben, 1781

Diese wirtschaftliche Machtstellung setzten die Studenten dann auch regelmäßig ein, wenn es darum ging, ihre Interessen gegenüber Universitätsgremien und der Stadtbevölkerung durchzusetzen. Als drastischstes Mittel war der „Auszug“ üblich, bei dem die Studenten mit großem Pomp die Stadt verließen, woraufhin dort das gesamte Wirtschaftsleben zusammenbrach. So konnten die Studenten in der Regel alle Streitfälle zu ihrer Zufriedenheit lösen. Meist kehrten sie unter dem Jubel der Bevölkerung wieder zurück.

Im schlimmsten Falle gründeten sie anderswo eine neue Universität. So wurde die Universität Leipzig im Jahre 1409 von Studenten und ihren magistri gegründet, die aus Prag ausgezogen waren.

Durch die Veränderungen der Umgebungsbedingungen veränderte sich im deutschen Sprachraum auch die studentische Kultur der Frühen Neuzeit. Die meist vornehme Abkunft der Studenten, die Freiheit in Studium und Freizeit, die wirtschaftliche Abhängigkeit der Stadtbevölkerung und die Aussicht auf eine führende Position in der Landes- oder Kirchenverwaltung brachte eine neue Form studentischen Selbstbewusstseins mit sich. Der Student betrachtete sich gegenüber dem Nichtstudenten herausgehoben durch Freiheit, Lebensfreude und Wehrhaftigkeit. Es formte sich eine Kultur, die sich Ausdruck verlieh durch eine eigene Sprache (Studentensprache), eigene Lieder (Studentenlied), eigene Kleidungsformen (als Vorläufer des späteren Couleur) und präzise festgelegten Verhaltensregeln (Comment).

Das Idealbild dieser studentischen Kultur wurde der Bursche (von bursarius, „Bewohner einer Burse“). Damit wurde der typische Student benannt, der sich nach einem Anfängerstadium, indem er Fuchs hieß, die Sitten und Gebräuche an der Universität angenommen und auch eine gewisse Geisteshaltung entwickelt hatte, die sich durch eine Kombination von Lebensfreude, Sinn für das Schöne, Selbstbewusstsein und Wehrhaftigkeit auszeichnete. Burschen standen in krassem Gegensatz zu den Philistern, den Nicht-Studenten, die als kleingeistig und gesellschaftlich minderwertig angesehen wurden. Burschen „von echtem Schrot und Korn“ sollten jederzeit bereit sein, ihre Ehre mit der blanken Waffe zu verteidigen. Ängstlichkeit gegenüber Drohgebärden führte zum Ansehensverlust.

Ein gefürchtetes Phänomen der Universitäten vor allem im 18. Jahrhundert war dann auch der sogenannte Renommist, ein Typ von Student, der durch aggressives und provokantes Auftreten Bürger und Kommilitonen verschreckte und seine Umgebung terrorisierte.

Entsprechend ihrer gesellschaftlichen Stellung trugen die Studenten in der Frühen Neuzeit einen Degen, der damals zur Ausrüstung eines vornehmen Herrn gehörte. Mit der zunehmenden Ausprägung des studentischen Standesbegriffs entwickelte sich auch ein studentisches Duellwesen, das mit dem Duellwesen im Militär und im Adel durchaus vergleichbar war (zum studentischen Fechten siehe auch Mensur).

Dem Duellzwang unterlagen auch die Mitglieder der Studentenorden. Diese neue Form von studentischem Zusammenschluss entstand um die Mitte des 18. Jahrhunderts und zeigte Elemente der Freimaurerei, aber auch der philosophisch-literarischen Orden des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Studentenorden waren geheime Organisationen, die fest verschworene Gemeinschaften bildeten. Als Freundschaftsbünde sollten sie ein Leben lang ihre Mitglieder vereinen. Als Erkennungszeichen wurde ein Ordenskreuz an einem Bande versteckt unter der Kleidung getragen. Die Studentenorden existierten teilweise innerhalb der alten Landsmannschaften, die deutlich unverbindlicher strukturiert waren. Die Orden wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts von den Studentenverbindungen im heutigen Sinne abgelöst.

Das übertriebene Selbstbewusstsein der Studenten führte vielfach zu Streit zwischen Studenten und Stadtbürgern; manchmal kam es zu großen Schlägereien zwischen Studenten und Handwerkergesellen, die dann zu einer obrigkeitlichen Untersuchung führten. Dabei hatten die Studenten wenig zu befürchten. Sie unterstanden der universitären Gerichtsbarkeit, die Bestandteil der Verwaltung war,[1] und hatten meist nur relativ kurze Karzerstrafen zu erwarten. Auch der zeitweise oder dauerhafte Verweis von der Universität war oft nicht sehr abschreckend, weil man sein Studium einfach an einer anderen Universität fortsetzen konnte.

Das Studium selbst dürfte in der damaligen Zeit vielfach eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Es gab keine zwingenden Studienvoraussetzungen, wie heute das Abitur, und die Abschlussprüfungen stellten keine großen Herausforderungen. Viele verließen auch ohne Examen die Universität, weil sie sich die entsprechenden Gebühren sparen wollten. Auch die Universitätsbibliotheken waren jede Woche nur wenige Stunden geöffnet, und die wertvollen Bücher durften selbstverständlich nicht ausgeliehen werden.

Trotz der in der Frühen Neuzeit gestiegenen Studentenzahlen blieb das Universitätsstudium in ganz Europa eine exklusive Angelegenheit. So studierten zwischen 1750 und 1775 im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation etwa 1,7 % der jungen Männer eines jeden Jahrgangs, in Frankreich nur 1,2 %, in Polen und England gar nur 0,2 % einer jeden Altersgruppe. Ende des 18. Jahrhunderts gab es in ganz Deutschland weniger als 6000 Studenten. Davon waren ungefähr ein Zehntel Adlige, meist die Söhne höherer Beamter. Andererseits gab es auch ungefähr ein Zehntel arme Studenten, denen die Immatrikulationsgebühren erlassen wurden. Hier schwanken die Zahlen aber sehr stark von Jahr zu Jahr und von Universität zu Universität.

In der Moderne

Überblick: Die Nationaluniversität im Industriezeitalter

In der Moderne begann die Entwicklung der Universitäten von Bildungsanstalten des Territorialstaates hin zu Nationaluniversitäten. Unterrichtssprachen waren mittlerweile die jeweiligen Nationalsprachen, die das Latein im Laufe des 18. Jahrhunderts abgelöst hatten.

Die Anforderungen der Industrialisierung erfassten auch die Studenten und die akademische Ausbildung. Die Technischen Hochschulen erhielten gegen Ende des 19. Jahrhunderts das Promotionsrecht und wurden damit den Universitäten gleichgestellt, was das Ansehen der Ingenieurstudenten bedeutend verbesserte. Zusätzliche Ausbildungsgänge wurden akademisiert und erhielten eigene Hochschulen oder wurden zu Universitätsfakultäten, wie die Agrar- und Forstwissenschaften, die Veterinärmedizin, der Bergbau und später sogar die Volksschullehrerausbildung. Diese Entwicklungen erschlossen das Studium auch für Bevölkerungsgruppen, die vorher gar nicht an einen Universitätsbesuch denken konnten. Für die zunehmende Zahl der Studenten, die durch den Universitätsbesuch den gesellschaftlichen Aufstieg anstrebten, war die Finanzierung des Studiums schwieriger als bei den Studenten früherer Zeiten. Ein nichtakademisches Elternhaus konnte die Kosten nur schlecht aufbringen.

Während ein Student in der Frühen Neuzeit ein privilegierter junger Mann „aus besserem Hause“ war, wurden Studenten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend zu Sozialfällen, zu einer finanziell schwachen Bevölkerungsgruppe, die besonderer Unterstützung bedurfte, bis sie ins Berufsleben eintreten konnte.

Waren bis in die 1880er Jahre zumeist nur Männer berechtigt, ein Studium zu beginnen, so setzten in der Folge bis etwa 1920 Frauen ihr Recht zu studieren durch. Der letzte große Schub bei der Erhöhung der Studentenzahlen kam in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die „Bildungskatastrophe“ ausgerufen wurde und viele Universitäten ihre Studentenzahlen vervielfachten.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gibt es in Deutschland mehr als dreihundertmal so viele Studenten wie im Jahre 1800.

Ein typisches Phänomen der letzten zweihundert Jahre war die bis dahin unbekannte Politisierung der Studenten, die zuerst mit der Französischen Revolution, spätestens aber mit der Rückkehr aus den Befreiungskriegen einsetzte. Die politische Grundtendenz der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kann bei den Studenten mit bürgerlich-revolutionär umschrieben werden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wandelten sich die Studenten – besonders nach der Reichsgründung 1871 – tendenziell zu staatstragenden, nationalistischen Bismarck- und Kaiserverehrern, was spätestens ab 1880 eine völkisch-antisemitische Note annahm. In der Zeit der Weimarer Republik verfolgte die Mehrzahl der Studenten rechtskonservative Ziele und hing völkisch-nationalen oder katholischen Bewegungen an, die zu Beginn der 1930er Jahre vom Nationalsozialismus überflügelt wurden. Ab 1933 erfolgte die Gleichschaltung der Studentenschaft durch die Nationalsozialisten. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann in Westdeutschland eine eher unpolitische Phase, die aber in den 1960er Jahren umso radikaler mit der 68er-Bewegung endete. Marxistisch-leninistisch ausgerichtete hochschulpolitische Gruppierungen gewannen für viele Jahre die Oberhand in den studentischen Vertretungen. In der DDR wurden die Universitäten seit dem Ende des Weltkrieges in den Umbau der Gesellschaft im Sinne der sozialistischen Staatsdoktrin einbezogen. Arbeiterkinder wurden bevorzugt zum Studium zugelassen. Akademikerkindern wurde das Studium praktisch verwehrt. Der Marxismus-Leninismus wurde zum wichtigen Unterrichtsfach nicht nur in den Kultur- und Gesellschaftswissenschaften. Seit den 1990er Jahren ist wieder ein gewisses Desinteresse an allgemeinpolitischen Themen in der Studentenschaft des vereinten Deutschlands festzustellen. Dieses Desinteresse kann ein Symptom angepassten Verhaltens im Rahmen der Globalisierung sein.

Aufklärung und Französische Revolution

 

Die Universität Helmstedt wurde im Jahre 1810 geschlossen.

Am Ende des 18. Jahrhunderts gab es im Deutschen Reich ungefähr 30 Universitäten, von denen einige aber weniger als hundert Studenten hatten. Besonders protestantische Landesherren wollten das Ansehen ihrer Universitäten heben, indem sie sie reformierten. Dabei wurde die Ausstattung der Bibliotheken und Naturalienkabinette verbessert, neue, angesehene Professoren berufen, die Zensur liberaler gehandhabt und die Lehre für das Gedankengut der Aufklärung geöffnet. Die bekannteste dieser Reformuniversitäten war die Universität Göttingen. Auch die Stuttgarter Hohe Karlsschule gehört in diese Tradition. Mainz ist das früheste Beispiel einer katholischen Reformuniversität.

Die Analyse von Stammbüchern hat ergeben, dass Studenten vielfach die Kritik der Aufklärung am fürstlichen Absolutismus teilten. Die Französische Revolution führte dann zu einer Politisierung vieler Studenten. Das beweisen wiederum Einträge in Stammbüchern, obrigkeitliche Untersuchungen gegen studentische Gruppen und Hinweise in späteren Autobiographien. Es gibt auch eine Anzahl von Studenten und Professoren, die nach Frankreich emigrierten. Quantitativ lässt sich diese Sympathie mit der Revolution kaum erfassen. Aus Angst vor Verfolgung konnten sich die Studenten nur heimlich zu ihren Idealen bekennen. Deshalb ist es bis heute in der Forschung umstritten, wie relevant die politisch interessierten Studenten für die Universitätsgeschichte waren.

Nach einer Bereinigungsphase während der Napoleonischen Besatzung, in der schlecht besuchte Universitäten geschlossen wurden (so im Jahre 1810 die Universität Helmstedt, die Universität Rinteln und die Universität Altdorf, 1813 die Universität Wittenberg), stieg die Zahl der Universitäten und die Zahl der Studenten weiter an.

Das Zeitalter Napoleons

 

Auszug der Jenenser Studenten in den Freiheitskrieg 1813, gemalt vom Schweizer Maler Ferdinand Hodler für die Universität Jena im Jahr 1908

 

Berlin/Frankfurt an der Oder 1811: Studenten in Festtracht

 

Studentische Kneipszene um 1810

Die kriegerischen Zeiten von 1792 bis 1815 veränderten die politische Landkarte Europas und brachten für viele junge Männer den Militärdienst vor, während und nach ihrem Studium. Der Militärdienst selbst, aber auch das Bewusstsein, nicht nur für das Interesse eines Landesherrn, sondern für die eigene Zukunft im eigenen Land zu kämpfen, prägten die Studenten dieser Jahrzehnte.

Zwar konnten nur etwa 5 % der Gesamtzahl der Freiwilligen in den Befreiungskriegen als Studenten gelten, aber keine gesellschaftliche Gruppe hatte einen so hohen Anteil an Freiwilligen. Historiker schätzen, dass etwa 20 bis 50 % der Studenten an diesen Kriegen teilnahmen.[2]

Rein äußerlich zeigte sich diese Entwicklung in den studentischen Trachten, die in dieser Zeit stark durch militärische Bekleidung beeinflusst wurden. So wurde die studentische Festtracht annähernd militärischen Uniformen nachempfunden. An den Schultern wurden Epauletten getragen, den Kopf schmückte der Zweispitz, auch Sturmhut oder Napoleonshut genannt. Auch im Alltag trugen viele Studenten die Konfederatka, eine spezielle, mit Pelz verbrämte und mit viereckigem Mützenkörper versehene Kopfbedeckung der polnischen Reitertruppen. Als besonders schicke Oberbekleidung galt der ungarische Dolman, eine enge Schnürjacke.

Die kriegerischen Zeiten brachten aber auch Reformen, die die Kraft für die Befreiung vom Joch der napoleonischen Fremdherrschaft schaffen sollten. Im preußischen Bildungswesen war dafür Wilhelm von Humboldt beauftragt worden, der als Krönung seiner umfassenden Reformen an Volksschulen und Gymnasien schließlich die Gründung der Berliner Universität betrachtete.

Humboldts Universitätsidee sah für den Hochschulbetrieb und das Verhältnis zwischen Dozenten und ihren Studenten die Einheit von Forschung und Lehre vor. Auch setzte er mehr auf Eigenverantwortung. Die Universitäten sollten auch von staatlichen Forderungen und Auflagen einengender Art freigehalten werden. Humboldt ging davon aus, dass die Universitäten in verantwortlicher Selbststeuerung auch die staatlichen Zwecke erfüllen, nur sozusagen von einer höheren Warte aus und mit Mitteln, die der Staat aus eigenem Vermögen nicht hervorbringen kann (siehe auch Forschungsfreiheit).

Sein Kernprogramm umriss Humboldt in seinem Bericht an den König von Preußen im Dezember 1809:

„Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann ein guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierzu erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher sehr leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum andern überzugehen.“

Ganz ähnlich dachten die Studenten der damaligen Zeit, wenn es um die Gestaltung ihres eigenen Gemeinwesens ging. Philosophisch ließen sie sich vom Deutschen Idealismus inspirieren, einer geistigen Bewegung, die auf den Ideen von Immanuel Kant beruhte und von Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich von Schelling entwickelt wurde. Durch die Dichtungen von Friedrich Schiller wurden diese Ideen populär.

Der Grundgedanke besagte, dass bei der Entwicklung des Menschen nicht unbedingt drastische politische Maßnahmen – als schlechtes Beispiel galten die Gräuel infolge der Französischen Revolution –, sondern die Ausbildung des Charakters und der Persönlichkeit im Vordergrund stehen müssten. Denn Veränderungen begännen immer im Bereich der Ideen. Wenn sich im Geistigen eine Wende zum Guten vollzöge, würden sich die positiven politischen Veränderungen von selbst ergeben. Für ihren eigenen Lebensbereich bildeten die Studenten in diesen Jahren Zusammenschlüsse, die sich in schriftlich niedergelegten Constitutionen die Ausbildung von Charakter, Persönlichkeit und Freundschaft auf die Fahnen geschrieben hatten. Diese Zusammenschlüsse waren nach der Tradition des 18. Jahrhunderts landsmannschaftlich organisiert und schlossen sich an ihrer jeweiligen Universität zu Senioren-Conventen (SC) zusammen. Sie kodifizierten den jahrhundertealten studentischen Comment in SC-Comments, die für viele Jahre die studentischen Gesetzbücher an den Universitäten bilden sollten. So entstand eine frühe Form von studentischer Selbstverwaltung, die die Regelung des studentischen Lebens an der Universität zum Ziel hatte und darauf ausgerichtet war, dass ihre Mitglieder die positiven Erfahrungen in ihrem späteren Berufsleben und im Staatsdienst zum Wohle des Landes umsetzten.

Diese Form der Zusammenschlüsse führte noch unterschiedliche Bezeichnungen, wurde aber bald einheitlich Corps genannt. Sie legten die Basis für die Entwicklung der bis heute existierenden Studentenverbindungen. Als älteste Gründung in diesem Sinne gilt die Constitution des Corps Onoldia von 1798.

Wartburgfest, Demagogenverfolgung und Vormärz

 

Würzburger Studenten um 1820: links drei Burschenschafter, rechts vier Corpsstudenten

Aus den Befreiungskriegen kamen die jungen Studenten mit neuen Ideen wieder an die Universitäten. Sie erwarteten von den Herrschern die versprochenen Reformen sowie die Überwindung der Kleinstaaterei in Deutschland. Ein deutscher Nationalstaat wurde angestrebt und bürgerliche Freiheitsrechte, die durch geschriebene Verfassungen verbrieft werden sollten. Die bestehende landsmannschaftliche Gliederung der Studenten an den Universitäten wurde vielfach als überholt angesehen. In vielen deutschen Universitäten bildeten sich studentische Zusammenschlüsse, die diesen Ideen zum Durchbruch verhelfen sollten, so zum Beispiel die Teutsche Lesegesellschaft in Gießen, die im Rahmen einer deutschlandweiten „Teutonischen Bewegung“ zu sehen ist.

Am wirkungsvollsten war die Gründung der Urburschenschaft. Die republikanisch-nationale Bewegung breitete sich über ganz Deutschland aus. In vielen Städten verschmolz sie mit der Teutonischen Bewegung. Es entstanden im Laufe der Zeit verschiedene Strömungen, so dass sich die Gemeinschaft der Studenten als zunehmend inhomogen entwickelte. In den weitgehend unpolitischen Corps hielten sich die Vertreter des Adels und der gehobenen Bürgerschichten, die eine Karriere in einem der Staaten des Deutschen Bundes anstrebten, wie zum Beispiel Otto von Bismarck, der als Student in Göttingen Mitglied des Corps Hannovera wurde. Auf der anderen Seite standen die politischen Extremisten, die besonders bei den „Gießener Schwarzen“, den „Darmstädter Schwarzen“ oder den „Unbedingten“ in Jena zu finden waren. Diese Gruppierungen arbeiteten an einem bewaffneten Aufstand und akzeptierten Gewalt als Mittel ihrer Umsturzpolitik.

 

„Der ritterliche Kahl“, um 1819, Jacob Carl Kahl als „Gießener Schwarzer“

 

Karl Marx als Student (Bonn 1835)

Als wichtiges Ereignis der deutschen Geschichte gilt das Wartburgfest, das 1817 von Burschenschaftern aus ganz Deutschland ausgerichtet wurde. Hier wurden die damals für die Behörden extrem provokanten politischen Forderungen in der Öffentlichkeit formuliert. Was die Herrschenden aber besonders alarmierte, war der Plan, eine „Allgemeine Burschenschaft“ zu gründen, also eine universitätsübergreifende, überregionale Organisation mit politischer Ausrichtung. Dies war nach damaliger Auffassung völlig unakzeptabel.

Der Deutsche Bund unter Führung des österreichischen Kanzlers Metternich erließ im Jahre 1819 die Karlsbader Beschlüsse, zu denen auch die „Universitätsgesetze“ gehörten. Darin wurde festgelegt, dass für jede Universität ein „landesherrlicher Bevollmächtigter“ zu ernennen sei, der vor Ort genau kontrollierte, ob die Professoren den Studenten politisch unliebsame Ideen vermittelten. Wichtigstes Gremium wurde die Mainzer Zentraluntersuchungskommission, der jede Auffälligkeit zu melden war. Missliebige Professoren konnten von der Universität verwiesen werden und erhielten im ganzen Deutschen Bund Berufsverbot („Demagogenverfolgungen“). Auch wurden die Burschenschaften, ebenso wie die weiter existierenden Corps, verboten.

§. 3. Die seit langer Zeit bestehenden Gesetze gegen geheime oder nicht autorisierte Verbindungen auf den Universitäten sollen in ihrer ganzen Kraft und Strenge aufrechterhalten, und insbesondere auf den seit einigen Jahren gestifteten, unter dem Namen der allgemeinen Burschenschaft bekannten Verein um so bestimmter ausgedehnt werden, als diesem Verein die schlechterdings unzulässige Voraussetzung einer fortdauernden Gemeinschaft und Correspondenz zwischen den verschiedenen Universitäten zum Grunde liegt. Den Regierungs-Bevollmächtigten soll in Ansehung dieses Punktes eine vorzügliche Wachsamkeit zur Pflicht gemacht werden.Die Regierungen vereinigen sich darüber, daß Individuen, die nach Bekanntmachung des gegenwärtigen Beschlusses erweislich in geheimen oder nicht autorisierten Verbindungen geblieben oder in solche getreten sind, bei keinem öffentlichen Amte zugelassen werden sollen. Karlsbader Beschlüsse – Universitätsgesetz vom 20. September 1819

 

Naturgeschichte – Homo studens, verschiedene Ausprägungen studentischer Charaktere, Anonymer Holzstich 1845

Trotzdem spielten Burschenschafter, aber auch Corpsstudenten bei den Aufständen von 1830 und bei der Ausrichtung des Hambacher Festes 1832 eine große Rolle. Burschenschafter hauptsächlich aus Heidelberg und Würzburg organisierten den Frankfurter Wachensturm 1833, mit dem Waffen und die Kasse des Deutschen Bundes erobert werden sollten, was zur Auslösung eines bewaffneten Volksaufstandes hätte führen sollen. Das Scheitern dieser Aktion, bei der es neun Tote und 24 Verletzte unter den Aufständischen gab, stellte einen schweren Rückschlag für die burschenschaftliche Bewegung dar. Die meisten Gründungsdaten heute noch existierender Burschenschaften liegen nach diesem Datum.

Der Bundestag setzte eine Untersuchungskommission ein, die jahrelange, ausgedehnte Nachforschungen nach den Verschwörern und ihren Hintermännern anstellte. Bis 1838 schrieb diese mehr als 1.800 Personen zur Fahndung aus. Wegen Hochverrats wurden schließlich 39 Personen zum Tode verurteilt, später jedoch zu teilweise lebenslangen Haftstrafen begnadigt.

 

Marburg 1847: Wilhelm Liebknecht

In den späten 1830er und frühen 1840er Jahren bildete sich im Umfeld der politischen Emanzipation des Bürgertums die sogenannte „Progressbewegung“ an den Hochschulen, die die studentischen Traditionen an die bürgerliche Kultur der Zeit anpassen und studentische Privilegien – darunter auch die akademische Gerichtsbarkeit – abschaffen wollte. Die gesamte studentische Tradition, wie sie aus dem 18. Jahrhundert überliefert worden war, wurde als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Einige Verbindungen beratschlagten über die Aufnahme von Nichtstudenten. Das Verbindungswesen an den Universitäten stand kurz vor der Auflösung. Es bildeten sich vielfach sogenannte „Progressverbindungen“, darunter heute noch existierende Turnerschaften, Sängerschaften und eine neue Art von Landsmannschaften. Aber diese neuen Zusammenschlüsse konnten die bereits etablierte studentische Kultur nicht ablösen, sondern nahmen weitgehend die alten Formen wieder an. Diese Bewegung begründete aber die noch heute neben den Corps und Burschenschaften existierende Vielfalt der Studentenverbindungen.

Die bürgerlichen Emanzipationsbestrebungen sollten bald in der Märzrevolution gipfeln. Dies ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene bürgerliche Aufstände in den Ländern des Deutschen Bundes, die sich von 1848 bis 1849 erstreckten. Die Studenten trafen sich zum Zweiten Wartburgfest 1848 und im Sommer des gleichen Jahres zum Studententag in Eisenach um ihre Forderungen an die Frankfurter Nationalversammlung zu formulieren. Einer der Erfolge war die Aufhebung der Karlsbader Beschlüsse inklusive der Universitätsgesetze im Jahre 1848. Metternich ging ins Exil. Eine weitere wichtige Folge war die Einrichtung der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche. Unter den Abgeordneten, die hier einzogen, waren mehrere hundert Vertreter, inklusive einiger Präsidenten, die während ihres Studiums in einem Corps oder einer Burschenschaft Mitglied gewesen waren.

Zwar misslang die Errichtung eines Deutschen Reiches und die Inthronisierung eines Kaisers, aber die Liberalisierung ließ sich nicht aufhalten. Die Entwicklung zeigte sich europaweit, auch was die Frage des Frauenstudiums betraf. 1849 wurde das erste Frauencollege der Universität London gegründet. An der Universität Zürich konnten bereits 1863 erste Hörerinnen die Hochschule besuchen – beispielsweise studierte und promovierte dort Ricarda Huch, der dies in Deutschland nicht möglich war. In Deutschland und Österreich sollte die Zulassung von Frauen zum regulären Studium noch mehrere Jahrzehnte dauern.

An den Universitäten machte sich die Liberalisierung vor allem daran bemerkbar, dass die bis dahin verfolgten und verbotenen selbstverwalteten Zusammenschlüsse der Studenten, die Studentenverbindungen, sich jetzt offen zeigen und zu ihrer Kultur bekennen konnten. Auch die ehemaligen Studenten brauchten ihre „Jugendsünden“ nicht mehr zu verheimlichen, was zu einem engeren Kontakt der Studenten zu den „Alten Herren“ führte. Die ersten Stiftungsfeste wurden mit den „Ehemaligen“ gefeiert. Um dabei zu sein, reisten berufstätige Akademiker mit der neuen Eisenbahn kurzfristig für wenige Tage in ihre alte Universitätsstadt. Die so mögliche engere Verbindung war die Basis für die späteren Altherrenvereine.

Aus verbotenen „Untergrundorganisationen“ unbotmäßiger Jugendlicher wurden Zusammenschlüsse der akademischen Elite der Nation. Die Burschenschafterfarben Schwarz-Rot-Gold wurden sogar zu den Farben des Deutschen Bundes erklärt. Von nun an entfaltete sich die ganze Vielfalt der deutschen Studentenverbindungen.

Die Aufhebung der Karlsbader Beschlüsse ermöglichte nun auch das Aufleben des bürgerlichen Vereinswesens. Es gründeten sich die vielfach noch heute existierenden Turn- und Gesangsvereine, die auch bald nach studentischem Vorbild Kommerse und Stiftungsfeste feierten.

 

Bonn 1902: Postkarte mit dem Kronprinzen Wilhelm als Corpsstudenten in Bonn

Die ehemaligen Studenten wurden zur Elterngeneration der angehenden Studenten und erinnerten sich an den erzieherischen Wert der studentischen, demokratisch strukturierten Selbstverwaltung. Die Studentenverbindungen übernahmen im gesellschaftlichen Konsens die außerfachliche Erziehung der Studenten. Selbst für die Söhne regierender Adelshäuser (Preußen, Württemberg, Baden, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Coburg-Gotha, Schaumburg-Lippe etc.) wurde es nun opportun, sich bei ihrem Aufenthalt an einer Universität einer Studentenverbindung anzuschließen. Dafür kamen allerdings nur nach bestimmten Kriterien ausgewählte Corps in Frage.

Die zunehmende Industrialisierung verlangte neue und höher qualifizierte Berufe auf breiter Front. Neue Ausbildungsgänge entstanden, neu gegründete Fachschulen, etwa für Landwirtschaft und Technik, Forst- und Bergakademien gewannen stärkere Bedeutung. Sie waren Vorläufer der heutigen Technischen Universitäten und Fachhochschulen. Auch an diesen neuen Instituten bildeten sich bald Studentenbünde, die traditionelle Verbindungsformen übernahmen. An den Gymnasien und Oberrealschulen formierten sich Schülerverbindungen.

Die „Alten Herren“ trugen die studentische Kultur offen in das bürgerliche Leben hinein. So gewannen ihre Sitten zunehmend Einfluss auf Sprache und Gewohnheiten der deutschen Bevölkerung. Studentische Ausdrücke wie „Kneipe“, „Bursche“, auch Redensarten wie „anpumpen“, „eine Abfuhr erteilen“, „in Verruf kommen“ wurden Teil der Umgangssprache. Es kam in Mode, studentische Sitten nachzuahmen. So wurde sogar in den 1870er Jahren für die Schüler weiterführender Schulen nach dem Muster der Studentenmützen sogenannte Schülermützen eingeführt, die die Schüler nach Schule und Klassenstufe klassifizierten – auch ohne jede Verbindungszugehörigkeit.

Von der Reichsgründung bis zum Ersten Weltkrieg

 

„Ein flotter Bursche“, Idealbild eines Studenten um 1900

Mit der Reichsgründung unter der Führung Preußens setzte sich die Etablierung der traditionellen studentischen Kultur als Kultur der nunmehr staatstragenden Studentenverbindungen fort. Die Studenten feierten Bismarck und Kaiser Wilhelm I. als Reichsgründer und die Studentenverbindungen betrachteten es als Verpflichtung gegenüber dem Staat, ihren Mitgliedern eine Erziehung im Sinne des wilhelminisch-preußischen Geistes angedeihen zu lassen. Die „Alten Herren“ studentischer Verbindungen besetzten die wichtigsten gesellschaftlichen und politischen Positionen im Deutschen Reich und nahmen begeistert an den Feiern der akademischen Jugend teil, die im Kaiserreich ein Gepränge annahmen, wie es bisher für studentische Festivitäten unbekannt war.

 

Gefallenendenkmal auf der Rudelsburg 1872, das erste studentische Denkmal Deutschlands

Zunehmend bildete sich aber auch studentischer Widerstand gegen das beherrschende preußisch-protestantische Element im neu gegründeten deutschen Reich. Angeregt durch den Kulturkampf, den Bismarck gegen die katholische Kirche in Preußen und im Reich führte, schlossen sich katholische Studenten zu speziell katholischen Studentenverbindungen zusammen, die die Mensur grundsätzlich ablehnten, aber die typischen Identitätsmerkmale wie Couleur, Zirkel, Studentenwappen etc. annahmen. Besonders in den 1890er Jahren gab es zahlreiche neu gegründete Verbindungen, die sich zum Beispiel im Kartellverband (KV) oder Cartellverband (CV) zusammenschlossen.

Seit den 1890er Jahren verbreitete sich unter dem Einfluss der Jugendbewegung an den deutschen Hochschulen die sogenannte Freistudentenschaft (auch: Freie Studentenschaft, Finkenschaft oder Wildenschaft). So bezeichneten sich die Zusammenschlüsse der nichtkorporierten Studenten, also der Studenten, die keiner traditionellen Studentenverbindung angehören, aber trotzdem hochschulpolitisch mitreden wollten. Die freistudentische Bewegung gilt – nach Urburschenschaft und Studentischem Progress – als dritte wichtige Reformbewegung innerhalb der Studentenschaft des 19. Jahrhunderts und zugleich als Wegbereiterin der heutigen studentischen Selbstverwaltung. Ihre Vertreter lehnten die alten Strukturen und Identitätssymbole grundsätzlich ab.

Seit den 1890er Jahren kam es zu einer neuerlichen Gründungswelle dieser Zusammenschlüsse, z. B. in Freiburg 1892, Leipzig 1896, Halle und Königsberg 1898, Berlin und Stuttgart 1899. Nach der Gründung des Dachverbands Deutsche Freie Studentenschaft im Jahre 1900 verbreitete sich die Bewegung in kurzer Zeit an nahezu allen Hochschulen des Reiches.

Diese Entwicklung wurde durch den Ersten Weltkrieg jäh unterbrochen. Die vaterländisch gesinnte Studentenschaft eilte begeistert zu den Waffen, das universitäre Leben kam praktisch zum Erliegen. Auch unter den Studenten forderte der Krieg einen hohen Blutzoll. Viele ehemalige Wehrpflichtige kamen desillusioniert aus dem Krieg nach Hause und strömten wieder an die Universitäten.

Weimarer Republik und nationalsozialistische Herrschaft

 

Ausgewählte AStA-Wahlergebnisse von 1920/21

Noch während des Ersten Weltkriegs waren ernsthafte Bestrebungen unternommen worden, eine Vertretung der deutschen Studenten unter Einbeziehung aller Korporationsverbände und der nichtkorporierten Studenten zu schaffen. Nach zwei vorbereitenden Vertretertagungen in Frankfurt 1917 und Jena 1918 wurde die Deutsche Studentenschaft schließlich im Juli 1919 auf dem Ersten Allgemeinen Studententag Deutscher Hochschulen in Würzburg als Dachorganisation der örtlichen Studentenschaften gegründet. Die in Würzburg versammelten Studentenvertreter, zumeist ehemalige Kriegsteilnehmer, waren nicht nur entschlossen, die Gräben der Vorkriegszeit zwischen den verschiedenen studentischen Gruppierungen endlich zu überwinden – was z. B. in der paritätischen Zusammensetzung des ersten Vorstandes zum Ausdruck kam –, sondern zudem in ihrer Mehrzahl (noch) bereit, „auf dem Boden der neuen Staatsordnung am kulturellen Wiederaufbau Deutschlands mitzuwirken“.

In diesem Sinne setzte sich die DSt in ihren Anfangsjahren vorrangig für die sozialen Belange der von Kriegsfolgen und Inflation betroffenen Studenten ein. So wurden auf dem 4. Deutschen Studententag in Erlangen 1921 die zuvor auf örtlicher Ebene entstandenen Selbsthilfevereine in der „Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft e. V.“ zusammengefasst, aus der später das Deutsche Studentenwerk hervorging.

In ihrem Erlanger Programm propagierte die DSt außerdem die studentische Werkarbeit (vulgo: Jobben) nicht nur als Mittel zur Aufbesserung des Lebensunterhalts, sondern auch als Beitrag zur Überwindung der überkommenen Standesschranken zwischen Akademikern und Arbeiterschaft (siehe auch Werkstudent).

Großen Anteil hatte die DSt in den folgenden Jahren auch an der Entstehung der Studienstiftung des deutschen Volkes 1925, der Förderung des Auslandsstudiums sowie des Hochschulsports.

Gegen Ende der 1920er Jahre begann die Dominanz des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) an den Universitäten und in der Deutschen Studentenschaft. Er war 1926 als eine Gliederung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) für Studenten gegründet worden. Der NSDStB sollte im Auftrag der NSDAP die weltanschauliche Schulung der Studenten im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie übernehmen. Er war wie alle Parteigliederungen streng nach dem Führerprinzip aufgebaut, kasernierte seine studentischen Mitglieder in sogenannten Kameradschaftshäusern und stattete sie ab 1930 mit braun gefärbten Hemden und Hakenkreuzfahne aus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

 

Vorlesung an der Universität Heidelberg im Juni 1988

In den späten 1960er und den 1970er Jahren entwickelte sich das tertiäre Bildungswesen stürmisch. Es kam zu vielen Neugründungen von wissenschaftlichen Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen. Bundeseinheitlich festgelegt, entstanden in der Bundesrepublik Deutschland, im Hochschulrahmengesetz (HRG) vom 26. Januar 1976 geregelt, neben den alten Universitäten ihnen statusmäßig gleichgestellte Wissenschaftliche Hochschulen wie die Pädagogischen Hochschulen, die sukzessive ebenfalls das volle Promotions- und Habilitationsrecht sowie universitäre Verwaltungsstrukturen erhielten. Die einzelnen Landeshochschulgesetze regeln entsprechend der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland Detailfragen. Kennzeichnend für die Wissenschaftlichen Hochschulen sind etwa der ausdrückliche Auftrag von Forschung und Lehre, der Grundlagen- wie Anwendungsforschung umfasst, die Semestergliederung, die neben den Lehrphasen "vorlesungsfreie Zeiten" für die Forschung und deren Publikation zugesteht, sowie Deputat und Besoldungsstruktur der Hochschullehrer. Den Studenten wurden die vorlesungsfreien Zeiten für angeleitete Forschungsbeteiligung im Rahmen ihrer Seminar-, Diplom- oder Doktoratsabschlüsse, aber auch für den Erwerb von Praktikumserfahrungen zugeordnet.

An attraktiven Standorten entwickelten sich mit einer zunehmenden „Studentenschwemme“ die heute bekannten Massenuniversitäten mit ihren überfüllten Hörsälen wie etwa die Universität Münster. In vielen Fächern musste ein Numerus clausus eingeführt werden. Es entstanden aber auch winzige Universitäten wie etwa die Universität Vechta und vorrangig anwendungsausgerichtete Fachhochschulen für Studenten mit Interessenschwerpunkten im Technik-, Kunst- oder Musikbereich.

Aufgrund der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Vielfalt der Bildungseinrichtungen bieten sich den heutigen Studenten Ausbildungsmöglichkeiten im tertiären Bildungsbereich, die ihren speziellen Begabungen, ihren Persönlichkeits- und Interessenstrukturen und ihrer individuellen Berufsorientierung stark entgegenkommen.

Jahr Anzahl
Studenten
Deutschland[3]
1840 0.012.000
1870 0.012.000
1880 0.022.000
1890 0.028.000
1900 0.034.000
1910 0.055.000
1920 0.087.000
1930 0.100.000
1965 0.245.000
1975 0.836.002
1980 1.036.303
1989 1.504.563
1990 1.712.608
2000 1.798.863
2005 1.985.765
2010 2.217.294
2015 2.759.267

Die Zahl der Studenten in Deutschland erreichte zum Wintersemester 2020/2021 mit 2.948.695 einen neuen Höchstwert.[4] 1.470.881 oder 49,9 % davon waren Frauen. Im März 2021 wurde die Gesamtzahl mit 2.945.659 angegeben. 1.750.745 davon (59 %) studierten an Universitäten, 1.071.567 (36 %) an Fachhochschulen und 37.491 (1,3 %) an Kunsthochschulen; die weiteren waren an Theologischen und Pädagogischen Hochschulen oder an Verwaltungsfachhochschulen.[5] Im Wintersemester 2021/2022 hielt sich das Vorjahresniveau mit insgesamt 2.947.500 eingeschriebenen Studenten an deutschen Hochschulen.[6] Die Zahl der Studienanfänger, die sich zum Studienjahr 2021 erstmals für ein Studium an einer deutschen Hochschule bzw. Universität einschrieben, beläuft sich auf 471.600. Damit ist die Zahl der Studienanfänger im Vergleich zum Studienjahr 2020 um 4 % gesunken.[7]

Vor 2020

2012 waren an deutschen Hochschulen 2.499.409 Personen immatrikuliert, davon 1.185.392 Frauen (ca. 47 %). Im Wintersemester 2009/2010 waren es 2.119.485, davon 1.014.728 Frauen.[8] Im Wintersemester 2012/2013 waren 65 % der immatrikulierten Personen an Universitäten eingeschrieben, 30 % an Fachhochschulen, der Rest verteilte sich auf die Theologischen und Pädagogischen Hochschulen sowie Kunsthochschulen.[9]

2015/16 gab es 2.759.267 Studenten, davon 1.727.513 an Universitäten und 932.531 an Fachhochschulen sowie 99.223 an Verwaltungs-, Kunst-, Pädagogischen- und Theologischen Hochschulen. Rund 42 % der Studenten waren 2014 weiblich. Der Anteil ausländischer Studenten an deutschen Hochschulen belief sich 2014/15 auf 11,9 % und ist seit 2003 in etwa gleichbleibend.[10]

Bildungskosten

In Deutschland kostet ein Studienplatz den Staat im Mittel pro Jahr an einer Universität 8.420 Euro, an einer Fachhochschule 3.720 Euro. Die Kosten variieren zwischen den Bundesländern zwischen 5.210 Euro und 11.310 Euro bzw. 1.940 Euro und 4.750 Euro. Ferner variieren die Kosten nach Fächergruppen zwischen 29.150 Euro je Studienplatz im Bereich Humanmedizin und 4.210 Euro im Bereich der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Ein komplettes Universitätsstudium kostet im Durchschnitt den Staat 48.600 Euro im Diplomstudiengang, 29.000 Euro für einen Bachelor, 19.200 für einen Master, an Fachhochschulen 17.200 für ein Diplom, 12.500 für einen Bachelor, 7.900 für einen Master. Differenziert nach Fächergruppen kostet der Abschluss der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 24.400 Euro, der Sprach- und Kulturwissenschaften 31.200 Euro, der Naturwissenschaften 52.500 Euro, der Humanmedizin 211.400 Euro.[11]

Quantitatives Geschlechterverhältnis

Hinsichtlich des quantitativen Geschlechterverhältnisses an den Universitäten gibt es große Schwankungen zwischen den verschiedenen Fachbereichen. In den Sozial- und Geisteswissenschaften herrscht ein Frauenüberschuss, in technischen Studienrichtungen hingegen eher ein Männerüberschuss. Siehe auch Frauenstudium.

Deutschland (2007/2006) Schweiz Frauen Männer Frauen Männer Studienanfänger Immatrikulierte Studienabschlüsse Promotionen Habilitationen Professoren
50 % 50 % 54 % 46 %
48 % 52 %
51 % 49 % 44 % 55 %
42 % 58 % 37 % 63 %
22 % 78 % 14 % 86 %
15 % 85 % 06 % 94 %

In Deutschland lag nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Wintersemester 2009/2010 der Frauenanteil bei 48 %, bei den Neu-Einschreibungen lag er knapp unter 50 %.[12] Einen überdurchschnittlich hohen Frauenanteil gab es 2009/2010 an Universitäten in den Bereichen Veterinärmedizin (85 %) und Sprach- und Kulturwissenschaften mit 70 %. Im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften betrug der Frauenanteil lediglich 41 %, in den Ingenieurwissenschaften nur 24 % (siehe auch: Frauenstudium).

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden 2007 51 % der Hochschulabschlüsse von Frauen abgelegt. Bei dem höheren akademischen Grade nimmt der Frauenanteil allerdings ab. So wurden 2007 42 % der Promotionen in Deutschland von Frauen abgelegt. Bei den Habilitationen lag 2006 der Anteil bei 22 % und nur 15 % der Professuren waren durch Frauen besetzt. In der höchsten Besoldungsgruppe C 4 waren es sogar nur 10 %. Allerdings haben die Anteile gegenüber 1995 stark zugenommen.[13]

An den österreichischen Universitäten studierten im Wintersemester 2005 217.800 Personen, 2009/10 waren es 332.624, davon 273.542 an Universitäten und 36.914 an Fachhochschulen. Der Frauenanteil liegt bei 53,6 %.[14]

Bildungskosten

Fachhochschulen in Österreich werden auf den Studienplatz bezogen finanziert. Es gibt vier verschiedenen Fördersätze (technisch, wirtschaftlich, touristisch, technisch-wirtschaftlich) je nach inhaltlicher Ausrichtung der Studienrichtung. Der Bund zahlt einen Jahresbetrag zwischen 6.500 und 7.900 Euro pro Studienplatz.[15]

Quantitatives Geschlechterverhältnis

Nach Statistik Austria gab es in Österreich im Wintersemester 2001/2002 etwa gleich viele Studentinnen wie Studenten. Der Frauenanteil in geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen war mit 77 % der Immatrikulationen überdurchschnittlich hoch, im sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Bereich kamen die Frauen auf einen Anteil von 53 %. Die Studenten in technischen Studienrichtungen waren zu weniger als 25 % weiblich. Der Frauenanteil bei den Abschlüssen in diesem Studienbereich lag bei 18 %. Nur 9 % der Promovierenden waren Frauen.

Ausländeranteil

Von 2000 bis 2010 hat sich die Zahl ausländischer Studenten an österreichischen Hochschulen ungefähr verdoppelt.[16] Im Wintersemester 2010/11 war ungefähr jeder fünfte Student in Österreich Ausländer (65.000 ausländische Studenten); im Wintersemester 2013/2014 war ungefähr jeder vierte (92.000 ausländische Studenten von 350.000 Studenten insgesamt) Ausländer[17] und unter den neu Immatrikulierten lag der Anteil mit 35 % noch höher.[18] Den größten Anteil machen Deutsche aus (für Details hierzu siehe auch: Bildungsmigration, Numerus clausus#Österreich und Deutschenschwemme#Österreich).

Zum Anteil der Ausländer, die nach ihrem Studienabschluss nicht in Österreich bleiben, gibt es widersprüchliche Angaben.[18]

In der Schweiz studierten 2006 insgesamt 169.500 Personen (ETHs, Universitäten und Fachhochschulen).

An den Hochschulen der Schweiz beträgt der Frauenanteil an Universitäten laut BFS bei Studienbeginn um 53,9 %, bei den Studienabschlüssen nur noch 43,9 %. Rund 32 % der Studentinnen brechen ihr Studium ab (im Gegensatz zu rund 28 % der männlichen Studenten). Obwohl annähernd gleich viele Frauen wie Männer ein Studium beginnen, gibt es prozentual mehr Studienabbrüche von Frauen, was sich ebenfalls durch Mutterschaft oder geplante Mutterschaft erklären lässt. Von den Personen mit Studienabschluss streben weniger Frauen als Männer eine akademische Karriere an, so dass der Frauenanteil bei den Assistenzen und Forschungsassistenzen auf 29 % sinkt. Das Lehrpersonal an Schweizer Universitäten besteht zu 17 %, an den Fachhochschulen zu 29 % aus Frauen.[19] 2011 waren 22.000 Menschen in einem Doktoratsstudium immatrikuliert (~ 9800 Frauen und ~ 12.200 Männer).[20] Der Frauenanteil bei den Habilitationen betrug 2002 rund 13,5 %.

Hinsichtlich der mittleren Studiendauer gibt es kaum Unterschiede. Eine Statistik der schweizerischen Hochschulen zeigt durchschnittlich 103 % (11,9 Semester) gegenüber männlichen Studenten, was mit einer Mutterschaft von etwa fünf bis zehn Prozent der Studentinnen erklärbar ist. Dennoch würde sich der dreiprozentige, aber signifikante Unterschied (zwei Monate in der Studiendauer) ohne zwei Fachgebiete umkehren: Bei fünf von sieben Fachgruppen ist die Studiendauer um einige Prozent kürzer, nur bei Technik und „Anderen“ länger.

Infolge der verstärkten Nachfrage nach Studienplätzen durch die Babyboomergeneration und aus Gründen der regionalen Strukturpolitik kam es in der zweiten Hälfte des ausgehenden 20. Jahrhunderts zu zahlreichen Universitätsneugründungen. Die westeuropäische Demografie und der Geburtenrückgang in Europa führen auch zu einem Rückgang der effektiven Gesamtzahl der Studenten in Europa. Dies führt nunmehr zu einem Wettbewerb der Universitäten um Studenten, aber auch zu Einschränkungen und Veränderungen der Studienangebote. Der Student wird also zunehmend Ziel von Werbe- und Marketingmaßnahmen von Seiten der Hochschulen, die auch mit einer zunehmenden Differenzierung ihrer Angebote versuchen, ihre Existenz zu rechtfertigen. Während die Eliteuniversität beispielsweise in der mehr egalitären deutschen Gesellschaft noch vor wenigen Jahren in der deutschen Hochschulpolitik ein Schlagwort war, das als politisch inkorrekt galt, wird dieser Begriff nunmehr als Zeichen des Wandels und unter dem Zeichen von Pisa zum Allheilmittel und zur politisch wünschenswerten Produktdifferenzierung zur Verbesserung der Position der staatlichen Universitäten im globalen Wettbewerb um Studienanfänger erhoben. Einige Hochschulstädte zahlen daher auch an Erstsemester, die sich in der Regel dafür am Hochschulort mit dem ersten Wohnsitz zur Erhöhung der Lohnsteuerquote der Hochschulkommune anmelden müssen, ein Begrüßungsgeld, das zumeist aus einer einmaligen Barauszahlung verbunden mit weiteren geldwerten Leistungen besteht.

Zur Entstehungszeit der Universitäten im Mittelalter war Latein die einzige Wissenschafts- und Verwaltungssprache. Ein Student wurde als scholaris („Schüler“, von lateinisch schola „Schule“) bezeichnet. Der Ausdruck „Scholar“ wird heute noch im Zusammenhang mit dem Mittelalter verwendet. In der Frühen Neuzeit kam die Bezeichnung studiosus auf („der Eifrige, Interessierte“). Bereits im Mittelhochdeutschen gab es den aus dem lateinischen Partizip Präsens (studens) entlehnten Ausdruck studente. In der traditionellen hochschulinternen Kommunikation wird die Fachbezeichnung auf Latein in Abkürzung als sogenannter „studentischer Grad“ genutzt (studiosus oder candidatus), ohne dass dies ein Titel oder Ähnliches wäre.

Aus dem 20. Jahrhundert stammen die umgangssprachlichen Bezeichnungen Studiker (inzwischen veraltet) oder das geschlechtsneutrale Kurzwort Studi.[21]

In den angelsächsischen Ländern werden auch Schüler allgemein als students bezeichnet, was gelegentlich zu Verwechslungen führt.

Die Bezeichnung „Studierende“

Absicht der geschlechtsneutralen Benennung

Seit den 1990er-Jahren vermeiden viele Hochschulverwaltungen und Gesetzgeber im deutschsprachigen Raum den Gebrauch generischer Maskulinformen (Studenten, ein Student) für Personen aller Geschlechter. Im Sinne der sprachlichen Gleichbehandlung empfehlen behördliche Richtlinien zwei Möglichkeiten (vergleiche Gesetze zur geschlechtergerechten Sprache, Liste von Hochschulen, die Genderzeichen nutzen):

  • Sichtbarmachung der Geschlechter durch zweigeschlechtliche Beidnennung (Studenten und Studentinnen, Student/-innen, StudentInnen) oder mehrgeschlechtliche Kurzformen mit Genderzeichen (Student*innen, Student:innen, Student_innen)
  • Neutralisierung jeglichen geschlechtlichen Bezugs durch Umformulierungen (alle, die studieren) oder substantivierte Adjektive und Partizipien (Partizip I: Studierende)

Das Partizip Präsens wird gebildet durch das Anhängen von „-end“ an den Wortstamm eines Verbs: studieren → studierend; daraus wird ein Substantiv gebildet. Im Plural zeigt Studierende kein eigenes grammatisches Geschlecht (Genus) und ist in seiner Bedeutung geschlechtsneutral (sexusindifferent). Im Singular wird das gemeinte Geschlecht einer Person nur ausgewiesen durch den bestimmten Artikel (der/die Studierende); der unbestimmte Artikel unterscheidet dann zwischen femininer Form (eine Studierende) und maskuliner (ein Studierender).[22] Aber auch die maskuline Wortform Student stammt von einem (bereits im Lateinischen) substantivierten Partizip: studens, gebildet vom Verb studere „studieren“.

Geschichte der Bezeichnung

Der Ausdruck Studierende ist spätestens seit dem 18. Jahrhundert in Gebrauch, zeitweise sogar häufiger als die vorgeblich traditionelle Form Studenten, beispielsweise:[23][24][25]

  • 1744 ist ein Eintrag in Zedlers Enzyklopädie übertitelt mit „Student, Studenten, Studirende.“[24]
  • 1801 führt das Churfürstliche Schulhaus München ein „Verzeichniß der Studierenden“.[26]
  • 1815 heißt es in der Verfassungsurkunde der Jenaischen Burschenschaft: „[…] ist ein Teil der Studierenden in Jena zusammengetreten und hat sich beredet, eine Verbindung unter dem Namen einer Burschenschaft zu gründen.“[27]
  • 1827 steht in einer Tabelle der Hochschulen in Europa die Bezeichnung „Studierende“ bei den Angaben zu den Hörerzahlen der Hochschulen.[28]

In der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) wurde die Bezeichnung Studierende stellenweise als Synonym für Studenten verwendet. Beispielsweise findet sich 1938 im Gesetz über das Reichstudentenwerk die Formulierung „Beiträge der Studierenden“;[29] ein Jahr später erschien das Jahrbuch für Studierende 1939.[30]

In der frühen Bundesrepublik Deutschland bezeichneten Studenten und Studierende teilweise Unterschiedliches: Mit Studierende waren eher eingeschriebene Personen an höheren Lehranstalten, für die kein Abitur benötigt wurde, gemeint.[31]

Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch fasste 2011 zusammen: „Es zeigt sich zunächst ein Verwendungssmaximum für ‚Studierende‘ um die Jahrhundertwende zum 19. Jahrhundert. Das war, wie gesagt, lange bevor Frauen überhaupt studieren durften – Political Correctness war hier sicher nicht der Grund. Das Wort ‚Studierende‘ ist und war eben ganz einfach Ergebnis eines weltanschaulich völlig neutralen Wortbildungsmusters, bei dem das Partizip eines Verbs nominalisiert wird, um jemanden zu benennen, der die durch das Verb bezeichnete Tätigkeit ausübt.“[23] Stefanowitsch entkräftigte Kritik: „Ein nominalisiertes Partizip I muss keineswegs jemanden bezeichnen, der die durch das Partizip ausgedrückte Tätigkeit im Moment des Sprechens ausführt. […] Wenn ich aber biertrinkend in der Kneipe sitzen und von mir sagen kann, dass ich ‚studiere‘, kann ich auch sagen, ich sei ein ‚Studierender‘. […] Ob diese Tätigkeit im Augenblick oder gewohnheitsmäßig ausgeübt wird, ergibt sich im Zweifelsfall aus dem Gesprächszusammenhang oder der Art der Tätigkeit selbst.“[32] Anfang 2021 vertiefte Stefanowitsch das Argument in einer Diskussion mit Werner Patzelt: „Das Verb ‚studieren‘, das wird nicht so verwendet, wie Sie das gerade behauptet haben. Wenn ich sage: ‚Mein Sohn studiert jetzt an der Freien Universität Berlin‘, dann ist das eine Aussage über einen Status, den er jetzt hat, und nicht über eine Tätigkeit. […] Das Partizip behält aber diese Eigenschaft des zugrundliegenden Verbs bei. Und das Verb ‚studieren‘ bezieht sich auf keine konkrete Tätigkeit.“[33]

Gegenwärtiger Gebrauch

Die Duden-Grammatik von 1998 nennt die Bezeichnung Studierende an mehreren Stellen, unter anderem als geschlechtsneutrale Ersatzform, „um gehäufte Doppelnennungen maskuliner und femininer Formen zu vermeiden“;[34] der Mitherausgeber Peter Eisenberg distanziert sich später von der Bezeichnung (siehe unten).

Im Jahr 2002 empfiehlt das deutsche Bundesverwaltungsamt in seinem Merkblatt Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern (M 19): „Wenn geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen vorhanden sind (z. B. Beschäftigte, Studierende), sollten diese verwendet werden.“[35]

In fünfzehn deutschen Landeshochschulgesetzen wird die Bezeichnung Studierende durchgängig verwendet (nicht im Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetz).[36] Ab der Jahrtausendwende wird die Bezeichnung auch in Wortzusammensetzungen rund um die Studierendenschaft übernommen: Studierendenparlament, Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA), Studierendenwerk oder Studierendenausweis. Anfang 2021 vermerkt Henning Lobin, Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache: „Das Wort Studierende ist seit mindestens zehn bis fünfzehn Jahren an deutschen Hochschulen sehr verbreitet.“[37]

In Österreich findet sich stellenweise die Form Studierende bereits in Verordnungen ab 1945.[38] Das alte Universitäts-Organisationsgesetz 1993 und das aktuelle Universitätsgesetz 2002 verstehen als Studierende alle „durch das Rektorat zum Studium an der Universität zugelassene Personen“. Im März 2021 erklärt Christiane Pabst, Chefredakteurin des Österreichischen Wörterbuchs: „Studierende sind nicht mehr jene, die gerade jetzt studieren. An diesem Beispiel zeigt sich gut, wie schnell sich Sprache ändern kann. Die Form Studierende bedeutet heute ganz selbstverständlich Menschen, deren Beruf es ist zu studieren.“[39]

Die schweizerische Bundeskanzlei sieht im Jahr 2009 die Bezeichnung Studierende als verbreitet an; zu ihren Empfehlungen der geschlechtsneutralen Verwendung des Partizip I in deutschsprachigen Texten der Bundesverwaltung schreibt sie: „Diese Formen sind im Sprachgebrauch unterschiedlich geläufig: Einige sind weit verbreitet (Studierende, Alleinerziehende, Selbstständigerwerbende), andere werden zunehmend üblicher (Mitarbeitende, Teilnehmende). Viele sind ungewohnt und umständlich  […]. Andere sind schlicht unmöglich […]“.[40]

Im Rahmen der Deutschland-Erhebung 2017/18 (von Leibniz-Institut für Deutsche Sprache und Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) werden 1439 Onlinefragebögen ausgewertet in Bezug auf die angebotenen Möglichkeiten zum Ausfüllen eines Satzes:[41]

  • „Die neu gestalteten Gruppenräume in der Bibliothek bieten _____ optimale Arbeitsbedingungen.“

Folgende Möglichkeiten wurden gewählt (4 % ohne Angabe):

Angebotene
Varianten 1439
Befragte Altersgruppen in Jahren bis 30 41–50 über 60
den Studierenden 46 % 35 % 47 % 60 %
den Studenten 17 % 24 % 21 % 10 %
den Studentinnen und Studenten 17 % 15 % 15 % 23 %
den Student/-innen 8 % 16 % 9 % 2 %
den StudentInnen 4 % 3 % 5 % 2 %
den Student(innen) 2 % <1 % <1 % <1 %
den Student*innen 1 % <1 % <1 % <1 %
den Student_innen <1 % <1 % <1 % <1 %
andere Variante 1 % <1 % <1 % <1 %

Das Geschlecht der Befragten hatte kaum Einfluss auf die Auswahl der Schreibweisen. Im Deutschen Referenzkorpus für die geschriebene Gegenwartssprache (DeReKo) ist im jüngsten Zeitraum Studenten mehr als fünfmal so häufig belegt wie das Vorkommen von Studierende (2010–2016: rund 150.000 gegenüber 30.000); alle anderen Formen sind selten.[41] Der Referenzkorpus enthält allerdings aus Urheberrechtsgründen keine Texte von sozialen Medien.

Im August 2020 verzeichnet der Rechtschreibduden in seiner 28. Auflage unter dem Stichwort Studenten / Studierende: „Als geschlechtsneutrale Bezeichnung setzt sich die Form Studierende immer mehr durch. Sie wird auch verwendet, wenn man die Paarformel Studenten und Studentinnen nicht zu oft wiederholen will.“[42]

Ebenfalls im August empfiehlt die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) substantivierte Partizipialformen: „Statt: die Teilnehmer, die Studenten – Besser so: die Teilnehmenden, die Studierenden“.[43] Der GfdS-Vorsitzende Peter Schlobinski vermerkt im Mai 2021: „Studierende ist an den Universitäten mittlerweile so stark etabliert, das hat im Prinzip Studenten ersetzt. Es wird heute weitgehend so gelesen wie früher ‚Studenten‘, also generisch.“[44]

Der Rat für deutsche Rechtschreibung – eingesetzt von sieben deutschsprachigen Ländern und Regionen – nutzt in seiner Bekanntmachung Geschlechtergerechte Schreibung: Empfehlungen vom 26. März 2021 die Partizipformen Studierende und Lehrende sowie Lesende, Hörende.[45]

Mitte 2021 erklären acht der größten deutschsprachigen Nachrichtenagenturen, gemeinsam die Verwendung des generischen Maskulinums „zurückdrängen“ zu wollen; als „Beispiele für diskriminierungssensible Formulierungen“ werden auch „substantivierte Partizipien: die Studierenden“ angeführt (Details).[46] Bereits Anfang 2020 hatte die Redaktion des Nachrichtenmagazins Der Spiegel entschieden: „Das generische Maskulinum soll nicht mehr Standard sein. […] Oft lassen sich Sätze so formulieren, dass gar keine Wörter vorkommen, die eindeutig Männer oder Frauen bezeichnen (Studierende statt Studenten, Lehrkräfte statt Lehrer et cetera).“[47] Weitere Redaktionen schließen sich dieser Vorgehensweise an, so die Main-Post im Juli 2021: „Zurückhaltend sind wir mit Formen wie Teilnehmende oder Radfahrende. Das ist – bisher – weit weg vom Sprachgebrauch und hat sich nur in wenigen Fällen auf natürlichem Weg durchgesetzt, etwa bei Studierenden.“[48]

Im September schickt die deutsche Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) eine „Arbeits- und Orientierungshilfe“ an die Bundesverwaltung inklusive Kanzleramt und Ministerien sowie an Bundesgerichte und Stiftungen des Öffentlichen Rechts des Bundes: Der Gebrauch des generischen Maskulinums sei zu vermeiden, zur Bezeichnung von Personengruppen mit unbestimmtem Geschlecht werden genderneutrale Formulierungen empfohlen wie „Studierende“ statt „Studenten“ (Genderzeichen werden abgelehnt: Details).[49]

Kritik an der Wortform „Studierende“

  • 2002 meinte der Schriftsteller Max Goldt, dass nicht alle Studenten immer „studierend“ seien (mit ihrem Studium beschäftigt) und nicht alle, die sich gerade Studien widmeten, seien zwangsläufig auch Studenten oder Studentinnen: „Wie lächerlich der Begriff Studierende ist, wird deutlich, wenn man ihn mit einem Partizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: In der Kneipe sitzen biertrinkende Studierende. Oder nach einem Massaker an einer Universität: Die Bevölkerung beweint die sterbenden Studierenden. Niemand kann gleichzeitig sterben und studieren.“[50]
    • Diesem häufig vorgebrachten Einwand entgegneten die Sprachwissenschaftlerinnen Gabriele Diewald und Anja Steinhauer 2020:

„Das stimmt so nicht, wie uns viele Beispiele zeigen.

  • Vorsitzende eines Vereins sind dies beispielsweise grundsätzlich während der gesamten Zeit, für die sie gewählt sind;
  • Hungernde können auch zwischendurch einmal halbwegs gesättigt sein;
  • Reisende können sich zeitweise an einer Stelle aufhalten – und
  • Studierende sind eben auch Studierende, wenn sie gerade im Kino sind oder schlafen, weil sie grundsätzlich studieren.

Es macht also einen Unterschied, was genau das entsprechende Verb bedeutet, denn genauso wie ein Partizip I eine im Verlauf befindliche Tätigkeit ausdrücken kann, ist es eben auch möglich, mit diesem Partizip einen andauernden Zustand, eine inhärente Eigenschaft zu beschreiben: Fliegende Fische, fahrendes Volk, stotternde Kinder.“

– Handbuch geschlechtergerechte Sprache (April 2020)[25]

  • Mitte 2019 kritisierte der emeritierte Sprachwissenschaftler Helmut Glück an der Partizipialform Studierende, sie sei bürokratisch, wenig anschaulich und bezeichne als Partizip zu studieren jeden, der studiert. Es könnten aber auch Personen als Student oder Studentin eingeschrieben sein, ohne wirklich aktiv zu studieren. Andersherum könnten Gasthörer studieren, ohne als Student eingeschrieben zu sein.[51]
  • Anfang 2021 erneuerte der emeritierte Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg seine Kritik an der Partizipialform und am Gendern insgesamt: „Der Typ Zuhörender hat es auf etwa zwei Dutzend Wörter gebracht, deren Mehrheit solche wie Vorsitzender, Reisender, Badender, Mitwirkender, Liebender, Lebender, Sterbender, Leidender, Notleidender, Klagender und Fragender umfasst. Das Partizip I selbst ist hochproduktiv, es kann mit beinahe sämtlichen Infinitiven gebildet werden. Dass es so wenige Substantivierungen gibt, liegt nicht an fehlender Basis, sondern an einer Hemmung, diese zu substantivieren.“
    Eisenberg verwies auf „die Verteilung der Wörter Student und Studierender im Werk von Goethe. Beider Vorkommen ist nach Ausweis eines noch unveröffentlichten Teils des Goethe-Wörterbuchs in seinem Werk dreistellig, aber austauschbar sind die Wörter nicht. Studierender bleibt in den meisten Vorkommen näher beim Verb als Student. Differenzierungen solcher Art sind dem Gendern fremd. Es geht ihm nicht um die Ausdruckskraft unserer Sprache, sondern um die eigenen Zwecke, von denen die Mittel geheiligt werden.“[52]
  • Franco Cardini, Mariaterese Fumagalli Beonio-Brocchieri (Hrsg.): Universitäten im Mittelalter: Die Europäischen Stätten des Wissens. Südwest, München 1991, ISBN 3-517-01272-6 (Bildband).
  • Christian Helfer, Mohammed Rassem: Student und Hochschule im 19. Jahrhundert: Studien und Materialien (= Studien zum Wandel von Gesellschaft und Bildung im 19. Jahrhundert. Band 12). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen/ Zürich 1975, ISBN 3-525-31818-9.
  • Konrad Jarausch: Deutsche Studenten 1800–1970. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-11258-9.
  • Michael Klant: Universität in der Karikatur: Böse Bilder aus der kuriosen Geschichte der Hochschulen. Fackelträger, Hannover 1984, ISBN 3-7716-1451-1 (Karikaturen).
  • Werner Klose: Freiheit schreibt auf eure Fahnen: 800 Jahre deutsche Studenten. Stalling, Oldenburg/ Hamburg 1967.
  • Konrad Lengenfelder (Hrsg.): Dendrono-Puschners Natürliche Abschilderung des academischen Lebens in schönen Figuren ans Licht gestellet. 2. Auflage. Altdorf 1993.
  • Harald Lönnecker: Studenten und Gesellschaft, Studenten in der Gesellschaft: Versuch eines Überblicks seit Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Rainer Christoph Schwinges (Hrsg.): Universität im öffentlichen Raum (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Band 10). Schwabe, Basel 2008, ISBN 978-3-7965-2423-3, S. 387–438.
  • Norbert Nail: Bilder aus dem Marburger Studentenleben. Philipps-Universität Marburg 2002, geringfügig aktualisiert 2018 (16.–20. Jahrhundert; PDF: 2 MB, 17 Seiten auf uni-marburg.de).
  • Norbert Nail: Go-in / Go-out – Kontinuität und Wandel in der deutschen Studentensprache des 19. und 20. Jahrhunderts. Ein Versuch. Philipps-Universität Marburg 2005 (PDF: 275 kB, 24 Seiten auf uni-marburg.de).
  • Walter Rüegg (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa. 4 Bände. Beck, München 1993–2010.
  • Rudolf Stichweh: Der frühmoderne Staat und die europäische Universität: Zur Interaktion von Politik und Erziehungssystem im Prozeß ihrer Ausdifferenzierung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-518-58083-3.
  • Wolfgang E. J. Weber: Geschichte der europäischen Universität. Kohlhammer, Stuttgart 2002, ISBN 3-17-016482-1.

 

Commons: Studenten (students) – Sammlung von Bildern

 Wiktionary: Student – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

 Wiktionary: Studentin

 Wiktionary: Studierende

 Wiktionary: Studierender

  • Statistisches Bundesamt (Destatis): Bildung, Forschung und Kultur: Hochschulen (Portalseite).
  • Philipps-Universität Marburg: Bibliographie Studentenleben: Universitätsgeschichte, Studentenleben, Studentenlied (fortlaufend ergänzt).
  • Deutsches Studentenwerk: „eine für alle“: Die Studierendenbefragung in Deutschland (bis September 2021).
  • Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung: Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (1951–2016: wirtschaftliche und soziale Situation der Studierenden in Deutschland).
  • HU-Berlin, Peter Zahn: „Libri, discipulos, magistri, doctores“. Bücher, Studenten, Magister und Doktoren in der Universität des Mittelalters (Literaturauswahl zur Lehrveranstaltung am Aktionstag der HU im Dezember 1997).

  1. Verwaltungsvorschrift für Preußen vom 9. Mai 1750: Reglement: Wie die Studenten auf Königlichen Universitäten sich betragen und verhalten sollen. Winter, Frankfurt (Oder), 1762 (auf Wikisource).
  2. Rainer Pöppinghege: Zwischen Radikalität und Anpassung: 200 Jahre studentische Geschichte. In: Jan Carstensen, Gefion Apel (Hrsg.): Schlagfertig! Studentenverbindungen im Kaiserreich. Reader zu einem studentischen Ausstellungsprojekt. Westfälisches Freilichtmuseum, Detmold 2006, ISBN 978-3-926160-39-3, S. 12–13 (Ausstellungskatalog).
  3. Zahlen bis 1930 gemäß Walter Rüegg (Hrsg.): Geschichte der Universität in Europa, Band III. C.H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-36956-1, S. 202, Stand 1965 nach Giese/Schmidt: Studenten-Sexualität. Rowohlt, 1968, S. 29; ab 1970 nach Studierende Insgesamt ab 1975 auf destatis.de, aufgerufen am 9. Dezember 2015. Daten betreffen jeweils die Wintersemester und beziehen sich bis 1989 nur auf das „alte Bundesgebiet“; Stand 2015 gemäß Pressemitteilung des statistischen Bundesamts Nr. 432 vom 25. November 2015
  4. Statistisches Bundesamt: Zahl der Studierenden im Wintersemester 2020/2021 auf neuem Höchststand. In: Destatis.de. 11. Dezember 2020, abgerufen am 29. März 2021. 
  5. Statistisches Bundesamt: Studierende nach Bundesländern. In: Destatis.de. 17. März 2021, abgerufen am 29. März 2021. 
  6. Zahl der Studierenden im Wintersemester 2021/2022 auf Vorjahresniveau. Abgerufen am 8. März 2022. 
  7. Statistisches Bundesamt: Studienanfängerinnen und -anfänger 2021 um 4 % niedriger als im Vorjahr. Abgerufen am 15. März 2022. 
  8. Statistisches Bundesamt: Lange Reihen nach Nationalität und Geschlecht ab 1975. (Memento vom 8. August 2017 im Internet Archive) In: Destatis.de. 2017, abgerufen am 29. März 2021.
  9. Statistisches Bundesamt: Studierende Insgesamt nach Hochschularten. (Memento vom 14. November 2016 im Internet Archive) In: Destatis.de. 2016, abgerufen am 29. März 2021.
  10. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 432: 2,8 Millionen Studierende im Wintersemester 2015/2016. (Memento vom 29. Juli 2018 im Internet Archive) In: Destatis.de. 25. November 2015, abgerufen am 29. März 2021.
  11. (Stand Mai 2010) Hochschulen auf einen Blick, Ausgabe 2010 Seite 42f.
  12. Statistisches Bundesamt: Studierende an Hochschulen – Wintersemester 2009/2010 Fachserie 11 Reihe 4.1 – 2010
  13. Statistisches Bundesamt: Prüfungen an Hochschulen – Fachserie 11 Reihe 4.2 – 2007 und Personal an Hochschulen – Fachserie 11 Reihe 4.4 – 2006
  14. Studierende in Österreich 2010/11 – 2012/13, Statistik Austria, Hochschulstatistik.
  15. Rund 4.000 neue Studienplätze an Österreichs Fachhochschulen, Fachhochschulkonferenz (FHK).
  16. Immer mehr ausländische Studenten. DiePresse.com, 27. März 2013, abgerufen am 12. Juli 2016. 
  17. Jeder vierte Studierende an unseren Unis kein Österreicher. nachrichten.at, 24. Oktober 2014, abgerufen am 12. Juli 2016. 
  18. ↑ a b Hälfte ausländischer Doktoratsstudenten bleibt nicht in Österreich. 18. Mai 2015, abgerufen am 12. Juli 2016. 
  19. Szenarien 2011-2020 für die Hochschulen – Lehrkörper. Bundesamt für Statistik Schweiz. Archiviert vom Original am 11. Januar 2013. Abgerufen am 21. Januar 2013.
  20. Tabelle: Studierende der universitären Hochschulen nach Fachbereich, Studienstufe und Geschlecht. Bundesamt für Statistik Schweiz. Abgerufen am 21. Januar 2013: „Auswahl Jahr 2011, Studienstufe Doktorat, Geschlecht Männer und Frauen“@1@2Vorlage:Toter Link/www.pxweb.bfs.admin.ch (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
  21. Gabriele Diewald, Anja Steinhauer: Handbuch geschlechtergerechte Sprache: Wie Sie angemessen und verständlich gendern. Herausgegeben von der Duden-Redaktion. Dudenverlag, Berlin April 2020, ISBN 978-3-411-74517-3, S. 133: Abschnitt Kurzwörter: „OB, Hiwi, Prof“; Zitat: „der/die Student/-in → der/die Studi – Kurzwort mit i-Suffix“.
  22. Angelika Wöllstein, Duden-Redaktion (Hrsg.): Duden: Die Grammatik (= Der Duden. Band 4/12). 9., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Dudenverlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-411-04049-0, S. 161, Randnummer 238 (Seitenvorschau in der Google-Buchsuche; Fachausdrücke).
  23. ↑ a b Anatol Stefanowitsch: Langlebige Studierende. In: Sprachlog.de. 18. November 2011, abgerufen am 5. Oktober 2020.
  24. ↑ a b Markus Pössel: #Studierende vs. Studenten. In: Twitter.com. 28. April 2019, abgerufen am 5. Oktober 2020; Zitat: „‚Studierende‘ ist keine neuartige Erfindung. Es war spätestens seit dem späten 18. Jahrhundert ein einigermaßen übliches Wort.“
  25. ↑ a b Gabriele Diewald, Anja Steinhauer: Handbuch geschlechtergerechte Sprache: Wie Sie angemessen und verständlich gendern. Herausgegeben von der Duden-Redaktion. Dudenverlag, Berlin April 2020, ISBN 978-3-411-74517-3, S. 129–131: Abschnitt Substantivierte Partizipien oder Adjektive im Plural: „Studierende, Verwitwete“.
  26. Gabriele Diewald, Anja Steinhauer: Handbuch geschlechtergerechte Sprache: Wie Sie angemessen und verständlich gendern. Herausgegeben von der Duden-Redaktion. Dudenverlag, Berlin April 2020, ISBN 978-3-411-74517-3, S. 218.
  27. Herman Haupt (Hrsg.): Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung. Band 1. Winter, Heidelberg 1910, S. 124.
  28. K. E. Rainold (Hrsg.): Erinnerungen an merkwürdige Gegenstände und Begebenheiten. In: Zeitschrift in monatlichen Lieferungen. Band 7. Wien 1827, ab S. 216.
  29. Scan: Gesetz über das Reichstudentenwerk. In: alex.onb.ac.at. 1938, abgerufen am 11. März 2022. 
  30. Zeitschrift: Jahrbuch für Studierende 1939. In: Digitale-Bibliothek-MV.de. 1939, abgerufen am 11. März 2022. 
  31. Johann Osel: Studenten, äh, Studierende. In: Süddeutsche Zeitung. 18. Februar 2015, abgerufen am 11. März 2022. 
  32. Anatol Stefanowitsch: Danebenliegende Sprachnörgelnde. In: SciLogs.Spektrum.de. 25. April 2010, abgerufen am 28. Oktober 2021.
  33. Anatol Stefanowitsch auf phoenix: phoenix runde: „Gendersprache – Überflüssig oder überfällig?“ (ab 0:19:49) auf YouTube, 25. Februar 2021, abgerufen am 28. Oktober 2021 (44:57 Minuten; mit Petra Gerster, Judith Sevinç Basad, Werner Patzelt).
  34. Peter Eisenberg, Annette Klosa-Kückelhaus (Hrsg.): Duden: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache (= Der Duden. Band 4/12). 6., neu bearbeitete Auflage. Dudenverlag, Mannheim u. a. 1998, ISBN 3-411-04046-7, S. 200 (Fundstellen und Zitatansicht in der Google-Buchsuche).
  35. Bundesverwaltungsamt, BBB-Merkblatt M 19: Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern: Hinweise, Anwendungsmöglichkeiten und Beispiele. 2. Auflage. Köln 2002, S. 17 (PDF: 290 kB, 30 Seiten auf genderkompetenz.info).
  36. Die Bezeichnung „Studierende“ wird in 15 deutschen Landeshochschulgesetzen durchgängig verwendet:
    1. Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg, Abschnitt 2
    2. Bayerisches Hochschulgesetz, Teil B, Abschnitt III
    3. Berliner Hochschulgesetz, Abschnitt 2
    4. Brandenburgisches Hochschulgesetz, Abschnitt 2
    5. Bremisches Hochschulgesetz, Teil 4
    6. Hamburgisches Hochschulgesetz, Abschnitt 3
    7. Hessisches Hochschulgesetz, Abschnitt 6
    8. Landeshochschulgesetz Mecklenburg-Vorpommern, Teil 3
    9. Niedersächsisches Hochschulgesetz, Zweiter Abschnitt, Erster Titel
    10. Hochschulgesetz Nordrhein-Westfalen, Teil 5
    11. Hochschulgesetz Rheinland-Pfalz, Abschnitt 3
    12. Saarländisches Hochschulgesetz, Kapitel 7
    13. Landeshochschulgesetz Sachsen-Anhalt, Abschnitt 5
    14. Hochschulgesetz Schleswig-Holstein, Abschnitt 7
    15. Thüringer Hochschulgesetz, Teil 4
  37. Henning Lobin im Gespräch: „Sprachkampf“ – Interview mit Autor Henning Lobin. In: Genderleicht.de. 11. März 2021, abgerufen am 28. Oktober 2021.
  38. Beispielsweise: Verordnung des Staatsamtes für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten vom 3. September 1945 über die studentische Selbstverwaltung an den Hochschulen wissenschaftlicher und künstlerischer Richtung. StGBl. Nr. 170/1945; Zitat: „II. Von der Immatrikulation. Die Immatrikulation wird an den Universitäten im Namen des Rektors vom Dekan der Fakultät, in die der Studierende einzutreten beabsichtigt, an der Tierärztlichen Hochschule und an der Hochschule für Welthandel in Wien vom Rektor vorgenommen.“
  39. Christiane Pabst: Gender-Debatte – Wörterbuch-Herausgeberin: „Eine Feigenblattdiskussion“. In: Der Standard. 5. März 2021, abgerufen am 29. März 2021.
  40. Schweizerische Bundeskanzlei, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW): Geschlechtergerechte Sprache: Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Bern, September 2009, S. 137: Partizip I, Randnummer 7.73 (PDF: 1,1 MB, 192 Seiten auf bk.admin.ch).
  41. ↑ a b Astrid Adler, Albrecht Plewnia: Die Macht der großen Zahlen: Aktuelle Spracheinstellungen in Deutschland. In: Ludwig M. Eichinger, Albrecht Plewnia (Hrsg.): Neues vom heutigen Deutsch: Empirisch – methodisch – theoretisch (= Jahrbuch des Instituts für Deutsche Sprache 2018.) De Gruyter, Berlin u. a. 2019, S. 141–162, hier S. 149–154 (Universität Mannheim; doi:10.1515/9783110622591-008; PDF: 2,3 MB, 22 Seiten auf ids-pub.bsz-bw.de).
  42. Duden-Redaktion (Hrsg.): Duden: Die deutsche Rechtschreibung (= Der Duden. Band 1/12). 28., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Berlin August 2020, ISBN 978-3-411-04018-6, S. 1097.
  43. Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS): Leitlinien der GfdS zu den Möglichkeiten des Genderings. In: GfdS.de. August 2020, Abschnitt 3. Ersatzformen: a) Substantivierte Partizipien oder Adjektive, abgerufen am 5. Oktober 2020.
  44. Peter Schlobinski im Interview: Sprachwissenschaftler zieht Parallele zu Orwells 1984: „Soll da wegen einer Gesinnung gegendert werden?“ In: Der Tagesspiegel. 26. Mai 2021, abgerufen am 28. Oktober 2021.
  45. Rat für deutsche Rechtschreibung (RdR), Pressemitteilung: Geschlechtergerechte Schreibung: Empfehlungen vom 26.03.2021. Mannheim, 26. März 2021 (PDF: 453 kB, 2 Seiten auf rechtschreibrat.com; Infoseite).
  46. Deutsche Presse-Agentur (dpa), Pressemitteilung: Nachrichtenagenturen wollen diskriminierungssensibler berichten. In: Presseportal.de. 21. Juni 2021, abgerufen am 29. Oktober 2021.
  47. Spiegel-Redaktion: Die Spiegel-Standards – Ergebnisse der Spiegel-Werkstatt. Hamburg, Stand: Januar 2020, S. 31: Abschnitt 2.6.1 Gendergerechte Sprache (PDF: 1,6 MB, 76 Seiten auf spiegel.de; Infoseite).
  48. Ivo Knahn (stellvertretender Chefredakteur): So macht die Redaktion diejenigen sichtbarer, die kein Mann sind. In: Main-Post. 17. Juli 2021, abgerufen am 29. Oktober 2021.
  49. Meldung: Sprache im Frauenministerium: Lambrecht erteilt Gendersternchen Absage. In: n-tv.de. 6. Oktober 2021, abgerufen am 28. Oktober 2021.
  50. Max Goldt: Was man nicht sagt. In: Derselbe: Wenn man einen weißen Anzug anhat: ein Tagebuch-Buch. Rowohlt, Reinbek 2002, ISBN 3-498-02493-0, S. 56.
  51. Helmut Glück: Studenten sind nicht immer Studierende. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 8.–15. August 2019, S. 6 (online hinter einer Paywall).
  52. Peter Eisenberg: Unter dem Muff von hundert Jahren. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 8. Januar 2021, abgerufen am 28. Oktober 2021.

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Als 68er-Bewegung werden soziale Bewegungen der Neuen Linken und Gegenkulturen zusammengefasst, die in den 1960er Jahren aktiv waren und in einigen Staaten im Jahr 1968 besonders hervortraten.

Antikriegsdemonstration in den USA, 1968

Sie begann in den USA mit der Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner und setzte sich im Protest gegen den Vietnamkrieg fort. Ähnliche Proteste flammten in vielen Staaten der Welt auf, darunter die Westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre, der Mai 1968 in Frankreich, Demonstrationen in Großbritannien, Italien, Japan, den Niederlanden und Mexiko. Der Prager Frühling in der Tschechoslowakei und die März-Unruhen 1968 in Polen hatten je eigene Ursachen, zielten aber ebenfalls auf mehr Bürgerrechte und einen demokratischen Sozialismus.

Als ökonomische Entstehungsfaktoren gelten eine sich abschwächende Hochkonjunktur und erste gravierende Wirtschaftskrisen in den kapitalistischen Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg, die mit sozial stark ungleichen Zugängen zu Bildung und Wohlstand einhergingen. Zu den weltpolitischen Rahmenbedingungen zählt man Veränderungen im Kalten Krieg, darunter das chinesisch-sowjetische Zerwürfnis (seit 1959), die Kubakrise (1962), Stellvertreterkriege zwischen USA und Sowjetunion und antiimperialistische Befreiungsbewegungen in der „Dritten Welt“.

Die Bezeichnung verschiedener sozialer Bewegungen der 1960er Jahre als „68er-Bewegung“ und ihrer Teilnehmer als „68er“ ist eine nachträgliche, zusammenfassende Zuschreibung. Sie bezieht sich nicht auf Einzelereignisse jenes Jahres, sondern auf eine Epoche zivilgesellschaftlicher Proteste, die in mehreren westlichen Staaten mindestens ein Jahrzehnt umfassten und von Staat zu Staat unterschiedliche Verlaufsformen hatten. Sie begannen in den USA um 1960 mit einer Ausdehnung der Bürgerrechtsbewegung auf die Hochschulen und nahmen dort 1970 trotz des fortgesetzten Vietnamkriegs rasch ab. In Westdeutschland begannen sie etwa 1965 und erreichten 1967 ihre größte Mobilisierung. In Japan begannen sie 1965, in Italien 1966, und erreichten dort ebenso wie in Großbritannien und den Niederlanden 1969 ihren Höhepunkt. Nur in Frankreich, der Tschechoslowakei und Polen fanden die intensivsten Proteste tatsächlich im Frühjahr 1968 statt. Trotzdem blieben die Bezeichnungen „68er-Bewegung“, „68er-Generation“ und „68er“ üblich, weil andere geläufige Bezeichnungen (Studentenbewegung, Jugendrebellion, Generationenrevolte, Sozialprotest, Lebensstilreform, Kulturrevolution und ähnliche) jeweils nur Teilaspekte erfassen und auch auf andere Ereignisse zutreffen. Gleichwohl hatten diese Proteste der 1960er Jahre bei allen Besonderheiten ähnliche Ziele, und ihren Teilnehmern war das bewusst.[1]

Der Publizist Rainer Böhme definiert die acht Millionen Deutschen der Jahrgänge 1940 bis 1950 als „68er“. Ab 2005 erreichte diese Generation ihr Renteneintrittsalter.[2] Entgegen der Einordnung der Proteste als Generationenkonflikt oder Jugendbewegung waren mehrere Generationen daran beteiligt. Stefan Hemler bezeichnet sie daher als generationale Protestbewegung mit internationaler Bedeutung.[3]

Die 68er-Bewegung wird überwiegend als westliches Phänomen wahrgenommen. 1968 sei sogar „zum Synonym für die kulturelle Verwestlichung geworden“.[4] Dagegen deutet Immanuel Wallerstein die Bürgerrechtsbewegungen der 1960er-Jahre als ein gegen den Kapitalismus gerichtetes globales Ereignis. Er verwendet den Begriff der „Weltrevolution“. Wallerstein geht von der Annahme aus, dass der Kapitalismus als Weltsystem existiere, sodass es auf nationaler Ebene keine Revolution geben könne. In der Gleichzeitigkeit vieler Aufstände – sowohl 1848 als auch 1968 – erkennt er echte Weltrevolutionen. 1968 sei die Hegemonie der USA die wichtigste gemeinsame Angriffsfläche gewesen.[5]

Marcel van der Linden versuchte zu erklären, warum innerhalb eines kurzen Zeitraums Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre viele verschiedene Prozesse abliefen. Zum einen nennt er drei strukturelle Faktoren:

  1. Das starke Wirtschaftswachstum nach dem Zweiten Weltkrieg, das in der Krise von 1966/67 stockte.
  2. Die weltweit stärkere Beteiligung an Bildung, einschließlich der universitären Ausbildung.
  3. Die Dekolonisierung, die nach dem Zweiten Weltkrieg begann und sich Anfang der 1960er Jahre beschleunigte.

Neben diesen strukturellen Einflüssen nennt er mehrere Ereignisse, die zu anderen Formen der Politik inspirierten: die kubanische Revolution, die chinesische Kulturrevolution, der Prager Frühling 1968 und die Tet-Offensive im Vietnamkrieg. Als weiteres Argument führt van der Linden wechselseitige Lernprozesse und internationale Kontakte an. Kontakte sowohl zwischen Arbeitern, die im Zuge des Aufstiegs multinationaler Unternehmen eine globale Vertretung ihrer Interessen zu organisieren suchten, als auch zwischen radikalen Studenten und Arbeitern.[6] Damit lenkt van der Linden die Aufmerksamkeit auf nichtstudentische Bewegungen, insbesondere auf die Arbeiteraufstände in Frankreich, Italien und Spanien.

Die transnationale Dimension der 68er-Bewegung ist durch Dekolonisierung, Antiimperialismus und durch den Widerstand gegen verschiedene Formen des Neokolonialismus gefördert worden. Besonders der Antikolonialismus stellte eine große Verbundenheit zwischen Akteuren auf der ganzen Welt her. Die Fokustheorie des Ernesto Che Guevara und die Schriften des algerischen Befreiungskämpfers Frantz Fanon bildeten einen gemeinsamen Integrationsrahmen und führten zu konkreten Organisationsformen im Sinne einer Guerillamentalität. Die kubanische Revolution (1959) und der Algerienkrieg (1954–1962) können als Wegbereiter der 68er-Bewegung betrachtet werden.[7]

Roman Rosdolskys 1968 veröffentlichtes Standardwerk Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen Kapital war für die Neue Linke eine maßgebende Interpretation der Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx. Es bestärkte die bundesdeutsche 68er-Bewegung in ihrer Forderung nach einem Ausstieg aus dem kapitalistischen System.[8] Dieses Motiv der „großen Verweigerung“ stammt von dem deutsch-amerikanischen Soziologen und Philosophen Herbert Marcuse. In seinem 1964 veröffentlichten Werk Der eindimensionale Mensch versuchte er, die befreite Gesellschaft vernunfttheoretisch und triebtheoretisch zu begründen. 1967 führte Marcuse in seinem an der Freien Universität Berlin gehaltenen Vortrag Das Ende der Utopie diesen theoretischen Ansatz aus. Nach Ansicht des US-amerikanischen Sozialwissenschaftlers Immanuel Wallerstein ist die aufbegehrende Mittelschicht das Charakteristikum der internationalen 68er-Bewegung. Diese Mittelschicht und mit ihr das kapitalistische Weltsystem sieht Wallerstein untergehen.

In den weltweiten Protesten der 1968er Jahre erlebte die von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno entwickelte Kritische Theorie ihre Blütezeit. Sie will gesellschaftliche Mechanismen der Beherrschung und Unterdrückung aufdecken. Ihr Ziel ist eine vernünftige Gesellschaft mündiger Bürger.

Die 68er-Bewegung war ein internationales Phänomen. Als erstes wichtiges Ereignis gilt der Sieg der kubanischen Revolution am 1. Januar 1959.[9]

In den Vereinigten Staaten gab es zwei große Themen: die alltägliche Rassendiskriminierung und den Vietnamkrieg. In Kalifornien forderte die Free Speech Movement eine Anerkennung ihrer Rechte auf freie Rede und freie Forschung innerhalb der Universitäten.

 

Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit

In den 1950er Jahren begannen Afroamerikaner unter der Führung von Martin Luther King mit Boykotts, Märschen und gewaltfreien Protesten. Sie strebten ein Ende der Rassendiskriminierung an.[10] Als Earl Warren, ein ehemaliger Gouverneur von Kalifornien, Richter am Obersten Gerichtshof wurde, gelang es ihm, das Gericht in dem Verfahren Brown v. Board of Education dazu zu bewegen, gegen die bis dahin geltende Doktrin separate but equal zu stimmen. Damit war dieser Grundsatz ab dem 17. Mai 1954 verfassungswidrig.[11] Diese Entscheidung war der erste Wandel im Leben der Afroamerikaner seit der Reconstruction.

King beteiligte sich 1955 maßgeblich an dem sogenannten Busboykott von Montgomery. Im Dezember 1956 entschied dar Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, dass jede Form der Rassentrennung in Bussen verfassungswidrig ist.[12] Trotz allem setzten sich die Schikanen gegen Afroamerikaner fort: Im Norden der USA lebten sie vermehrt in Ghettos, die faktisch Slums waren.[13] In den Südstaaten wurden sie durch die Jim-Crow-Gesetze an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert und waren von rassistischer Gewalt bis hin zum Lynchmord bedroht.[14] Gegen diese wirtschaftlichen, politischen, sozialen und rechtlichen Diskriminierungen richtete sich die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre.

 

Napalm-Angriff im Vietnamkrieg

 

US Marines in Vietnam

 

Demonstration in den USA gegen den Krieg

Hauptartikel: Abschnitt Vereinigte Staaten im Artikel Bürgerrechtsbewegung

Der US-amerikanische Evolutionspsychologe und Linguist Steven Pinker gibt psychologische und bevölkerungsbiologische Erklärungen für das Phänomen der „Baby-Boomer“, wie die Umbruchbewegungen um 1960 im Englischen genannt werden.[15] Pinker selbst nennt das Phänomen „Entzivilisation in den 1960er Jahren“, weil die politisch-gesellschaftlichen Umwälzungen in den westlichen Ländern erhebliche aggressive Begleiterscheinungen hatten, die es in den zwei Jahrzehnten zuvor nicht gab, wie einen massiven Anstieg der Morde und Terrorismus. Er führt an, dass wegen der vielen jungen Männer in der Bevölkerung, die infolge der hohen Geburtenrate (dem sogenannten „Baby-Boom“) nach dem Zweiten Weltkrieg vorhanden waren, ein Gewaltanstieg in Gesellschaften assoziiert wurde. Darüber hinaus war der Anteil junger Menschen gegenüber der Eltern- und Großelterngeneration relativ gesehen erheblich höher als je zuvor, so dass es für die Älteren schwieriger war, die erreichten zivilisatorischen Normen an die zahlreichen Kinder und Enkel weiterzugeben (James Q. Wilson). Die junge Generation in den 1960ern war durch die Entstehung einer selbständigen Jugendkultur (Musik, Kleidung) und durch Vermittlung neuer elektronischer Medien stärker horizontal vernetzt und war daher in der Lage, sich eher an (auch weit entfernten) Gleichaltrigen statt an den Älteren zu orientieren. Ein zusätzliches Phänomen der 1960er Jugend ist ein nie zuvor gekannter Massenwohlstand, damit einhergehend eine erheblich höhere Bildungsrate und somit ein sozialer Aufstieg breiter Bevölkerungsschichten. Nach der Theorie der Maslowschen Bedürfnispyramide motiviert dies verstärkt zur Selbstverwirklichung und Befriedigung individueller Bedürfnisse gegenüber tradierten gesellschaftlichen Normen.

Am 28. August 1963 erreichte die Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner ihren Höhepunkt, als mehr als 250.000 Menschen, die sich in Washington D.C. vor dem Lincoln Memorial versammelten, Kings Rede „Ich habe einen Traum“ zuhörten. Unter ihnen waren etwa 60.000 Weiße.[16] Am 2. Juli 1964 verabschiedete der Kongress der Vereinigten Staaten Gesetze gegen die politische, soziale und rechtliche Diskriminierung.[17] 1964 erhielt King den Friedensnobelpreis. Am 4. April 1968 wurde er erschossen, was schwere Rassenunruhen auslöste. Die Studentenbewegungen in den USA orientierten sich teilweise an der Black Panther Party und deren identitärer Politik.[18]

Seit dem Tonkin-Zwischenfall im August 1964 befanden sich die Vereinigten Staaten im Krieg mit Nordvietnam. Auf Seiten der USA kämpften vor allem Wehrpflichtige. Dies führte in der US-amerikanischen Bevölkerung zu Kritik und Widerstand.[19] Zwischen 1965 und 1968 eskalierte der Krieg. Dabei setzten die USA Entlaubungsmittel, sogenanntes Agent Orange ein, wodurch die Bevölkerung enorme gesundheitliche Schäden erlitt.[20] Dies trug maßgeblich zur Entstehung der 68er Bürgerrechtsbewegung bei. Am 15. April 1967 demonstrierten in New York City 300.000 Menschen gegen die amerikanischen Bombenangriffe auf Nordvietnam und forderten den sofortigen Abzug der US-Amerikaner aus Südvietnam.[21] Im Oktober 1967 kam es in Washington D.C. zu großen Demonstrationen. Diese Proteste strahlten auf Paris, Amsterdam, Kopenhagen, Berlin und Tokio aus.

Aus der studentisch geprägten Antikriegsbewegung entstand die Hippiebewegung mit Aufrufen, wie „Make Love Not War“. Nach der Tet-Offensive durch die Nationale Front für die Befreiung Südvietnams waren die Menschen in den USA bestürzt über das Ausmaß des Krieges. Im Wahlkampf um das Präsidentenamt 1968 behinderte Richard Nixon erfolgreich die laufenden Friedensverhandlungen, um zu verhindern, dass es vor den Wahlen zu einem Frieden zwischen den USA und Vietnam kam. Ende Oktober 1968 war Hanoi zu erheblichen Zugeständnissen bereit, die Präsident Lyndon B. Johnson die Handhabe für eine vollständige Einstellung der Bombardierungen von Nordvietnam gegeben hätte. Nixon befürchtete negative Folgen für seine eigene Wahlkampagne und empfahl der südvietnamesischen Regierung über Anna Chennault als Mittelsfrau, sich von den Friedensverhandlungen zurückzuziehen, die Vereinbarung mit Johnson abzulehnen und stattdessen auf einen erheblich vorteilhafteren mit einem künftigen Präsidenten Nixon zu setzen. Obwohl Johnson Kenntnis von dieser Sabotage der Friedensgespräche hatte und Nixons Verhalten als Landesverrat betrachtete, ging er damit nicht an die Öffentlichkeit, weil er befürchtete, das Abhören der Telefonate der südvietnamesischen Botschaft durch das FBI zu enttarnen. Diese Erkenntnisse gehen auf Recherchen von Charles Wheeler, ehemaligem Washington-Korrespondent von BBC, im Jahre 1994 zurück.[22]

1968 demonstrierten in den USA zahlreiche Menschen gegen den Vietnamkrieg.[23]

Mexiko

In Mexiko richteten sich die Studentenproteste, mit denen sich weite Teile der Bevölkerung solidarisierten, gegen die seit 1929 allein regierende Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI). Ausschlaggebend war die große soziale Ungleichheit im Lande. Man forderte die Freilassung politischer Gefangener und einen öffentlichen Dialog mit dem Präsidenten.

Die PRI schuf ein politisches Gebilde, das große Teile der erwerbsfähigen Bevölkerung formell beschäftigte. Als Arbeitgeber fungierten Gewerkschaften, Bauernorganisationen und städtische Institutionen. Soziale Leistungen von oben wurden mit politischer Loyalität von unten bezahlt. Die PRI integrierte systematisch soziale Interessen. Sie wirkte wie eine Brücke zwischen den lokalen Machtblöcken. „Lange Zeit wurde in ihren Reihen und in Symbiose mit dem jeweiligen Präsidenten die Machtbalance zwischen einer das Land modernisierenden metropolitanen Koalition (Unternehmer, städtische Arbeitnehmer und technokratische Politiker) und peripheren Machtcliquen (Caudillos und Caciquen) erfolgreich ausgehandelt“.[24]

Ab 1940 prosperierte die Wirtschaft. Industrialisierung und moderne Elemente eines Sozialstaats prägten das Land. Zu dieser Zeit entstand eine wohlhabende urbane Mittelschicht. Aber die soziale und ökonomische Ungleichheit verschärfte sich, besonders auf dem Land. Bei größeren Konflikten ging es um regionale Landkämpfe. 1958/59 wurde ein Streik der Eisenbahner gewaltsam aufgelöst. Die Behörden verhafteten 6000 Demonstranten. Trotzdem wurde das politische System erst in den 1960er Jahren hinterfragt.[25]

Hauptartikel: Massaker von Tlatelolco

Ab 1959 verzeichnete die mexikanische Volkswirtschaft hohe Zuwachsraten. Diese Entwicklung versprach soziale und ökonomische Stabilität. Bei der Übernahme der Regierung durch Gustavo Díaz Ordaz im Dezember 1964 deutete nur wenig auf die vor ihm liegenden schweren Konflikte hin. Es gab eine allgemeine Unzufriedenheit, die aus der wachsenden sozialen Ungleichheit resultierte. Auch die urbane Mittelschicht ließ sich nicht mehr ohne weiteres in die kooptativen Institutionen der PRI einbinden.[24]

 

28. Juli 1968: Mexikanische Studenten in einem ausgebrannten Bus. Marcel·lí Perelló

Die Studentenbewegung begann am fünfzehnten Jahrestag des Sturzes des kubanischen Diktators Fulgencio Batista, am 26. Juli 1968. Die Studierenden demonstrierten wie in jedem Jahr für Kuba, wurden diesmal jedoch von den staatlichen Sicherheitsbehörden brutal niedergeschlagen. Im August 1968 begannen die Studenten der UNAM (Universidad Nacional Autónoma de México), der größten Universität Lateinamerikas, damit, gegen die Herrschaft der allein regierenden PRI zu rebellieren. An dem legendären „Schweigemarsch“ Mitte September 1968 beteiligte sich eine halbe Million Menschen. Lehrer, Eltern und Arbeiter solidarisierten sich mit den Protesten. Die Proteste waren zu keinem Zeitpunkt auf universitäre Themen beschränkt. Es war eine Studentenbewegung ohne studentische Forderungen. Verlangt wurden die Freilassung politischer Gefangener und ein öffentlicher Dialog mit dem Präsidenten.[26]

Zehn Tage vor dem Beginn der Olympischen Spiele in Mexiko versammelten sich auf dem Platz der Drei Kulturen in Mexiko-Stadt etwa 10.000 Menschen, um auf eine Ansprache des Studentenführers Campos Lemus zu warten. Die Stimmung war nervös, nachdem Präsident Ordaz seit Wochen protestierende Jugendliche hatte niederknüppeln lassen. Als der Studentenführer ans Mikrofon trat, eröffneten Soldaten das Feuer auf die Menge. Am Ende waren Hunderte Menschen tot. Durch das Massaker von Tlatelolco am 2. Oktober 1968 wurden die Studentenproteste niedergeschlagen.[27] Das Museum Memorial del 68 erinnert an diese Tragödie.[28]

In Japan hatte der Studentenverband Zengakuren seit 1959 gegen den Sicherheitsvertrag mit der US-Armee und deren Stützpunkte in Japan und gegen Premierminister Kishi Nobusuke, einen ehemaligen Kriegsverbrecher, protestiert. Kurz vor der Vertragsunterzeichnung am 22. Juni 1960 hatten Demonstranten das Parlamentsgebäude gestürmt und US-Präsident Dwight D. Eisenhower zur Absage seines geplanten Staatsbesuchs in Japan bewogen.

1965 begannen Zengakuren und japanische Gewerkschaften mit Protesten gegen den Vietnamkrieg, den die USA auch von Japan aus führten. Hinzu kamen das sozialistische Antikriegskomitee Hansen Seinen Iinkai und der basisdemokratische Bürgerverband Beheiren. Beide standen den Students for a Democratic Society in den USA nahe, deren Präsident Carl Oglesby beim ersten Teach in in Tokio am 15. August 1965 redete. Sie beriefen sich bei ihren Protesten gegen die US-Kriegspolitik auf liberale amerikanische Werte. Im Herbst 1967 wurde bei Zusammenstößen militanter Teile der Zengakuren mit der Polizei ein Student getötet. Daraufhin radikalisierte sich die japanische Antikriegsbewegung. Am 11. November 1967 verbrannte sich ein Kriegsgegner vor der Residenz des Premierministers Satō Eisaku. Am 12. November störten Demonstranten dessen Abflug in die USA. Im Januar 1968 löste die Ankunft des US-Flugzeugträgers Enterprise in der Hafenstadt Sasebo tagelange Unruhen in ganz Japan aus. Allein in Tokio demonstrierten Zehntausende und blockierten das Außenministerium mit einem Sitzstreik. Die Nachricht davon beeinflusste auch die Antikriegsproteste in Westeuropa. Durch Verhandlungen Japans mit den USA über den Sicherheitsvertrag und die Rückgabe der Insel Okinawa Hontō befeuert, wuchsen die Proteste 1969 ständig an und erreichten am 23. Juni 1970 ihren Höhepunkt: Etwa 750.000 Menschen demonstrierten gegen die von US-Präsident Richard Nixon befohlene Ausweitung der US-Bombardierungen auf Kambodscha.

Die Proteste richteten sich auch gegen das stark leistungsorientierte, verschulte und autoritäre Erziehungs- und Bildungssystem Japans. Im Januar 1965 kam es an der Keiō-Universität erstmals zu einem zweiwöchigen Vorlesungs- und Seminarstreik gegen höhere Studiengebühren. Zentrum der Studentenproteste war die Waseda-Universität; Träger waren meist ideologisch nicht festgelegte linke Kampfkomitees (Zenkyoto). Sie erreichten auch unorganisierte Studenten und Jugendliche. Bis 1969 weiteten sich die Proteste auf 200 Hochschulen und Gymnasien Japans aus. An der Universität Tokio traten im Februar 1968 nach einem unverhältnismäßigen Polizeieinsatz rund 10.000 Studenten (zwei Drittel der Gesamtzahl) in einen unbefristeten Streik und gründeten ein Kampfkomitee. Im Oktober 1968 wurde die gesamte Universität bestreikt, bis deren Präsident zurücktrat. Nachdem die Polizei im Januar 1969 mit massivem Aufgebot in tagelanger Schlacht einen besetzten Hörsaal geräumt hatte, flauten die Proteste allmählich ab. Die Mitglieder der im September 1969 gegründeten linken Terrorgruppe Sekugunha wurden bis 1971 verhaftet, von Konkurrenten ermordet oder flohen ins Ausland. Bis 1975 hielten Flügelkämpfe unter den traditionalistischen (Yoyogi) und neuen Linken (Anti-Yoyogi) an. Sie wurden teils gewaltsam ausgetragen und sollen insgesamt 44 Tote gefordert haben.[29]

Hauptartikel: Westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre

 

Studentenrevolte in West-Berlin

Hauptartikel: Mai 1968 in Frankreich

Im Unterschied zu anderen Ländern stand in Frankreich auch die Arbeiterbewegung im Vordergrund. Ihre Forderungen waren auf bessere Entlohnung, kürzere Arbeitszeiten und auf eine angemessene Vertretung durch Betriebsräte gerichtet. Das starke hierarchische Gefälle in den Betrieben sollte abgebaut werden, ebenso die autoritären Beziehungen.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs war die Parti communiste français (PCF) stärkste Partei. In der Zeit nach dem Krieg waren die französischen Arbeiter vorwiegend in der PCF organisiert.[30] Anschließend zersplitterte die französische Linke, es entstand die Parti Socialiste (PS). Gleichwohl waren die kommunistischen Parteien, die in der Resistance gegen den Faschismus kämpften, wichtige Elemente der Demokratie.[31] Die politisch Rechte war ebenso stark, weil es dem späteren Präsidenten Charles de Gaulle gelang, die Resistance für sich zu gewinnen. Die 1958 unter de Gaulle gegründete Fünfte Französische Republik profitierte von einem starken wirtschaftlichen Aufschwung. Diese Konjunktur veränderte die soziale Struktur der französischen Gesellschaft. Viele Bauern zog es in die Städte. Dort erweiterten sie „gemeinsam mit Immigranten die Arbeiterklasse um eine junge, militante und von der Bürokratie der Gewerkschaft schwer zu kontrollierende Schicht“.[32]

Zu Beginn der 1960er Jahre waren die Arbeiter in ihren Betrieben nicht angemessen repräsentiert. Wegen der politischen Zentralisierung gab es vor Ort keine regulären Betriebsräte. Dadurch entstanden in den Unternehmen autoritäre Strukturen. Die Arbeiter waren mit den Bedingungen, unter denen sie arbeiteten, unzufrieden. Als 1967 die Auswirkungen der ökonomischen Rezession spürbar wurden, radikalisierten sie sich.[33]

Die Pariser Demonstrationen gingen von der Universität Paris-Nanterre aus.[34] Nach einer Aktion gegen den Krieg in Vietnam gründeten Angehörige der Hochschule die Bewegung des 22. März. Zu den führenden Köpfen gehörte Daniel Cohn-Bendit.[35] Nach dem Attentat auf den deutschen Studentenführer Rudi Dutschke bekundeten viele Menschen ihre Solidarität. Als in Paris die Polizei Demonstrationen gewaltsam beendete, protestierten in der Provinz zahlreiche Bürger.[36] Frankreich erlebte in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1968 eine der gewaltsamsten Auseinandersetzungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Am 13. Mai demonstrierten im ganzen Land Hunderttausende.

Jetzt ging es nicht mehr um die Forderungen der Studenten, sondern um Lohnerhöhungen und um die Einführung der 40-Stunden-Woche. Frankreichs Arbeiter verlangten eine Regierung des Volkes. 10 Millionen Werktätige waren im Warnstreik, drei Wochen lang besetzten sie ihre Fabriken.[37] Die Arbeiter übernahmen von den Studenten deren Formen des Protests und politische Inhalte. Ihre Forderungen richteten sich gegen die Hierarchien in den Betrieben, die sich in einem großen Lohngefälle ausdrückten.[33]

Nach der gleichzeitigen Drohung de Gaulles mit dem Ausnahmezustand und der Ankündigung von Wahlen kam es zu einer starken Pro-de-Gaulle-Kundgebung auf den Champs Elysées. Ende Juni 1968 ebbten Streiks und Fabrikbesetzungen ab.[38] Anschließend wurde die Frage gestellt, ob es sich tatsächlich um eine soziale Bewegung gehandelt habe oder eher um eine „Spaßveranstaltung“.[39]

Großbritannien

In Großbritannien hatte sich 1958 mit der Campaign for Nuclear Disarmament (CND) eine außerparlamentarische Protestbewegung gegen die atomare Hochrüstung der NATO gebildet, die auch antimilitaristische Proteste in Australien, Neuseeland und Kanada beeinflusste. Sie verlor durch die Kubakrise erheblich an Gewicht. Um die 1960 gegründete Londoner Zeitschrift New Left Review entstand eine intellektuelle Neue Linke. Diese bereitete den Wahlerfolg der Labour Party 1966 mit vor, lehnte aber die Politik von Premierminister Harold Wilson gegenüber dem Apartheid-Regime in Rhodesien, seine restriktive Einwanderungspolitik und höhere Hochschulgebühren für ausländische Studenten als diskriminierend und rassistisch ab.

Gegen die Wahl eines weißen Rhodesiers zum Direktor der London School of Economics (LSE) und Disziplinarmaßnahmen gegen deren Studentensprecher streikten ab Herbst 1966 mehr als die Hälfte aller Studenten der LSE. Im März 1967 besetzten sie die LSE neun Tage lang. Im Juli 1967 veranstalteten linke Studenten in London einen zweiwöchigen Kongress mit bekannten Vietnamkriegsgegnern der USA wie Herbert Marcuse, Stokely Carmichael und Paul Sweezy. Bei der Vorbereitung halfen auch Mitglieder des westdeutschen SDS. Der Kongress forderte eine Zusammenarbeit mit revolutionären Befreiungsbewegungen der „Dritten Welt“. Im Juni 1968 gründete sich mit Hilfe von Daniel Cohn-Bendit (eines führenden Teilnehmers der Pariser Studentenproteste) die Revolutionary Socialist Students Federation (RSSF). Die ebenfalls neu gegründete Vietnam Solidarity Campaign (VSC) organisierte bis Oktober 1968 mehrere Antikriegsdemonstrationen in London mit zuletzt rund 100.000 Teilnehmern. Sie blieben weitgehend gewaltfrei, unter anderem weil die LSE-Direktion die Besetzung von Universitätsräumen zum Schutz von Demonstranten zuließ. Im Januar 1969 unterband eine neue LSE-Verwaltung eine weitere Besetzung, exmatrikulierte und entließ Beteiligte. Bis dahin verebbten die Studentenproteste an britischen Hochschulen.

Obwohl die 68er-Bewegung in Großbritannien kleiner blieb als anderswo, hatte sie erhebliche globale Einflüsse auf Kunst, Mode, Pop- und Rockmusik. Als Auftakt einer westlichen Gegenkultur gilt das Beat-Poetry-Festival im Juni 1965 in der Royal Albert Hall.[40]

Italien

Die wirtschaftliche Spaltung zwischen Nord- und Süditalien beziehungsweise zwischen einheimischer Bevölkerung und Arbeitsimmigranten in Norditalien, sowie ein in der Nachkriegszeit noch viele Jahre von faschistischer Ideologie geprägtes Bildungssystem waren wichtige Themen der 68er-Bewegung in Italien. Ebenso der „verratene Widerstand“ der Resistenza, die nach Kriegsende keine Revolution wollte. In Südtirol stand die Neue Linke im Mittelpunkt.

Die konservative Democrazia Cristiana regierte das Land seit 1948. Ihr stand mit der Partito Comunista Italiano (PCI) die stärkste kommunistische Partei Westeuropas gegenüber. Bis Anfang der 1960er Jahre gelang es, die PCI systematisch von der Macht fernzuhalten.[41] Ökonomisch betrachtet entwickelte Italien sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vom Agrar- zum Industrieland. Die Migration von Arbeitern aus Süditalien in den Norden ließ dort anonyme Trabantenstädte entstehen. Das aufkommende Unbehagen in Kreisen der Bevölkerung, die vom wirtschaftlichen Aufschwung ausgeschlossen waren, fing der Staat nicht durch sozialpolitische Maßnahmen auf. Das italienische Wirtschaftswunder der 1950er Jahre verlief gespalten.

Außerdem war das Bildungssystem zu reformieren. Die Lehrinhalte an den Universitäten waren noch faschistisch geprägt.[42]

Für Italiens Intellektuelle ging es um die Fortsetzung der Resistenza von 1940. Es ging um die Frage, warum die Widerstandskämpfer keine Revolution wagten. Diese Idee des „verratenen Widerstands“, den die PCI nach 1945 nicht weitergeführt hatte, spielte 1968 eine große Rolle.[43]

1960 demonstrierten in Genua Hafenarbeiter, frühere Widerstandskämpfer, Studenten und Jugendliche gegen einen Kongress des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano. Das harte Eingreifen der Polizei löste landesweit eine Welle des Protests aus.[43]

Hauptartikel: Geschichte Italiens

Junge Wissenschaftler entwickelten ihre Vorstellung von einer marxistischen Gesellschaftstheorie namens Operaismus. In dieser Theorie gibt es eine Gesellschaft ohne Parteien und ohne hierarchische Strukturen. Sie inspirierte die Proteste an den Universitäten und in den Betrieben. Im Herbst 1968 erreichten die Demonstrationen ihren Höhepunkt.[42] Arbeiter und Studenten protestierten solidarisch.[44]

Nachdem die Democrazia Cristiana jahrelang allein regierte, beteiligten sich 1962/63 die Sozialisten an der Führung des Staates. Sie wollten die Kommunisten isolieren. Die in dieser Konstellation beschlossenen Reformen des Schul- und Universitätswesens weckten übertriebene Hoffnungen und beschleunigten die 68er-Bewegung. Historiker sprechen von einem Scheitern dieses Mitte-Links-Experiments. Sie betrachten es als wichtigen Ausgangspunkt für Italiens 1968.[41]

Ende der 1960er Jahre plädierte der prominente Verleger Giangiacomo Feltrinelli für die Abschaffung des Kapitalismus. Er hatte zu den extremistischen Gruppen Lotta Continua, Potere Operaio, il Manifesto und zu den Roten Brigaden Kontakt. Weil er einen Staatsstreich von rechts befürchtete, gründete er seine eigene Gruppe, die Gruppo d’Azione Partigiana (GAP). Die GAP sollte, wenn nötig, gewaltsame Mittel nutzen, um ihre politischen Ziele zu verwirklichen.

In Italien gibt es hauptsächlich drei Interpretationen der 68er Ereignisse:

  1. Sie sind ein Aufstand von Studenten aus kleinbürgerlichen Verhältnissen gegen die Globalisierung.
  2. Ein zweiter Deutungsversuch würdigt den sozio-kulturellen Wandel, den die 68er-Bewegung ausgelöst hat, ohne politische Konsequenzen zu erkennen.
  3. Der dritte Versuch einer Interpretation betrachtet den katholischen Dissens, die Meinungsverschiedenheiten unter Marxisten und nimmt den Blickwinkel des avantgardistischen Kinos ein.

Historiker betrachten die 68er in Italien als traumatischen Bruch zwischen Studenten und dem Bildungssystem. Die junge Generation sei von den staatlichen Institutionen enttäuscht worden.[41]

Siehe auch: Schlacht von Valle Giulia

Niederlande

Im Mai 1965 entstand in Amsterdam die Gruppe der Provos. Sie standen in der Tradition des Anarchismus und Surrealismus, wollten die Autonomie des Individuums fördern und Vereinnahmungsstrategien des modernen Kapitalismus durch fantasievolle, satirische und effektive Provokationen unterlaufen. Einige Vertreter waren schon in der Anti-Atomwaffen-Bewegung Ban de Bom der 1950er Jahre aktiv gewesen. Der Happening-Künstler Robert Jasper Grootveld prangerte die Versklavung des Menschen im Konsumismus an, etwa 1964 mit dem wöchentlichen Ritual des Anti-Rauch-Magiers um ein von einem Zigarettenhersteller gestiftetes Amsterdamer Standbild. Mit Weißen Plänen schlugen die Provos konkrete Verbesserungen im Alltagsleben vor, etwa kostenlose Fahrradverleihstationen für Amsterdams Innenstadt, das Besetzen und Umwandeln leerstehender oder abrissbedrohter Gebäude, Sexualaufklärung und -beratung sowie Neueinkleidung und Umerziehung der Amsterdamer Polizei. Damit reagierten sie auf den gewaltsamen Polizeieinsatz am 10. März 1966 gegen Störversuche mit Rauchbomben bei der Hochzeitsprozession von Prinzessin Beatrix und Claus von Amsberg. Danach nahm die Teilnahme an Provo-Aktionen rasch ab, so dass die Gruppe sich im Mai 1967 auflöste.

Die 1963 gegründete Studentenvakbeweging (SVB) versuchte, studentische Probleme wie fehlende Wohnungen und Stipendien, überfüllte Hörsäle usw. pragmatisch zu lösen. Später übernahm die SVB die Ideen der Kritischen Universität und der Räteuniversität vom Westberliner SDS, aber keine allgemeinpolitischen Ziele. Der Protest gegen den Vietnamkrieg blieb gering. Auf die Besetzung der Universität Tilburg und eines Gebäudes der Universiteit van Amsterdam im Mai 1969 hin beschloss die christlich-liberale Regierungskoalition 1970 eine relativ weitgehende Universitätsreform, die Studenten an allen Hochschulen des Landes mehr Mitbestimmung ermöglichte und die Leitungsgremien enthierarchisierte.

1969 entstand die Amsterdamer Kabouterbewegung. Auch sie setzte auf antiautoritäre und dezentrale Organisations- und Aktionsformen. Ihre Mitglieder bauten Kinderspielplätze auf brachliegenden Grundstücken, verschönerten Gebäude mit Blumenkästen und besetzten leerstehende Häuser. Im Februar 1970 erklärten sie den Oranje-Freistaat, im Juni 1970 gewannen sie fünf Sitze im Amsterdamer Gemeinderat. Provos und Kabouters waren im Milieu einer Gegenkultur verankert, gewaltfrei und wurden von den Behörden weitgehend toleriert. In den Niederlanden entstand demgemäß keine linksterroristische Gruppe.[45]

Österreich und Schweiz

In Österreich gab es den Wiener Aktionismus mit der Aktion Kunst und Revolution; außerdem die Arena 1976 und das WUK 1981, erstere als Nachfolgerin der Arena 1970 im Rahmen der Wiener Festwochen.

In der Schweiz kam es zu den Globuskrawallen. Stark waren Komponenten der 68er-Bewegung, die einen neuen Lebensstil propagierten und sich dabei auf die Volkskunde stützten. Gefördert wurde die Richtung vom Autor und Mythenforscher Sergius Golowin. Das Berner Diskussionspodium Junkere 37 war ein Kristallisationspunkt der Strömung.[46] In Zürich formierte sich hingegen eine Gegenbewegung: Im Herbst 1969 stimmten auf deren Betreiben die Studenten der Uni Zürich in einer Urabstimmung mit einer Dreiviertelmehrheit einer Regelung zu, gemäss welcher die Studentenräte, in welchen als Zwangskörperschaften alle Studenten verfasst waren, keine Äußerungen zu allgemeinen politischen Fragen mehr verlauten lassen durften.[47]

Die Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH) wurden im Zuge der 1968er-Studentenbewegung als kommunistische Partei gegründet.

Hauptartikel: Prager Frühling

1946 kam die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ) aus eigener Kraft an die Regierung.[48] Die Partei genoss wegen ihres aktiven Widerstands gegen die deutsche Besatzung unter Nichtkommunisten Anerkennung und übernahm im Februarumsturz von 1948 die ganze Macht im Staat. Sie versprach einen sozialistischen Weg, der den demokratischen Traditionen des Landes gerecht werden sollte. Aber nach Stalins Tod 1953 gab es innerhalb der Partei keine nennenswerten Kräfte, die eine Entstalinisierung unterstützt hätten. 1954 wurden slowakische Kommunisten wegen „bourgeoisem Nationalismus“ zu lebenslanger Haft verurteilt. Zwischen 1948 und 1954 soll es in der Tschechoslowakei bei einer Bevölkerung von 14 Millionen Menschen 150.000 politische Häftlinge gegeben haben. Vor allem Jugendliche und Intellektuelle protestierten gegen die fehlende Aufarbeitung des Stalinismus.[49]

 

Archiv für christlich-demokratische Politik (ACDP). Tony Kerpel

1960 erhielt das Land eine neue Verfassung. Aus der Tschechoslowakischen Republik wurde die Tschechoslowakische Sozialistische Republik.[50] Die neue Verfassung sollte den Sieg des Sozialismus verkünden. Die ideologischen Konsequenzen wirkten sich auf das reale Leben aus. Es gab jetzt weder Klassenkampf noch eine Diktatur des Proletariats. Staat und Partei wollten die Bedürfnisse der Bevölkerung erkennen und befriedigen. Allerdings wurde die kommunistische Partei von denselben Leuten geführt, die für das harte Vorgehen gegen Oppositionelle in den 1950er Jahren verantwortlich gewesen waren. Die vom 22. Parteitag der KPdSU im Oktober 1961 ausgehende Entstalinisierung geschah also halbherzig.[49]

Die neue Verfassung reduzierte die ohnehin geringen Kompetenzen der slowakischen Staatsorgane. Dies verschärfte die slowakisch-tschechischen Konflikte. Der tschechoslowakische Regierungschef Antonín Novotný wurde für nationalbewusste Slowaken in der Zeit bis zu seiner Entmachtung 1968 zu einer Reizfigur.[49]

Das größte politische Problem bestand darin, dass die Staatsführung rhetorisch Reformen zusicherte, obwohl sie stalinistische Strukturen konservierte. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre stand Novotnýs Macht auf tönernen Füßen. Dennoch wandte er sich gegen die seit 1964 von Wissenschaftlern geforderten Reformen des wirtschaftlichen und politischen Systems. Alexander Dubček stellte sich an die Spitze der Reformbewegung und wurde später zur Leitfigur des Prager Frühlings. In der osteuropäischen Region waren der Prager Frühling und seine Niederschlagung durch die Rote Armee der UdSSR Schlüsselereignisse, die auf Polen, Ungarn, Jugoslawien und Rumänien ausstrahlten. Im sowjetischen Machtbereich, dem Ostblock, fanden unter sehr verschiedenen Vorzeichen tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen statt.[51]

Die nur halbherzige Entstalinisierung der Tschechoslowakei, der slowakisch-tschechische Konflikt, Liberalisierung und Demokratisierung, sowie vor allem wirtschaftliche Reformen waren die Hauptthemen des Prager Frühlings. Warschauer-Pakt-Truppen schlugen diesen Versuch eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ am 21. August 1968 gewaltsam nieder.

Innerhalb des sozialistischen Lagers wurde das Vorgehen besonders scharf von Nicolae Ceaușescu kritisiert, dem Generalsekretär der Rumänischen Kommunistischen Partei und Vorsitzenden des Staatsrates von Rumänien.

Polen

 

24. Oktober 1956: Gomulkas Rede.

Hauptartikel: März-Unruhen 1968 in Polen

In Polen hatte Władysław Gomułka nach dem polnischen Oktober 1956 den Vorsitz der PVAP erlangt und einige Reformen zur Entstalinisierung eingeleitet, diese aber schrittweise wieder zurückgenommen und die Erwartung eines demokratischen Sozialismus enttäuscht. Namhafte Intellektuelle veröffentlichten im März 1964 den Brief der 34 gegen Zensur und wirtschaftlichen Niedergang. Sie wurden einer staatlichen Hetzkampagne ausgesetzt. Der innerparteiliche Richtungskampf verstärkte sich: Die konservativen Dogmatiker um General Mieczysław Moczar, Chef der polnischen Sicherheitsbehörden, begannen eine antisemitische Kampagne gegen Polens Reformkommunisten, unter denen Menschen jüdischer Herkunft und frühere Stalinisten waren.[52]

Am 30. Januar 1968 verboten die Behörden alle weiteren Aufführungen des Nationaldramas „Ahnenfeier“ von Adam Mickiewicz in Warschau, weil es dabei zu antirussischen Beifallsbekundungen gekommen war. Vor dem Denkmal des Autors versammelten sich daraufhin protestierende Studenten unter Adam Michnik. Ihre Resolution an den Sejm unterschrieben 3000 Polen. Der Schriftstellerverband kritisierte die Kulturpolitik der Gomułka-Regierung öffentlich scharf als diktatorisch. Als Staatssicherheitsmitglieder dessen Sprecher Stefan Kisielewski zusammenschlugen, weiteten sich die Proteste auf die Hochschulen aus. Am 9. und 11. März 1968 demonstrierten zehntausende Warschauer Studenten für die Aufhebung der Zensur und gegen Gomułka, lobten die tschechoslowakischen Reformen und wehrten sich acht Stunden lang gegen einen gewaltsamen Polizeieinsatz. Spontane Proteste gab es in vielen polnischen Großstädten. Die Staatsmedien verschwiegen diese und stilisierten die schon inhaftierten Adam Michnik und Karol Modzelewski zu Rädelsführern. General Moczar leitete eine antisemitische Kampagne gegen „aufwieglerische Zionisten“ ein und ermöglichte Gomułka, Konkurrenten und Gegner unter dem Vorwand, sie seien „Zionisten“, aus dem Staatsapparat zu entfernen. Das Staatsorgan Trybuna Ludu forderte eine „vollständige Säuberung“ Polens von angeblichen Feinden des Sozialismus, „Nihilismus“ und „Kosmopolitismus“. Am 24. März 1968 protestierte erstmals die traditionell staatstreue katholische Kirche Polens gegen die Kampagne; damit begann eine Annäherung zwischen Klerus und polnischer Intelligenz, die in den 1980er Jahren zum Erfolg der Solidarność beitrug. Am 28. März 1968 forderten nochmals 3000 Menschen ein Ende der Zensur, freie Gewerkschaften und eine staatsunabhängige Jugendbewegung. Das Regime ließ daraufhin ganze Universitätsfakultäten schließen. Ein Siebtel aller polnischen Studenten musste sich neu immatrikulieren; 34 verloren ihren Studienplatz. Insgesamt wurden 2739 Personen verhaftet, 890 davon länger als einen Tag. Unter dem Druck der Regierung wanderten bis Sommer 1969 mehr als 11.000 polnische Juden, vor allem Künstler und Intellektuelle, aus Polen aus. Anhänger der PVAP übernahmen ihre Wohnungen und beruflichen Stellungen.[53]

DDR

Hauptartikel: Opposition und Widerstand in der DDR

In der DDR war seit dem niedergeschlagenen Aufstand vom 17. Juni 1953 und dem Bau der Berliner Mauer 1961 kein offener, politisch organisierter Widerstand gegen die SED-Diktatur möglich. Gegen die 1962 eingeführte allgemeine Wehrpflicht ohne Möglichkeit einer Kriegsdienstverweigerung kam es nur zu vereinzelten Protesten. Der als Kompromiss eingeführte Bausoldatendienst in der Nationalen Volksarmee wurde ein wichtiger Ausgangspunkt für spätere DDR-Oppositionsgruppen.[54]

Das Protestpotential der Jugendkultur in der DDR zeigte sich in einer vielfältigen „Nischenkultur“, im Alltags- und Konsumverhalten. Die westliche Beat-, Pop- und Rockmusik wurde so populär, dass die Staatsführung zunächst mit Zugeständnissen reagierte. Beim Deutschlandtreffen der Jugend (Pfingsten 1964) durften rund 500.000 Besucher das eigens für die Beatmusik eingerichtete Radioprogramm DT64 hören. Die staatliche Schallplattenfirma Amiga brachte im Juni 1965 die erste Langspielplatte der Beatles in der DDR heraus. Im Oktober 1965 begann jedoch eine gelenkte Pressekampagne gegen „Gammler und ähnliche Elemente“. Der Rat der Stadt Leipzig zog eine Auftrittserlaubnis für rund 50 Amateurbands zum 31. Oktober 1965 kurzfristig zurück. Zwei Oberschüler riefen mit handgestempelten Flugblättern zum Protest dagegen auf. Die DDR-Staatssicherheit warnte die Schulleitungen vor einem bevorstehenden „Beataufstand“ und machte so den Protest erst publik. Rund 800 Fans fanden sich zur Leipziger Beatdemo ein. Ein enormes Polizeiaufgebot verprügelte sie, verhaftete 267 Jugendliche und zwang rund 100 davon zu Arbeitseinsätzen. Der „Beataufstand“ und die Krawalle in der West-Berliner Waldbühne beim Konzert der Rolling Stones am 15. September 1965 bewogen den Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht zu einer Kehrtwende der Kulturpolitik. Im Dezember 1965 verbot das 11. Plenum des ZK der SED alle Importe westlicher Beatmusik, Auftritte westlicher Bands und deren Nachahmung in der DDR.

Seitdem wurde die tschechoslowakische Hauptstadt Prag ein beliebtes Reise- und Urlaubsziel vieler DDR-Bürger. Dort konnten sie westliche Filme, Musik, Medien und Bücher konsumieren und Westbesuchern begegnen. Seit dem Prager Frühling begann in der DDR-Intelligenz eine Debatte über analoge Chancen eines humanen Sozialismus in der DDR. Reformkommunistische Texte wurden ins Deutsche übersetzt und illegal verbreitet. Das Ministerium für Staatssicherheit registrierte eine „Demokratisierungswelle“ an der Humboldt-Universität zu Berlin: Deren Studenten fühlten sich durch die tschechischen, polnischen, westdeutschen und französischen Studentendemonstrationen zu Schildern und Plakaten ermutigt, um eine Fehler- und Reformdiskussion in der SED anzustoßen. Beobachtet wurde auch die Evangelische Studentengemeinde in Ostberlin, die tschechoslowakische Redner eingeladen hatte.

Seit Mai 1968 erlaubten die DDR-Behörden Reisen in die Tschechoslowakei nur noch mit Visum und begannen eine Propagandakampagne gegen die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ). Daraufhin reisten große Mengen von DDR-Bürgern, Studenten, Lehrlingen und Arbeitern im folgenden Sommer nach Prag. Nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in die Tschechoslowakei protestierten in der DDR vor allem jüngere Arbeiter bei Betriebsaussprachen dagegen. An Autobahnbrücken, Häuserwänden, auf Flugblättern und in spontanen Sprechchören tauchten Parolen wie „Freiheit für Dubcek“ oder „Habt Mut zur Wahrheit“ auf. Bis Oktober 1968 bestrafte die DDR nach Eigenangaben 1.189 Personen wegen solcher verbotenen Sympathieäußerungen. Davon waren 75 % unter 30 Jahre alt; 8,5 % waren Schüler und Studenten. Einige Kinder hoher SED-Funktionäre erhielten mehrjährige Haftstrafen.[55]

Diese Proteste gelten als Vorläufer der friedlichen DDR-Revolution von 1989. Viele von deren Teilnehmern hatten die Niederschlagung des Prager Frühlings erlebt. Laut Bernd Gehrke entstanden „1967/68 neue oppositionelle Milieus, deren Kontinuität trotz mancherlei Veränderungen bis 1989 reichte“ und die zum „Träger immer wieder neuer und sich verändernder politischer Aktivitäten oder Gruppenbildungen“ wurden. Diese Opposition ging aus der „Vernetzung und partiellen Überlappung von Milieus der kritisch-marxistischen und christlichen Intelligenz sowie der subkulturellen Jugendbewegung hervor“.[56] In der DDR hofften viele Menschen auf ein Gelingen des Prager Frühlings. Nach seinem Scheitern kam es zu Protesten und Verhaftungen. Der Glaube an die Reformierbarkeit des realen Sozialismus schwand.[57]

Die meisten DDR-Bürger waren über die westdeutsche 68er-Bewegung gut informiert. Damals entstand die Blueserszene in der DDR, die Ende der 1970er Jahre auf ihrem Höhepunkt war. Die Tumulte an westdeutschen Universitäten lösten jedoch vielfach Unverständnis aus, so bei der späteren Bundeskanzlerin Angela Merkel, die die damalige Bundesrepublik als funktionierenden Sozialstaat ansah.[58]

Die 68er-Bewegung führte zu sozialen Veränderungen und bewirkte eine neue politische Kultur. Dazu gehörten die zunehmende Teilhabe von Minderheiten am öffentlichen Leben, sich verändernde Geschlechterrollen, sowie öffentliche Bekenntnisse zur Homosexualität. In Frankreich, Italien, der Bundesrepublik Deutschland und in den Vereinigten Staaten bildete sich eine außerparlamentarische Opposition.

Während die Aktivisten der 68er sich vielfach in autoritäre Organisationen wie die K-Gruppen verzweigten oder den „Langen Marsch durch die Institutionen“ antraten, übernahm die folgende Jugendgeneration, die sich im Studentenstreik 1976/77 als Alternativbewegung mit ihren verschiedenen politischen Gegenbewegungen bildete, die Protestformen und -mittel der 68er wie Flugblätter, alternative Radiostationen und Filmgruppen oder eigene Publikationsformen wie die Stattzeitungen.

Zur finanziellen Förderung von Alternativprojekten und später auch Hausbesetzerinitiativen gründeten 68er in Berlin 1978 die Netzwerk Selbsthilfe und den alternativen Sanierungsträger STATTBAU.

Für die internationale Verbreitung der 68er-Bewegung waren Pressebilder und das Fernsehen wichtig, also die für die damalige Zeit neuen Medien. Weltweit gab es eine fortschreitende Demokratisierung und Gründung von Nichtregierungsorganisationen. Die Politisierung der Privatsphäre wird den Protesten der 1968er Jahre zugeschrieben.[59]

Im Zeitgeist der 68er begünstigte die transnationale Struktur der katholischen Kirche die Entstehung der Befreiungstheologie. Das Zweite Vatikanische Konzil von 1962 bis 1965 forderte eine umfassende Erneuerung der Kirche. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der von Armut, Unterdrückung und Ungerechtigkeit geprägten Lebenssituation in Lateinamerika akzeptierte 1968 die Bischofskonferenz von Medellín die Idee von der Theologie der Armen.[60] Ähnliche Konzepte entwickelten sich in Südafrika und in Asien. Die aus der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung hervorgegangene „schwarze Theologie“ verstand sich als eine radikale Form der Befreiungstheologie.[61]

  • Don Kent (Regie): 1968 – Die globale Revolte (1/2) (1): „Die Welle“ (1965–1969) und (2): „Die Explosion“ (1970–1975), Frankreich, 2018, zwei Teile, zus. 190 Min.
  • 1968 mm – Sex und Rock-n-Roll. Regie: Jerry Rothwell, Felix Kriegsheim, Stefano Strocchi. Deutschland, 2017 (3 Folgen je 52–55 Min. 8mm-Filme aus privaten Archiven. Drei Folgen, Erstausstrahlung am 25. Mai 2018)
Historische Gesamtdarstellungen
  • Marianne Brentzel: 1968 – Bilanz eines Aufbruchs. Geest-Verlag, 2018, ISBN 3-86685-669-5.
  • Frank Deppe: 1968: Zeiten des Übergangs. Das Ende des »Golden Age«, Revolten & Reformbewegungen, Klassenkämpfe & Eurokommunismus, Hamburg 2018, ISBN 978-3-89965-794-4.
  • Detlef Siegfried: 1968. Protest, Revolte, Gegenkultur, Ditzingen 2018, ISBN 978-3-15-011149-9.
  • Richard Vinen: 1968 – Der lange Protest: Biografie eines Jahrzehnts. Übersetzung aus dem Englischen Martin Bayer, Heike Schlatterer. Piper, München 2018 (Original 2018).
  • Walter Gödden: 1968. Pop, Protest und Provokation. In 68 Stichpunkten. Ein Materialienbuch. Aisthesis, Bielefeld 2017, ISBN 978-3-8498-1238-6.
  • Wolfgang Kraushaar: Achtundsechzig: Eine Bilanz. Propyläen, 2008, ISBN 3-549-07334-8.
  • Stefan Bollinger: 1968 – die unverstandene Weichenstellung. Dietz, Berlin 2008, ISBN 3-320-02138-9.
  • Norbert Frei: 1968, Jugendrevolte und globaler Protest. dtv, München 2008, ISBN 978-3-423-24653-8.
  • Chris Harman: 1968. Eine Welt in Aufruhr. 2. Auflage, Edition Aurora, Frankfurt am Main 2008, ISBN 3-947240-12-0.
  • Jens Kastner, David Mayer (Hrsg.): Weltwende 1968? Ein Jahr aus globalgeschichtlicher Perspektive. Mandelbaum, Wien 2008, ISBN 978-3-85476-257-7.
  • Ingrid Gilcher-Holtey: 1968. Eine Zeitreise. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-518-12535-9.
  • Tobias Schaffrik, Sebastian Wienges (Hrsg.): 68er Spätlese – Was bleibt von 1968? LIT, Münster 2008, ISBN 3-8258-1433-5.
  • Martin Klimke, Joachim Scharloth (Hrsg.): 1968. Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung. Metzler, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-476-02066-6.
  • Rudolf Sievers (Hrsg.): 1968. Eine Enzyklopädie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-12241-X.
  • Carole Fink, Philipp Gassert, Detlef Junker (Hrsg.): 1968: The World Transformed. 2. Auflage, Cambridge University Press, 2003, ISBN 0-521-64637-5.
  • Ingrid Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung. Deutschland – Westeuropa – USA. 5. Auflage, Beck, München 2017, ISBN 3-406-47983-9.
  • Wolfgang Kraushaar: 1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur. Hamburger Edition, Hamburg 2000, ISBN 3-930908-59-X.
  • Ingrid Gilcher-Holtey: 1968 – Vom Ereignis zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3-525-36417-2.
  • Christoph Marx, Markus Hattstein: Imagine. Die 68er und die Weltrevolution. Konrad Theiss Verlag, Darmstadt 2018. ISBN 978-3-8062-3708-5.
  • Christina von Hodenberg: Das andere Achtundsechzig. Gesellschaftsgeschichte einer Revolte. C.H. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-71971-4.
  • Werner Thole, Leonie Wagner, Dirk Stederoth (Hrsg.): ‚Der lange Sommer der Revolte‘. Soziale Arbeit und Pädagogik in den frühen 1970er Jahren. Springer VS, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-28178-6.
  • Bruno Heidlberger: Wohin geht unsere offene Gesellschaft? „1968“ – Sein Erbe und seine Feinde. Logos Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-8325-4919-0.
Biographisches
  • Gretchen Dutschke: 1968. Worauf wir stolz sein dürfen. kursbuch.edition, Hamburg 2018, ISBN 978-3-96196-006-4.
  • Ulrike Heider: Keine Ruhe nach dem Sturm. 2. Auflage, Bertz und Fischer, 2018, ISBN 3-86505-259-2.
  • Karin Wetterau: 68 – Täterkinder und Rebellen. Familienroman einer Revolte. Aisthesis, Bielefeld 2017, ISBN 978-3-8498-1168-6.
  • Karla Verlinden: Sexualität und Beziehungen bei den »68ern«. Erinnerungen ehemaliger Protagonisten und Protagonistinnen. Transcript, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-8376-2974-3.
  • Stefanie Pilzweger: Männlichkeit zwischen Gefühl und Revolution. Eine Emotionsgeschichte der bundesdeutschen 68er-Bewegung. Transcript, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-8376-3378-8.
  • Götz Aly: Unser Kampf 1968 – ein irritierter Blick zurück. Fischer, Frankfurt am Main 2008, ISBN 3-596-17778-2.
  • Philipp Gassert, Martin Klimke (Hrsg.): 1968: Memories and Legacies of a Global Revolt. Bulletin of the German Historical Institute, Supplement 6/2009, Washington DC 2009, ISSN 1048-9134.
  • Gerd Koenen: Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution. 1967–1977. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-02985-1.
Ideologisches
  • Manuel Seitenbecher: Mahler, Maschke & Co. Rechtes Denken in der 68er Bewegung. Schöningh, Paderborn 2013, ISBN 978-3-506-77704-1.
  • Jens Benicke: Von Adorno zu Mao. Über die schlechte Aufhebung der antiautoritären Bewegung. ça ira, Freiburg 2010, ISBN 978-3-924627-83-6.
  • Friedrich Koch: Sexualität und Erziehung. Zwischen Tabu, repressiver Entsublimierung und Emanzipation. In: Jahrbuch für Pädagogik 2008: 1968 und die neue Restauration. Frankfurt am Main 2009, S. 117 ff.
  • Detlef Siegfried: Furor und Wissenschaft. Vierzig Jahre nach „1968“. In: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History. 5, 2008, S. 130–141.
  • Stefan Hemler: Der Protest einer generationellen Sozialbewegung. Überlegungen zu Erklärungsansätzen für ‘1968’. In: Jörg Calließ (Hrsg.): Die Reformzeit des Erfolgsmodells BRD. Die Nachgeborenen erforschen die Jahre, die ihre Eltern und Lehrer geprägt haben. Evangelische Akademie Loccum, Rehburg-Loccum 2004, ISBN 3-8172-1903-2, S. 235–262.
  • Hanno Balz: Die janusköpfige Revolte: Das globale 1968 zwischen Genealogie und Fortschreibung. In: Sozial. Geschichte Online 5. 2011, abgerufen am 30. August 2015 (PDF).
Einzelregionen
  • Claus-Jürgen Göpfert, Bernd Messinger: Das Jahr der Revolte – Frankfurt 1968. Schöffling, Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-89561-665-5.
  • Georg Weber (Hrsg.): Rebellion unter Laubenbögen. Die Berner 1968er Bewegung. Zytglogge, Basel 2017, ISBN 978-3-7296-0960-0.
  • Johannes Grötecke, Thomas Schattner: „Der Freiheit jüngstes Kind“. „1968“ in der Provinz. Spurensuche in Nordhessen. Jonas, Marburg 2011, ISBN 978-3-89445-453-1.
  • Udo Benzenhöfer: Das kleine 68: Proteste von Medizinstudenten in Frankfurt am Main um 1968. Mit einem Beitrag des ehemaligen Frankfurter AStA-Vorsitzenden Hans-Jürgen Birkholz. Klemm + Oelschläger, Münster 2011, ISBN 978-3-86281-017-8.
  • Martin Klimke: The Other Alliance: Student Protest in West Germany and the United States in the Global Sixties. Princeton University Press, 2011, ISBN 0-691-15246-2.
  • Bilgin Ayhan: Die 68er Bewegung in der Türkei und BRD im Vergleich: Ein theoretischer Vergleich der 68er Bewegungen. VDM, Saarbrücken 2009, ISBN 978-3-639-14360-7.
  • Norbert Kozicki: Aufbruch in NRW. 1968 und die Folgen. Klartext, Essen 2008, ISBN 978-3-89861-956-1.
  • Karl Stankiewitz: München ’68. Traumstadt in Bewegung. Volk Verlag, München 2008, ISBN 978-3-937200-46-0.
  • Stefan Wolle: Der Traum von der Revolte. Die DDR 1968. Links, Berlin 2008, ISBN 978-3-86153-469-3.
  • Michael Schmidtke: Der Aufbruch der jungen Intelligenz: Die 68er Jahre in der Bundesrepublik und den USA. Campus, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-593-37253-3.
Fotografien
  • Michael Ruetz: 1968 – Ein Zeitalter wird besichtigt. 323 Photographien mit Texten von Rolf Sachsse u. a. Zweitausendeins, 1997, ISBN 3-86150-248-8.

 

Wikiquote: 68er-Bewegung – Zitate

 

Commons: Demonstrationen und Proteste im Jahr 1968 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

 Wiktionary: Achtundsechziger – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

  • Neue Linke und Studentenbewegung Publikation von Axel Schildt für die Bundeszentrale für politische Bildung.
  • Dossier zur 68er-Bewegung der Bundeszentrale für politische Bildung.
  • Bücher zum Themenkomplex „1968“ im Spiegel der Kritik (PDF; 438 kB) Auswahlbibliografie und Sammlung von Rezensionen, Stand: 2. November 2018.
  • Thomas Etzemüller: Imaginäre Feldschlachten? „1968“ in Schweden und Westdeutschland. In: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History 2, 2005, S. 202–223.
  • Der Zürcher Sommer 1968. Digitale Edition des Deutschen Seminars der Universität Zürich.
  • 1968 in der deutschen Literaturwissenschaft (Webprojekt auf literaturkritik.de unter dem Menüpunkt Archiv/Sonderausgaben, Laufzeit 2018–2020, Konzeption und Herausgeberin: Sabine Koloch).

  1. Norbert Frei: 1968. Jugendrevolte und globaler Protest. Neuausgabe, München 2017, S. 209–213.
  2. Rainer Böhme: Revolution des Alters: Die 68er gehen in Rente. Bundeszentrale für politische Bildung, 25. März 2008, abgerufen am 8. Februar 2016. 
  3. Stefan Hemler: Soziale Bewegung oder Generationskonflikt? Ein Schlichtungsvorschlag im Deutungskampf um 1968. In: Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik. Band 42, 164 H. 4, 2003, ISBN 3-8100-2440-6, S. 32–40. 
  4. 1968 – Alles nur Geschichte? (PDF) In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen. September 2008, S. 5, 21, abgerufen am 11. November 2015. 
  5. Immanuel Wallerstein: Utopistik. Historische Alternativen des 21. Jahrhunderts. Wien 2002, ISBN 3-85371-184-7. 
  6. Marcel van der Linden: 1968: Das Rätsel der Gleichzeitigkeit. In: Jens Kastner, David Mayer (Hrsg.): Weltwende 1968? Ein Jahr aus globalgeschichtlicher Perspektive. Mandelbaum, Wien 2008, ISBN 978-3-85476-257-7, S. 23–37. 
  7. Jens Kastner, David Mayer: Weltwende 1968? Ein Jahr aus globalgeschichtlicher Perspektive. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 15. Februar 2016; abgerufen am 11. November 2015. 
  8. Michael Heinrich: Kommentierte Literaturliste zur Kritik der politischen Ökonomie. In: Elmar Altvater, Rolf Hecker, Michael Heinrich, Petra Schaper-Rinkel (Hrsg.): Kapital.doc. Münster 1999, S. 188–220 (online [PDF; abgerufen am 9. Februar 2016]). 
  9. Zeitstrahl zum Podium 1968 international. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) 2008, archiviert vom Original am 1. Oktober 2015; abgerufen am 30. August 2015. 
  10. Der Traum vom Amerika ohne Rassenschranken. Abgerufen am 30. August 2015. 
  11. The Court’s Decision. Separate Is Not Equal. Abgerufen am 30. August 2015. 
  12. 1. Dezember 2005: Vor 50 Jahren. Rosa Parks gibt Anstoß für Busboykott in den USA. In: Zeitgeschichtliches Archiv-WDR.de. Abgerufen am 30. August 2015. 
  13. Michael Wayne: Imagining Black America. Yale University Press, New Haven und London 2014, ISBN 978-0-300-19781-5, S. 65 (abgerufen über De Gruyter Online).
  14. Natalie J. Ring: Jim Crow. In: Nikki L. M. Brown, Barry M. Stentiford (Hrsg.): The Jim Crow Encyclopedia. Greenwood Milestones in African American History. Greenwood Press, Westport 2008, S. 416 ff.; Karlos K. Hill: Lynching. In: ebenda, S. 485–491.
  15. Steven Pinker: Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-596-19229-8 (1211 S., online [abgerufen am 9. Februar 2016] englisch: The better angels of our nature. Übersetzt von Sebastian Vogel). 
  16. 1968: Martin Luther King ermordet. In: ag-friedensforschung.de. Abgerufen am 30. August 2015. 
  17. About the USA. In: usembassy.de. Abgerufen am 30. August 2015. 
  18. Hanno Balz: Die janusköpfige Revolte: Das globale 1968 zwischen Genealogie und Fortschreibung. (PDF) In: Sozial. Geschichte Online 5. 2011, abgerufen am 30. August 2015. 
  19. Bill Davidson: Die Freiheitsstatue abreissen. In: Der Spiegel. Nr. 14, 1968 (online). 
  20. Spätfolgen des Chemiewaffeneinsatzes im Vietnamkrieg. In: agentorange-vietnam.org. Abgerufen am 30. August 2015. 
  21. Der Vietnamkrieg. Eine Chronologie. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 2. Oktober 2015; abgerufen am 30. August 2015. 
  22. David Taylor: The Lyndon Johnson tapes: Richard Nixon's 'treason'. In: BBC. 22. März 2013, abgerufen am 15. April 2019 (englisch). 
  23. A demonstration during the Vietnam War, USA, 1968. In: gettyimages.de. Abgerufen am 30. August 2015. 
  24. ↑ a b Dossier Lateinamerika. Politische Geschichte Mexikos. Bundeszentrale für politische Bildung, abgerufen am 30. August 2015. 
  25. Vom mexikanischen Wunder zum blutigen Alptraum. Abgerufen am 30. August 2015. 
  26. Humboldt-Themenarchiv: 68er-Revolten und vierzig Jahre danach. In: goethe.de. Abgerufen am 30. August 2015. 
  27. Blutige Proteste in Mexiko-Stadt: Das Massaker von Tlatelolco. In: Spiegel Online. 2. Oktober 2014, abgerufen am 30. August 2015. 
  28. Memorial del 68. In: deutschlandradiokultur.de. Abgerufen am 30. August 2015. 
  29. Norbert Frei: 1968. München 2017, S. 154–164.
  30. Stefan Ulrich: Frankreichs Kommunisten trennen sich von Hammer und Sichel. In: sueddeutsche.de. Abgerufen am 30. August 2015. 
  31. György Széll: 1968 und die Sozialwissenschaften. (PDF) Abgerufen am 28. August 2015. 
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  33. ↑ a b Alte Linke – Neue Linke? Die sozialen Kämpfe der 1968er in der Diskussion. (PDF) In: Rosa-Luxemburg-Stiftung Texte 57. Peter Birke, Bernd Hüttner, Gottfried Oy, S. 23 f., 117 f., abgerufen am 28. August 2015. 
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