Wie viel Prozent der Kinder in Deutschland gehen zur Schule?

Karlsruhe/Berlin.  Paul (11), Lisa (10) und Anna (7) aus Karlsruhe stehen wochentags zwischen 9 und 11 Uhr auf, machen sich im Schlafanzug allein Frühstück – und gehen dann auf ihre Zimmer zum Lernen. Sie lernen, was sie sich ausgesucht haben. Den Lehrplan aus Latein, Informatik bis Kleintierzucht haben sie mit ihrem Vater Rainer G. zusammengestellt. Paul, Lisa und Anna gehören zu den rund 1000 sogenannten Freilernern in Deutschland. Kinder, die von ihren Eltern zu Hause unterrichtet werden.

Heimunterricht steht in einem schlechten Ruf. Eltern, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken, gelten oft als religiöse Fundamentalisten, die ihre Kinder von „Teufelszeug“ wie der Evolutionstheorie oder dem gemischten Sportunterricht fernhalten wollen.

Und so geschieht Heimunterricht auch gegen den Willen des Staates. Die Gesetzeslage ist eindeutig. In Deutschland herrscht Schulpflicht, betont der Sprecher der Kultusministerkonferenz, Torsten Heil. „Kommen die Erziehungsberechtigten dieser Pflicht nicht nach, können Bußgelder verhängt werden“, sagt Heil. Im schlimmsten Fall droht der Entzug des Sorgerechts. So wie bei dem Elternpaar Wunderlich aus der Nähe von Darmstadt, denen das Jugendamt 2013 vorübergehend ihre vier Kinder entzog. Der Heimunterricht ist daher eine Schattenwelt. Die Kinder lernen im Verborgenen.

Wie es dem dreifachen Vater Rainer G. in seinem Einzelfall gelingt, seine Kinder zu Hause zu behalten, möchte er nicht verraten, sagt aber, es gebe viele Möglichkeiten. Der Soziologe Thomas Spiegler, der für eine Studie 100 Freilerner-Familien besuchte und über ihre Absichten und ihren Alltag lernte, kennt sie. „Manche Eltern verlegen ihren offiziellen Wohnsitz ins Ausland, wieder andere klagen sich durch alle Instanzen, was meistens Jahre dauert – und dann ist die Schulzeit für das Kind oft schon beendet“, erklärt er.

Doch immer mehr Befürworter trauen sich aus dem Schatten: Schulfreibewegungen formieren sich über die sozialen Plattformen, sogar ein Festival für Freilerner ist demnächst geplant. Ihre Zahl, so sprechen die Lobbyisten der Bewegung nur inoffiziell, soll sich seit dem Jahr 2008 vervierfacht haben.

Eltern setzen auf Werte, Wissen und Wohlergehen

Soziologe Spiegler widerspricht dem Klischee, heimerziehende Eltern seien allesamt religiös verquere Eigenbrötler. „Im Rahmen meiner Studie habe ich ‚Homeschooler‘ aus sehr unterschiedlichen Bereichen kennengelernt, vom konservativ-religiös geprägten Milieu bis hin zu denen mit reformpädagogisch-alternativer Orientierung.“

Laut Spiegler könne man die Motive der Eltern auf drei Schlagworte herunterbrechen: Werte, Wissen, Wohlergehen. Vereine wie die Freilerner-Solidargemeinschaft argumentieren, dass nicht alle Kinder für die Schule geeignet seien, und wehrt sich dagegen, schulunwillige Kinder zu pathologisieren. Der Verein unterstützt Eltern, die „ein Nein ihrer Kinder akzeptieren“. Vorreiter der Freilernbewegung ist sicherlich auch der Sänger Angelo Kelly (34), Mitglied der bekannten Familie, der mit seiner Frau und den fünf Kindern von Deutschland nach Irland zog, um der deutschen Schulpflicht zu entgehen. „Ich war nicht in der Schule. Für mich war das eine gute Erfahrung“, erzählte der Vater in einer TV-Sendung. Auch für den Vater Rainer G., der Paul, Lisa und Anna zu Hause behält, spielte anfangs das Misstrauen in das Schulsystem eine Rolle. Heute stelle er immer wieder fest, dass seine Kinder besser lesen als die meisten in ihrem Alter. „Mein ältester Sohn Paul hat mit elf Jahren zum Beispiel den Klassiker ‚Herr der Fliegen‘ gelesen. Wir führen eine Liste, seitdem er neun Jahre alt ist, und kommen auf 35.000 Seiten, die er seitdem gelesen hat.“ Heutzutage, sagt der selbstständige Informatiker, gebe es hervorragendes Lehrmaterial im Internet. Von seinen Kindern verlangt er, dass sie am Vormittag ihre selbst gewählten Fächer abarbeiten, um sich dann nachmittags ihrer Freizeit oder ihren Vereinsmitgliedschaften widmen zu können.

Das Abitur kann extern abgelegt werden

Könnten seine Kinder nicht ohne Abschluss Probleme bekommen? Rainer G.: „In Deutschland kann man das Abitur per externer Prüfung machen.“ Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes, hat indes für Heimunterricht kein Verständnis. „Beim Homeschooling lernen die Kinder keine andere Autoritätsperson und keinen anderen Wissensvermittler kennen als die eigenen Eltern“, sagt er.

An mangelnder Reibung und Kontakt mit außen fehle es seinem Sohn Paul nicht, ist sich Rainer G. sicher. Sein Sohn sei in acht Vereinen Mitglied, darunter Schach, Tanzen, Roboterprogrammieren.

Rund ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland haben einen sogenannten Migrationshintergrund – mehr als 70 Prozent von ihnen sind Deutsche. Wie steht es um ihre Startbedingungen und Bildungschancen? Wie schneiden sie im Vergleich zu den Mitschülern ohne Migrationsbezüge ab?

Kinder mit "Migrationshintergrund"Wer die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt oder mindestens einen Elternteil hat, bei dem das der Fall ist, hat einen "Migrationshintergrund". Quelle: Statistisches Bundesamt (2020): Mikrozensus leben häufiger in Familien mit geringem Einkommen. Laut Mikrozensus lebt rund ein Drittel der unter 18-Jährigen mit Migrationshintergrund in Familien, die von Armut gefährdet sind. Unter Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund sind es rund 12 bis 13 Prozent.QuelleStatistisches Bundesamt (2020): "Ergebnisse des Mikrozensus 2019", Fachserie 1 Reihe 2.2, S. 341

Aus dem Mikrozensus geht zudem hervor, dass selbst ein guter Schulabschluss nicht unbedingt vor Armut schützt: So bleibt die ArmutsgefährdungsquoteDefiniert den Anteil der Personen, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens der Gesamtbevölkerung beträgt. bei Menschen aus Einwandererfamilien selbst dann hoch (20,4 Prozent), wenn sie Abitur haben. Sie liegt damit sogar deutlich höher als bei Hauptschulabsolventen ohne Migrationshintergrund (16,2 Prozent).QuelleStatistisches Bundesamt (2020): "Ergebnisse des Mikrozensus 2019", Fachserie 1 Reihe 2.2, S. 342

Frühkindliche Bildung meint die institutionelleZu den wichtigsten Angeboten der frühkindlichen Bildung gehören Einrichtungen wie Kindergärten, -tagesstätten und -krippen und die Kindertagespflege bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater. Bildung von Kindern von ihrer Geburt bis zum Schulalter. Nach dem "PISA-Schock"Die erste PISA-Studie von 2001 bescheinigte den Schülern in Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Staaten ein schlechtes Abschneiden. Zudem stellte sie einen überdurchschnittlich hohen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulleistung fest. setzte sich in Politik, Wissenschaft und Medien die FormelSiehe hierzu etwa Artikel "Herkunft und Bildungserfolg von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter", in: Sonderheft der Zeitschrift für Erziehungswissenschaften, Band 24, 2014, S. 98f  durch: Je früher der Eintritt ins Bildungssystem, desto größer die Chance auf einen späteren Bildungserfolg.

So fasst etwa der SVR zusammen: Wenn Kinder bis zu ihrem dritten Lebensjahr eine Krippe besucht haben, vergrößert sich die statistische Wahrscheinlichkeit, später ein Gymnasium zu besuchen, um fast 40 Prozent. Bei Kindern mit Migrationshintergrund erhöhe sie sich sogar um rund 55 Prozent. Besonders Kinder, die zuhause kein Deutsch lernen, könnten von einem frühen Kitabesuch profitieren.QuelleSVR- Jahresgutachten 2010, S. 153 f; Policy Brief des SVR-Forschungsbereichs "Hürdenlauf zur Kita", 2013, S. 3 ff; SVR-Jahresgutachten  2017, S. 121.

Einige ForscherSiehe hierzu etwa Artikel "Herkunft und Bildungserfolg von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter", in: Sonderheft der Zeitschrift für Erziehungswissenschaften, Band 24, 2014, S. 111. merken an: Frühkindliche Bildung wirke nicht per se, sondern nur, wenn sie qualitativ hochwertig und der Betreuungsschlüsselalso wie viele Erzieher für wie viele Kinder zur Verfügung stehen gut sei. Andere betonen, dass der Bildungsauftrag den Schulen und nicht den Kindertagesstätten obliege.

2021 hatten laut Mikrozensus rund 1,6 Millionen Kinder unter fünf Jahren einen "Migrationshintergrund"Wer die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt oder mindestens einen Elternteil hat, bei dem das der Fall ist, hat einen "Migrationshintergrund". Quelle: Statistisches Bundesamt (2022): Mikrozensus. Das entspricht etwa 40 Prozent aller unter Fünfjährigen in Deutschland. Der Anteil der Kinder aus Einwandererfamilien nimmt zu: 2011 waren es noch rund 33 Prozent.QuelleStatistisches Bundesamt (2022): "Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Ergebnisse des Mikrozensus 2021", Fachserie 1 Reihe 2.2, S.65; Statistisches Bundesamt (2017): "Ergebnisse des Mikrozensus 2011, Fachserie 1 Reihe 2.2, S. 35f.; Zur Vergleichbarkeit werden die Zahlen zum Migrationshintergrund "im engeren Sinn" verwendet

Dabei gibt es große regionale Unterschiede: So hat in einigen westdeutschen Ballungszentren mehr als die Hälfte der unter Sechsjährigen eine Migrationsgeschichte. Das zeigen eine Sonderauswertung des Mikrozensus aus dem Jahr 2011 und statistische Angaben von Städten.QuelleStatistisches Bundesamt (2013): Bevölkerung nach Migrationsstatus regional, Ergebnisse des Mikrozensus 2011, S. 10-36; vgl Kölner Statistische Nachrichten 1/2019, S. 40, Statistisches Jahrbuch 2018, 95. Jahrgang: Bevölkerung und Haushalte; Stadt Stuttgart: Einwohner gesamt und mit Migrationshintergrund nach Altersgruppen; die Erhebungen des Migrationshintergrunds können voneinander abweichen, die Daten sind deshalb nur bedingt miteinander vergleichbar .

Im März 2020 besuchten 21 Prozent der unter Dreijährigen mit MigrationshintergrundEin Kind hat laut Mikrozensus einen Migrationshintergrund, wenn es selbst die deutsche Staatsbürgerschaft nicht durch Geburt besitzt oder das auf mindestens ein Elternteil zutrifft. eine Kita. Bei Kindern ohne Migrationshintergrund traf das auf 43 Prozent zu.QuelleStatistisches Bundesamt (2021): "Betreuungsquote von Kindern unter 6 Jahren mit und ohne Migrationshintergrund in Kindertagesbetreuung"

Bei den Drei- bis Sechsjährigen nahmen 81 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund einen Kita-Betreuungsplatz in Anspruch. Nach Hochrechnung des Mikrozensus traf das auf 99 Prozent der Kinder ohne Migrationshintergrund zu.QuelleStatistisches Bundesamt (2021): "Betreuungsquote von Kindern unter 6 Jahren mit und ohne Migrationshintergrund in Kindertagesbetreuung"

Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund an allen2019 besuchten rund 3,8 Millionen Kinder eine Kita. Kita-Kindern ist in den vergangenen zehn Jahren gestiegen: Machten Kinder mit Migrationshintergrund 2007 rund 23 Prozent aller Kita-Kinder aus, waren es 2019 etwa 28 Prozent.QuelleStatistisches Bundesamt (2020): "Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe: Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderterKindertagespflege am 01.03.2020", S. 39, eigene Berechnung; Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2018): "Bildung in Deutschland 2018", S. 74

Seit dem 1. August 2013 besteht für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr ein RechtsanspruchSiehe hierzu Sozialgesetzbuch § 24 SGB VIII und Eintrag "Das Kinderförderungsgesetz (KiföG)" auf der Website des Bundesfamilienministeriums auf einen Betreuungsplatz in einer öffentlich geförderten Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflege. Das gilt unabhängig davon, ob die Eltern berufstätig sind oder nicht.

Ob Kinder in einer Kita betreut werden, hängt weniger mit der Herkunft der Eltern zusammen als mit ihrem Bildungsstand. Das zeigt eine Untersuchung des SVR-Forschungsbereichs:

  • Bei allen anderen Eltern hängt die Betreuungsquote vor allem mit der Schulbildung zusammen: Je höher der Bildungsabschluss, desto eher entscheiden sich die Eltern für eine Betreuung in der Kita.
  • Nur Eltern, die selbst eingewandert sind, lassen ihre Kleinkinder besonders häufig zuhause. Das liegt daran, dass sie wenig Erfahrung mit dem deutschen Bildungssystem haben oder andere Erwartungen an die Betreuung und den Eintrittszeitpunkt in die Kita. Weitere Hürden sind fehlende mehrsprachige Angebote oder die Entfernung der Kitas.QuelleSVR-Forschungsbereich (2013): Policy Brief "Hürdenlauf zur Kita" S. 3f., 7; vergleiche auch: Jessen, Spieß et al. (2020): "Gründe für unterschiedliche Kita-Nutzung von Kindern unter drei Jahren sind vielfältig", DIW Wochenbericht 14/2020

Eltern mit Migrationshintergrund wünschen sich fast genauso oft wie andere Eltern, dass ihre Kinder in einer Kita betreut werden. Aber es fehlt an guten Angeboten. Das zeigt eine Studie des DIW Berlin. Um das zu ändern, müssten den Autor*innen der Studie zufolge nicht nur mehr Kita-Plätze verfügbar sein. Auch die Anmeldung müsste leichter werden, die Kosten für die Betreuung sinken und mehr mehrsprachige Erzieher*innen in den Kitas arbeiten.QuelleJessen, Spieß et al. (2020): "Gründe für unterschiedliche Kita-Nutzung von Kindern unter drei Jahren sind vielfältig", DIW Wochenbericht 14/2020

Dass der Bedarf nach einem Kitaplatz bei Familien mit und ohne Migrationshintergrund etwa gleich hoch ist, zeigte 2021 auch eine Studie für Berlin. Es gebe mehrere Gründe, warum Kinder mit Migrationshintergrund dennoch seltener eine Kita besuchen: Eltern mit Migrationshintergrund sind deutlich seltener erfolgreich bei Kita-eigenen Vergabeverfahren. Außerdem fehlen in manchen Stadtteilen deutlich mehr Kitaplätze. Das treffe wohl besonders "bildungsferne" Familien, so die Studie.QuelleResearch Institut on Lifelong Learning / Kitastimme (2021): "Entwicklung frühkindlicher Bildungsbedarfe in Berlin: Vom Platzmangel zu Bildungschancen", Seite 14 und Seite 18

Wie viele Schüler in Deutschland einen "Migrationshintergrund"Wer die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt oder mindestens einen Elternteil hat, bei dem das der Fall ist, Quelle: Statistisches Bundesamt (2022): Mikrozensus. haben, ist nicht ohne Weiteres zu beantworten. Denn die Datenlage ist lückenhaft und die Ergebnisse sind häufig nicht miteinander vergleichbar.

  • Laut Mikrozensus hatte 2021 über ein Drittel (rund 39 Prozent) der Schüler*innen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Die Daten des Mikrozensus basieren jedoch nicht auf der amtlichen Schulstatistik, sondern auf einer repräsentativen Befragung von rund 810.000 Personen. Die Ergebnisse werden hochgerechnet.QuelleStatistisches Bundesamt (2022) "Ergebnisse des Mikrozensus 2020", Fachserie 1 Reihe 2.2, S. 49, eigene Berechnung; Statistisches Bundesamt (2019): Was ist der Mikrozensus?
  • In der bundesweiten Schulstatistik ist der "Migrationshintergrund" keine Kategorie. Zwar hat die Kultusministerkonferenz schon 2005 beschlossen, den "Migrationshintergrund" in der Schulstatistik zu erfassen, doch bisher hat nur ein Teil der Bundesländer diesen Beschluss umgesetztDer Migrationshintergrund wird über freiwillige Angaben zur Staatsbürgerschaft, Geburtsland und/oder Herkunftssprache erfasst, siehe Definitionenkatalog der KMK (2018). Die Bundesländer erheben das unterschiedlich.. In der bundesweiten Schulstatistik gibt es nur Daten zu Schüler*innen mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Demnach hatten im Schuljahr 2020/2021 von den rund 10,9 Millionen Schüler*innen in Deutschland 1,3 Millionen keinen deutschen Pass. Das entspricht einem Anteil von 12,1 Prozent.QuelleStatistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 115 vom 11. März 2021

Häufig werden Angaben zum Schulerfolg ausländischer Schüler*innen auf die Gesamtgruppe der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund bezogen. Das kann jedoch zu falschen Interpretationen führen. So schneiden Schüler*innen mit Migrationshintergrund, die selbst in Deutschland geboren sind, bei Schulvergleichsstudien besser ab als Kinder, die im Ausland geboren sind. In manchen Herkunftsgruppen erzielten sie sogar bessere Ergebnisse als Deutsche ohne Migrationshintergrund.QuelleSachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (2020): "Ungleiche Bildungschancen", S. 1; OECD (2019): Ländernotiz Deutschland, PISA 2018 Ergebnisse, S. 7

Zur Frage, welche Abschlüsse Schüler*innen mit "Migrationshintergrund"Wer die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt oder mindestens einen Elternteil hat, bei dem das der Fall ist, hat einen "Migrationshintergrund". eines bestimmten Jahrgangs in Deutschland machen, liegen keine Daten vor. Zahlen gibt es zu folgenden zwei Fragen: 1. Welche Abschlüsse hat die Bevölkerung mit Migrationshintergrund? 2. Welche Schulabschlüsse erreichen ausländische Schulabgänger*innen?

Abschlüsse nach Migrationshintergrund

Hinweise zu den Schulabschlüssen von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund liefert der Mikrozensus. Er zeigt, welches die höchsten Schulabschlüsse der Bevölkerung in bestimmten Altersgruppen sind.QuelleStatistisches Bundesamt (2022): "Ergebnisse des Mikrozensus 2020", Fachserie 1 Reihe 2.2, S. 185f.

Abschlüsse ausländischer Schüler*innen

Die Schulstatistik gibt an, mit welchem Abschluss Jugendliche mit und ohne deutschen Pass von der Schule abgehen:

Ausländische Schüler*innen erreichen seltener das Abitur und brechen die Schule häufiger ab als Mitschüler*innen mit deutschem Pass. Das schlechtere Abschneiden ist laut Fachleuten vor allem auf Benachteiligungen im Bildungssystem zurückzuführen: Zum einen sind die Ausgangsbedingungen von Menschen ohne deutschen Pass oft schlechter als die von deutschen Staatsbürger*innen. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn sie erst in der Schule Deutsch lernen. Zum anderen sind sie oft von Diskriminierung betroffen. Die zweite Generation schneidet in der Schule schon deutlich besser ab.Quellevgl. SVR (2020): "Ungleiche Bildungschancen. Fakten zur Benachteiligung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bilungssystem"

Der Schulerfolg junger Menschen mit Migrationshintergrund hat sich in den letzten Jahren verbessert. Das zeigt der Lagebericht der Integrationsbeauftragten des Bundes. Der Bericht vergleicht Daten zu den Schulabschlüssen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus den Jahren 2017 und 2007. Die zeigen:

  • Das Abitur oder die Fachhochschulreife hatten 2017 etwa 19 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund – eine Steigerung von elf Prozentpunkten im Vergleich zu 2007. Auch der Anteil von Jugendlichen mit mittleren Abschlüssen nahm zu.
  • Demgegenüber hat die Zahl derjenigen, die einen Hauptschulabschluss haben, um rund 20 Prozentpunkte abgenommen.
  • Der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund ohne Abschluss hat um 5 Prozentpunkte zugenommen. Ob das daran liegt, dass unter den Jugendlichen mehr Geflüchtete sind, die etwa erst Deutsch lernen müssen, ist dem Bericht zufolge noch nicht klar. Quelle12. Bericht der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, 2019, Tabelle 19, S. 148, nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, Sonderauswertung des Mikrozensus.

Der Anteil von Schüler*innen mit Migrationshintergrund an Gymnasien steigt. Das geht aus dem Bildungsbericht 2018 hervor. 2015 hatte an rund 36 Prozent der untersuchten Gymnasium mindestens jede*r vierte Schüler*in einen MigrationshintergrundDefiniert nach mindestens einem im Ausland geborenen Elternteil (Siehe Autorengruppe Bildungsbericht (2018): "Bildung in Deutschland" 2018, S. 93). Zum Vergleich: Im Jahr 2000 war das nur an rund 14 Prozent der Gymnasien der Fall.QuelleAutorengruppe Bildungsbericht (2018): "Bildung in Deutschland" 2018, S. 93, Tab. D 1­-7web

2020 hatten schätzungsweise rund 13 Prozent aller Lehrer*innen an allgemeinbildenden Schulen einen Migrationshintergrund. Von ihnen hatten rund 70 Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit. Zum Vergleich: Unter den Schüler*innen an allgemeinbildenden Schulen hatten im selben Jahr rund 38 Prozent einen Migrationshintergrund.QuelleStatistisches Bundesamt auf Anfrage (2021) eigene Berechnung; Statistisches Bundesamt (2021): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Fachserie 1, Reihe 2.2: Bevölkerung mit Migrationshintergrund, Ergebnisse des Mikrozensus 2020, S. 42; Statistisches Bundesamt (2014): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Fachserie 1, Reihe 2.2: Bevölkerung mit Migrationshintergrund, Ergebnisse des Mikrozensus 2013, S. 57.

Warum gibt es vergleichsweise wenige Lehrer*innen mit Migrationshintergrund?

Eine Studie aus dem Jahr 2021 zeigt, dass Studienberechtigte mit Migrationshintergrund seltener eine Lehramtsausbildung wählen als Studienanfänger*innen ohne Migrationshintergrund. Gründe sind der Studie zufolge die eingeschränkten beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten und das als gering wahrgenommene Ansehen des Berufs.QuelleGülen, Șeyma (2021): Lehramtsstudium mit Migrationshintergrund. Einflussfaktoren auf die Studienfachentscheidung und den Studienverlauf, S. 10f., 177ff.

Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen sowie fehlende Vorbilder während der eigenen Schulzeit können auch dazu führen, dass Menschen nicht selbst als Lehrer*in arbeiten wollen.QuelleGülen, Șeyma (2021): Lehramtsstudium mit Migrationshintergrund. Einflussfaktoren auf die Studienfachentscheidung und den Studienverlauf, S. 11, 40, 86; Lengyel, Drorit/Rosen, Lisa (2012): Vielfalt im Lehrerzimmer?! Erste Einblicke in ein Lern-/Lehr- und Forschungsprojekt mit Lehramststudentinnen mit Migrationshintergrund an der Universität Köln. In: Fereidooni, Karim (Hrsg.): Das interkulturelle Lehrerzimmer. Perspektiven neuer deutscher Lehrkräfte auf den Bildungs- und Integrationsdiskurs, S. 75.

Für ausländische Lehrkräfte ist es schwierig, im Ausland erworbene Hochschulabschlüsse anerkennen zu lassen, da es hohe Anforderungen und Hürden wie eine lange Bearbeitungszeit der Anträge gibt.QuelleGewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (2021): "Verschenkte Chancen?!". Die Anerkennungs- und Beschäftigungspraxis von migrierten Lehrkräften in den Bundesländern, S. 52ff.

Umgang mit Vielfalt an Schulen 

Lehrer*innen mit Migrationshintergrund wird oft zugeschrieben, dass sie aufgrund ihrer eigenen Biographie besser mit Schüler*innen mit Migrationshintergrund und deren Eltern sowie mit Vielfalt an Schulen umgehen könnten. Sie sollen bei der „interkulturellen Öffnung“ der Schulen helfen.QuelleBundesamt für Migration und Flüchtlinge/Hertie-Stiftung (2011): Lehrkräfte mit Migrationshintergrund. Handlungsempfehlungen zum Netzwerkaufbau, S. 6; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2010): Bundesweites Integrationsprogramm. Angebote der Integrationsförderung in Deutschland - Empfehlungen zu ihrer Weiterentwicklung, S. 102.

Studien zeigen, dass sie sich beim Umgang mit Vielfalt mehr zutrauen und etwa ihre Empathiefähigkeit ausgeprägter sein kann als bei Kolleg*innen ohne Migrationshintergrund. Forschungsergebnisse deuten zudem darauf hin, dass sie sich wegen ihrer Biografie stärker für die Themen verantwortlich fühlen. Jedoch wollen sie keinen Sonderstatus, sondern ein „selbstverständlicher Bestandteil des Kollegiums" und sowohl für die Kinder mit als auch die ohne Migrationshintergrund verantwortlich sein.QuelleKarakaşoğlu, Yasemin et al. (2013): Zur Bedeutung des Migrationshintergrundes im Lehramtsstudium. Quantitative und qualitative empirische Grundlagenstudie und Reflexion von Praxismaßnahmen an der Universität Bremen, S. 81 f.; Lengyel, Drorit/Rosen, Lisa (2012): Vielfalt im Lehrerzimmer?! Erste Einblicke in ein Lern-/Lehr- und Forschungsprojekt mit Lehramststudentinnen mit Migrationshintergrund an der Universität Köln. In: Fereidooni, Karim (Hrsg.): Das interkulturelle Lehrerzimmer. Perspektiven neuer deutscher Lehrkräfte auf den Bildungs- und Integrationsdiskurs, S. 73; Edelmann, Doris (2007): Pädagogische Professionalität im transnationalen sozialen Raum. Eine qualitative Untersuchung über den Umgang von Lehrpersonen mit der migrationsbedingten Heterogenität ihrer Klassen, S. 193.

Wissenschaftler*innen betonen, dass der Umgang mit Vielfalt eine Aufgabe der Bildungspolitik sowie der gesamten Schulen sei und nicht auf einzelne Lehrkräfte übertragen werden sollte. Dazu gehöre, dass bereits in der Lehrer*innenbildung Migration nicht als Bedrohung oder gesellschaftliches Problem thematisiert wird, sondern als Normalität. Zudem müssten angehende Lehrer*innen besser im Umgang mit Rassismus ausgebildet werden.QuelleFereidooni, Karim (2019): "Wir brauchen mehr Lehrkräfte mit 'Migrationshintergrund'"! Die kritische Reflexion einer politischen Forderung. In: Schedler, J. et al. (Hrsg.): Rechtsextremismus in Schule, Unterricht und Lehrkräftebildung, S. 197; Lengyel, Drorit/Rosen, Lisa (2012): Vielfalt im Lehrerzimmer?! Erste Einblicke in ein Lern-/Lehr- und Forschungsprojekt mit Lehramststudentinnen mit Migrationshintergrund an der Universität Köln. In: Fereidooni, Karim (Hrsg.): Das interkulturelle Lehrerzimmer. Perspektiven neuer deutscher Lehrkräfte auf den Bildungs- und Integrationsdiskurs, S. 84.

Welchen Einfluss haben sie auf den Lernerfolg ihrer Schüler*innen?

  • Eine Studie aus dem Jahr 2016 zeigt, dass es keine signifikante Verbesserung der Leistungen von Schüler*innen in den Fächern Mathematik und Deutsch gab, nur weil sie von Lehrer*innen mit Migrationshintergrund unterrichtet wurden.QuelleNeugebauer, Martin/Klein, Oliver (2016): Profitieren Kinder mit Migrationshintergrund von pädagogischen Fachkräften mit Migrationshintergrund? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (68), S. 278.
  • Eine andere Studie ergab, dass die Lesekompetenz von Schüler*innen mit Migrationshintergrund an einer Hauptschule signifikant besser war, wenn sie von einer Lehrkraft mit Migrationshintergrund unterrichtet wurden. Die Autorin der Studie argumentiert, dass zweisprachig aufgewachsene Lehrer*innen mit Migrationshintergrund sprachspezifische Kompetenzen besäßen. Diese wirkten sich förderlich auf den Sprachunterricht aus, sowohl für Schüler*innen mit als auch für die ohne Migrationshintergrund.QuelleHöckel, Lisa Sofie (2020): Speaking the Same Language - The Effect of Foreign Origin Teachers on Students' Language Skills. Ruhr Economic Papers (862), S. 28.
  • Zudem sei ein Vorbildeffekt zu beobachten: Demnach würden sich Schüler*innen mit Migrationshintergrund eher von Lehrkräften mit Migrationshintergrund verstanden und unterstützt fühlen als von jenen ohne Migrationshintergrund.QuelleHöckel, Lisa Sofie (2020): Speaking the Same Language - The Effect of Foreign Origin Teachers on Students' Language Skills. Ruhr Economic Papers (862), S. 21, 28.

Diskriminierungserfahrungen von Lehrer*innen mit Migrationshintergrund

Studien zeigen, dass Lehrkräfte mit Migrationshintergrund Diskriminierung an Schulen erfahren, etwa aufgrund ihres Akzents. Im Rahmen einer Befragung von 159 Referendar*innen und Lehrkräften mit Migrationshintergrund berichteten 60,4 Prozent, dass sie mindestens einmal selbst Rassismus am Arbeitsplatz erlebt haben. 65,5 Prozent von ihnen gaben an, dass die Diskriminierung von Personen aus dem eigenen Kollegium ausging. Mehr als ein Viertel (27,8 Prozent) der Diskriminierungen ging von Schüler*innen und deren Eltern aus.QuelleGülen, Șeyma (2021): Lehramtsstudium mit Migrationshintergrund. Einflussfaktoren auf die Studienfachentscheidung und den Studienverlauf, S. 36; Fereidooni, Karim (2019): "Wir brauchen mehr Lehrkräfte mit 'Migrationshintergrund'"! Die kritische Reflexion einer politischen Forderung. In: Schedler, J. et al. (Hrsg.): Rechtsextremismus in Schule, Unterricht und Lehrkräftebildung, S. 199; Fereidooni, Karim (2016): Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen im Schulwesen. Eine Studie zu Ungleichheitspraktiken im Berufskontext, S. 127f.

Von Segregation spricht man meist bei Schulklassen oder ganzen Schulen, in denen überwiegend Kinder aus Einwandererfamilien lernen. Ab welchem Anteil eine Schule oder Klasse als segregiert gilt, ist nicht allgemein definiert. Der SVR-Forschungsbereich verstehtSiehe Studie "Segregation an deutschen Schulen – Ausmaß, Folgen und Handlungsempfehlungen für bessere Bildungschancen", 2013, S. 7 darunter Einrichtungen, an denen mehr als 50 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben. Schülergruppen, in denen der Anteil von Kindern aus Einwandererfamilien besonders niedrig ist, werden dagegen meist nicht als segregiert bezeichnet.

Einige Bildungsforscher kritisieren: Der Fokus auf den Migrationshintergrund lässt aus dem Blick, dass neben der kulturellen Herkunft auch die soziale Schicht bei der Segregation eine Rolle spielt. So werde das Phänomen Segregation "kulturalisiert".QuelleJuliane Karakayali/Birgit zur Nieden (2013): "Rassismus und Klassenraum. Segregation nach Herkunft an Berliner Grundschulen", in sub/urban – Zeitschrift für kritische Stadtforschung 2013, Heft 2, S. 61-78

Die wenigen Studien zur schulischen Segregation beziehen sich vor allem auf staatliche Grundschulen. Diese sind in der Regel nicht frei wählbar, die Schüler werden von den Behörden einer Grundschule in der Nähe ihres Wohnortes zugewiesen ("Einzugsschule"). Jedoch ist bekannt, dass viele Einzugsschulen nicht die kulturelle (und soziale) Mischung des Wohnviertels widerspiegeln. Analysen"Segregation an Grundschulen – Der Einfluss der elterlichen Schulwahl", 2012, und "Segregation an deutschen Schulen – Ausmaß, Folgen und Handlungsempfehlungen für bessere Bildungschancen", 2013 des SVR-Forschungsbereichs und andere UntersuchungenSiehe hierzu etwa Juliane Karakayali/Birgit zur Nieden: "Rassismus und Klassenraum. Segregation nach Herkunft an Berliner Grundschulen", erschienen in sub/urban – Zeitschrift für kritische Stadtforschung 2013, Heft 2, S. 61-78 zeigen:

  • Segregation wird oft durch die Eltern gefördert: Wenn sie Informationen über eine Schule einholen, fragen die meisten nach dem "Migrantenanteil". Ist dieser hoch, gehen viele Eltern von einem schlechten Lernniveau und einem problematischen Umfeld aus und versuchen, ihr Kind auf einer anderen Schule anzumelden. In Großstädten gelingt das immerhin rund zehn Prozent der Eltern.
  • Rund 41 Prozent der Grundschüler aus Einwandererfamilien werden an "segregierten" Schulen unterrichtet, an denen mehr als die Hälfte der Schüler einen Migrationshintergrund hat.
  • Knapp 15 Prozent der Schüler in Deutschland lernen an Grundschulen ohne Mitschüler aus Einwandererfamilien.

Institutionelle Benachteiligungen verstärken die Segregation. Das gilt auch für weiterführendeSchulen, die nach der Grundschule besucht werden, wie Haupt- und Realschule oder Gymnasium Schulen, etwa wenn Schüler mit Migrationshintergrund dort nicht angenommen werden oder Schulleiter (teilweise auf Wunsch von Eltern) Klassen nach Herkunft einteilen. Zudem werden Schüler mit Migrationshintergrund oft weniger gefördert, erhalten bei gleicher Leistung schlechtere Noten und seltener eine Empfehlung für Realschule oder Gymnasium.

Kinder und Jugendliche aus Einwandererfamilien erzielen bei Tests wie PISA schlechtere Ergebnisse als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Oft wird das auf mangelnde Deutschkenntnisse zurückgeführt. Studien zeigen, dass für den Bildungserfolg in Deutschland besonders das Einkommen und Bildungsniveau der Eltern entscheidend sind. Kinder mit Migrationshintergrund kommen häufiger aus Familien mit geringem Einkommen. Laut Mikrozensus lebt rund ein Drittel der unter 18-Jährigen mit Migrationshintergrund in Familien, die von Armut gefährdet sind. Zum Vergleich: bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund sind es rund 12 bis 13 Prozent. Zudem ist der Anteil von Eltern ohne Schul- oder Berufsabschluss bei Kindern unter 20 Jahren mit Migrationshintergrund um ein Vielfaches höher als bei Kindern ohne.QuelleOECD (2019): PISA 2018 Ergebnisse, Ländernotiz Deutschland, S.5; Stiftung Mercator (2016): Doppelt benachteiligt? Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem, S. 3; Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016): Bildung in Deutschland 2016, S. 168; Statistisches Bundesamt (2020): Ergebnisse des Mikrozensus 2019, Fachserie 1, Reihe 2.2, S. 341; OECD (2018): "Equity in Education, Country Note Germnay", S. 2.

In Deutschland ist der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischem ErfolgDas zeigte bereits die erste PISA-Studie und auch knapp zwanzig Jahre später hängt der Bildungserfolg in Deutschaland stärker mit der sozialen Lage der Eltern zusammen als in vielen anderen OECD-Staaten. stärker ausgeprägt als in vielen anderen OECD-Staaten. Soziale Unterschiede werden in Deutschland "weitervererbt": Nur 24,4 Prozent der jungen Erwachsenen erwerben einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern. Zum Vergleich: In anderen Industrieländern gelingt das im Schnitt 41,1 Prozent.QuelleOECD (2019): PISA 2018 Ergebnisse, Ländernotiz Deutschland, S.5; OECD (2018): "Equity in Education, Country Note Germnay", S. 2; OECD (2018): Equity in Education, S. 35;

Eine wichtige Rolle in Bezug auf den Bildungserfolg von Schülern mit Migrationshintergrund spielt das Schulsystem, das sich nur langsam interkulturell öffnet und auf Diversität – wie der Mehrsprachigkeit von Schülerinnen und Schülern – einstellt. Die Leistungsunterschiede sind in der Grundschule noch vergleichsweise gering. Oft unterschätzen Lehrkräfte aber Fähigkeiten der Kinder und geben daher eher selten Gymnasialempfehlungen. Das kann unter anderem dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler weniger motiviert sind.Quellesiehe Policy Brief zur Studie "Pathways to Sucess" der Universität Osnabrück, 2015; Pressemitteilung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt "Soziale Herkunft wird erst nach der Grundschule entscheidend für Bildungserfolg", 5.12.2019; Barz et al. (2013): Bildung, Milieu Migration.

Weitere Informationen zu Diskriminerung im Bildungssystem finden Sie in unserer Rubrik "Diskriminierung". 

Einwanderern wird häufig unterstellt, dass sie sich nicht oder nicht genügend um die Bildung ihrer Kinder kümmern. Im Rahmen des Forschungsprojektes "Bildung, Milieu & Migration" wurden 1.700 Eltern mit Migrationshintergrund zu ihrer Haltung in Bildungsfragen befragt. Den Ergebnissen von 2015 zufolge interessieren sie sich durchaus für die schulischen Leistungen ihrer Kinder:

  • Zwei Drittel der Eltern sagten, dass sie ihren Kindern mehr als eine halbe Stunde jeden Tag bei schulbezogenen Themen helfen.
  • Über 70 Prozent gaben an, ihre Kinder "immer" oder "häufig" bei den Hausaufgaben zu unterstützen.
  • Auch an Elternsprechtagen und Elternabenden nehmen demnach mit 84 beziehungsweise 87 Prozent die meisten Befragten teil.
  • 96 Prozent der Eltern stimmten der Aussage zu: "Bildung ist der wichtigste Schlüssel für ein gelungenes Leben."QuelleStudie der Stiftung Mercator und der Vodaphone Stiftung: "Große Vielfalt, weniger Chancen" 2015, S. 5f und S. 67

Die Studie zeigt auch, was die Eltern in Schulen vermissen:

  • Über 90 Prozent finden die "interkulturelle Kompetenz" von Lehrern wichtig. Doch nur 60 Prozent erklärten, sie in den Schulen ihrer Kinder vorzufinden.
  • Die überwiegende Mehrheit (86 Prozent) wünscht sich Beratung zu Förder- und Stipendienprogrammen für ihre Kinder. Nur ein Fünftel gab jedoch an, diese Informationen in der Schule zu bekommen.QuelleStudie der Stiftung Mercator und der Vodaphone Stiftung: "Große Vielfalt, weniger Chancen" 2015, S. 7

Lehrpläne

Die "Lehrplanstudie Migration und Integration" des Mercator Forums Migration und Demokratie (MIDEM) 2021 ergab: Die Themen Migration und Integration finden immer mehr Einzug in die LehrpläneFür die Studie wurden Lehrpläne der Klassen 7 - 10 aus Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin/Brandenburg in den Fächern Geschichte, Politik und Geografie untersucht.. Die Realität der Einwanderungsgesellschaft spiegeln sie aber nicht systematisch wider. Wichtige Migrationsphasen, wie die der Gastarbeiter*innen oder Spätaussiedler*innen werden kaum erwähnt. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Das Thema Vielfalt und Fragen nach Identität und Zugehörigkeit werden in Lehrplänen nur selten aufgegriffen. Es gibt aber deutliche Unterschiede zwischen den untersuchten BundesländernNRW, Sachsen, Bayern, Berlin/Brandenburg: In NRW etwa geht es besonders wenig um Migration und migrationsbedingte Vielfalt.
  • Migration und Integration wird vor allem mit Krisen in Verbindung gebracht:
    • Im Fach Geografie etwa mit Landflucht, globaler Ungleichheit und Bevölkerungswachstum.
    • Im Fach Geschichte etwa mit Vertreibung, Krieg, Kolonialismus; Rassismus und Antisemitismus werden vor allem im Zusammenhang mit der NS-Herrschaft erwähnt.
  • Wichtige Migrationsphasen nach Deutschland - wie die Zuzäge von Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, von Gastarbeiter*innen in den 1950ern und 1960ern oder von Spätaussiedler*innen in den 1990ern - werden kaum thematisiert.
  • Wenn Migration und Integration nicht als Themen im Lehrplan vorgesehen sind, werden sie auch selten im Unterricht behandelt.
  • Menschen mit Migrationsgeschichte sind in Lehrplankommissionen deutlich unterrepräsentiert.QuelleMIDEM(2021):"Lehrplanstudie Migration und Integration"

Schulbücher

Schulbücher bilden die Vielfalt in der deutschen Bevölkerung bisher nur unzureichend ab. So kommt die 2015 veröffentlichte "Schulbuchstudie Migration und Integration" im Auftrag der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung zu folgenden Ergebnissen:

  • Migration wird meist als Problem und Herausforderung dargestellt.
  • Integration gilt als unbedingt notwendig für den sozialen Zusammenhalt, erscheint aber vor allem als Anpassungsleistung, die Menschen mit Migrationshintergrund zu erbringen hätten.
  • In den Texten und Aufgaben wird die Vielfalt in der Gesellschaft fast nie als Normalität abgebildet.
  • Zwar wird Deutschland als Einwanderungsland beschrieben, doch dabei geht man weiterhin von einer homogenen (deutschen) Gesellschaft aus, in die Menschen einwandern. Die Aufnahmegesellschaft wird nicht multikulturell dargestellt.
  • Schüler mit Migrationshintergrund werden meist als "Andere" markiert. So lautet beispielsweise eine Aufgabe: "Fragt eure ausländischen Mitschüler, was für sie Integration bedeutet."
  • Begriffe wie "Migrant", "Migrationshintergrund", "Fremder" oder "Ausländer" werden oft synonym und unkommentiert benutzt.QuelleSiehe auch Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Pressemitteilung des Georg-Eeckert-Instituts vom 17.3.2015 sowie in der "Schulbuchstudie Migration und Integration" S. 67-69.

Dies bestätigt die Befunde aus vorangehenden Untersuchungen: Einwanderer würden meist mit Ausländern gleichgesetzt und vor allem auf ihren Nutzen für die deutsche Wirtschaft reduziert. Muslime würden als außereuropäische "Andere" markiert, der "Islam" und das "moderne Europa" würden als unvereinbar dargestellt, wie eine Studie des Georg-Eckert-Institutes aus dem Jahr 2011 zeigt.