Warum Babys nicht alleine Einschlafen wollen habe ich schon in einem anderen Artikel erklärt. Sie sind kleine "Sicherheitsfanatiker". Neugeborene mit einem Schutzmechanismus ausgestattet, der nach der simplen Regel funktioniert: "Ist jemand bei mir, wird er mich beschützen". Diese Regel gilt ganz besonders für das Einschlafen. Babys empfinden den Prozess als potentiell gefährlich, weil sie die Kontrolle über ihren Sicherheitszustand verlieren und tun sich daher oft enorm schwer damit.
Früher oder später kommt der Punkt, an dem ein Elternteil beschließt: "So kann das doch nicht weiter gehen!" Ein Neugeborenes wiegt man ja gerne mal 10 Minuten im Arm. Aber aus einem Neugeborenen ist mittlerweile ein Kind mit 10 kg geworden. Und aus den 10 auch mal 30 oder 60 Minuten. Unterstützt von den Unkenrufen und den Warnungen: "Ihr verwöhnt doch das Kind" der Bekannt- und Verwandtschaft wird beschlossen, dass jetzt etwas passieren muss. Das Kind ist schließlich alt genug, alleine einzuschlafen. Oder?
Kleine Babys, die alleine einschlafen, sind eine Ausnahme. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten, die davon berichten, ein sogenanntes Schlaftraining absolviert haben, bei denen das Kind gezielt schreien gelassen wird. Das Kind schläft nicht problemlos alleine ein - es wurde gezielt resignieren gelassen. Macht das nicht!
Und Punkt 2)? Was wäre denn, wenn das Einschlafen jeden Tag nur 5 bis 10 Minuten dauern würde? Würde es das Problem verbessern? Bei den meisten Babys ist das Schlafen im ersten Lebensjahr - zumindest im ersten Lebenshalbjahr oft chaotisch - sie schlafen schlecht ein, sie wachen ständig auf, sie sind immer müde... Irgendwann kristallisiert sich dann doch so etwas wie ein Schlafzyklus heraus und Eltern atmen erleichtert auf. Das Baby wird jeden Abend zur gleichen Uhrzeit hingelegt und schläft mehr oder weniger verlässlich bis zum nächsten Morgen (idealerweise bis zu einer bestimmten Uhrzeit) durch. Doch nach und nach gestaltet sich das Einschlafen immer schwieriger. Eltern sind verwirrt - gerade noch endlich eine vermeintliche Kontinuität - schon ist wieder alles durcheinander. Desillusioniert stellt man fest, dass die Phrase "Es ist nur eine PHASE, es geht vorbei" leider auch auf die guten Dinge zutrifft.
Nach meinen Beobachtungen beginnen Einschlafprobleme sehr, sehr oft um den ersten Geburtstag herum, häufig auch (wieder) rund um den zweiten Geburtstag. Was viele vergessen: Der Schlafbedarf von Kindern sinkt kontinuierlich - ein 8-monatiges Baby braucht einfach mehr Schlaf, als ein 18-monatiges Baby. Es ist daher leider illusorisch zu glauben, dass auch das 1,5-jährige oder 2-jährige Kind weiter so lange schläft, wie ein Baby. Als Faustregel gilt (Abweichungen nach oben und unten gibt es immer): 6 bis 12 Monate alte Kinder schlafen pro Tag etwa 12 bis 14 Stunden - zwischen 1 und 3 Jahren liegt der Schlafbedarf nur noch bei 10 bis 12 Stunden - das sind im Schnitt zwei Stunden (!) weniger. Und diese zwei Stunden sitzt man unter Umständen abends am Kinderbett. Das Kind ist also einfach in den meisten Fällen schlicht abends nicht müde genug.
b) Den Mittagsschlaf streichen oder kürzen. c) Das Kind später hinlegen. Die Verringerung des Schlafbedürfnisses kann kontinuierlich vonstatten gehen, oft bemerkt man auch regelrechte Sprünge. Meine große Tochter schlief als Baby herrliche 14 Stunden - nachdem sie ein Jahr alt war, waren es nur noch 13 Stunden. Eine Stunde... die ich jeden Abend entnervt an ihrem Bett saß. Mit ziemlich genau 2 Jahren verringerte sich der Schlafbedarf erneut - diesmal um schreckliche weitere 2 Stunden. Nachdem sie abends quasi gar nicht mehr einschlief, musste ich radikal zu Lösung b) greifen und strich den Mittagsschlaf. Danach war alles gut. Bitte bedenke immer: Ein Kind kann nur so viel schlafen, wie sein natürlicher Schlafbedarf zulässt - keinesfalls mehr. Schläft es tagsüber zu viel, wird es früh aufwachen oder abends nicht einschlafen. In Bezug auf Änderungen muss man konsequent sein - natürlich wird ein Kind die Streichung des gewohnten Mittagsschlafes mit abendlicher Quengelei quittieren. Und vielleicht schläft es auch ein paar Tage trotzdem schlecht ein. ABER: Der Prozess wird sich regulieren! Das Schlafverhalten reguliert sich spätestens nach 14 Tagen - tritt bis dahin keine Änderung ein, muss die Situation neu überdacht werden. In der Regel jedoch dauert es nur 3 bis 7 Tage, bis sich das Kind umgewöhnt hat. Man muss auch ganz klar sagen: Wenn das Kind abends schlecht einschläft, wird auch kein "Schlafprogramm zum allein Einschlafen" der Welt etwas daran ändern, dass es nicht müde genug ist! Will man seinem Kind zumuten, dass es sich allein stundenlang im Bett wälzen muss? Womöglich weinend? Was spricht dagegen, das Kind nach Kürzung des Gesamtschlafdauer weiter liebevoll zu begleiten - doch jetzt nur noch maximal 10 Minuten lang? Mein Kind soll alleine einschlafenJe älter das Kind ist, desto so mehr kann ich das Bedürfnis nachvollziehen, dass man die Einschlafbegleitung abschaffen will. Was bei einem hilflosen 1-jährigen noch gerne gemacht wird, kann bei einem fordernden 3-jährigen allmählich in Unmut umschlagen. Wenn man selbst nur ungern am Bett sitzt und ausschließlich genervt ist, dann ist das eine für alle Beteiligten unbefriedigende Situation.
Bezüglich des allein Einschlafens habe ich sehr unterschiedliche Erfahrungen mit meinen Kindern gemacht. Bei meiner Tochter war es relativ unproblematisch. Zunächst blieben wir bei geöffneter Tür in der Nähe ihres Zimmers - sie konnte uns hören. Einer von uns saß mit einem Buch so lange in Türnähe, bis sie eingeschlafen war. Zwar wurde erst einmal protestiert, aber man hat erkannt, dass sie nicht darunter litt. Nach zwei Abenden wurde die Situation vollkommen akzeptiert. Weinte sie, gingen wir hinein und trösteten sie - wir gingen jedoch jedes Mal wieder raus und blieben in Hörweite. Noch sanfter kann man die Trennung vollziehen, in dem man die Distanz zum Bett verringert. Bei der sogenannten "Stuhlmethode" sitzt man anfangs neben dem Bett, begleitet das Kind wie gewohnt (bzw. wenn es daran gewöhnt ist, erst einmal ohne Körperkontakt) in den Schlaf. Jeden Tag rückt der Stuhl ein Stück in Richtung Tür, bis er dann außerhalb des Zimmers ist. Bei einigen Kindern funktioniert das sehr gut, andere Kinder reagieren eher sehr ungehalten auf solche Versuche.
Der erste große Meilenstein ist geschafft, wenn das Kind es schafft einzuschlafen, ohne dass es uns in unmittelbarer Nähe spürt oder uns sieht. Dennoch kann es sich jederzeit rückversichern, dass man da ist. Nachdem sich die Situation eine Weile gefestigt hatte, begannen wir zu erklären, dass wir nunmehr nicht mehr "nebenan" sind, sondern im Wohnzimmer (in einer anderen Etage). Außerdem - und das ist wirklich unbedingt einen Versuch wert - denn bei uns war es der absolute Durchbruch - haben wir es ganz einfach als Tatsache hingestellt, dass unsere Tochter nunmehr definitiv das Alter erreicht habe, in dem Kinder alleine einschlafen können ("Du bist jetzt ein großes Mädchen - die können das einfach"). So wie Kinder das Alter erreichen, weil sie keine Windel mehr brauchen oder wo sie sich alleine anziehen können. Hätte mir das vorher jemand gesagt, ich hätte es nicht geglaubt: Das führte tatsächlich dazu, dass sie das ohne Diskussion hinnahm und einschlief.
Bei meinem Sohn (mittlerweile tatsächlich schon 7 Jahre alt) sind bisher alle Versuche fehlgeschlagen, ihn zu bewegen, alleine einzuschlafen. Es gibt einfach Kinder, bei denen funktionieren bestimmte Dinge und andere, bei denen es keinen Weg gibt. Wir haben uns mittlerweile mit der Situation arrangiert und teilen uns die Einschlafbegleitung. Wir haben den Fehler gemacht, ihn zu früh hinzulegen, weil wir der Meinung waren, er sei müde. Das führte dazu, dass wir bis zu einer Stunde neben ihm lagen. Seitdem wir uns (etwas seufzend) eingestanden haben, dass wir da eher unsere Bedürfnisse als seine gesehen haben, warten wir einfach, bis er selbständig sagt: "Ich bin müde!" - dann dauert es meist auch wirklich nur noch 10 Minuten. Das ist eine Zeitspanne, die Eltern ganz sicher zuzumuten ist. Wir verbringen (aufs gesamte Leben bezogen) so wenig Zeit mit unseren Kindern - irgendwann werden wir uns glücklich daran zurück erinnern, wie unsere Kinder zufrieden und mit dem Gefühl von Sicherheit in unserer Nähe eingeschlafen sind. Wenn Kinder nachts aufwachen, kann es sein, dass sie sich vor der Dunkelheit fürchten, oder, wenn sie sich vom Alter her gerade in der magischen Phase befinden, sogar vor Monstern unterm Bett. Diese Angst löst Stress aus, dieser Stress aktiviert das Bindungsbedürfnis. Das Kind wird, wenn es allein aus dem Bett aufstehen kann, also nicht von einem Gitterbettchen umgeben ist, aufstehen und sich auf den Weg zu seinem "sicheren Hafen" machen. Taps, taps, taps, nackte Füßchen auf dem Parkett, Tür auf, Tür zu und ...da ist ja das Bett der Eltern! Das Kind legt sich zu Mama und Papa, kuschelt mit ihnen und schläft sehr schnell wieder ein, denn das Bindungsbedürfnis wurde so auf einfachste Art und Weise befriedigt.
Natürlich wurde das in den ersten Tagen ausgenutzt und gespielt, bis man vor Müdigkeit fast umfiel. Aber so wurde ein großes Stück Eigenverantwortung gelernt. Wer lange spielt, ist morgens müde - warum soll ein Kind diese Erfahrung nicht machen? Wenn ich es hundert mal gebetsmühlenartig aufsage, interessiert es das Kind gar nicht - wenn es die Erfahrung selbst macht, wird es verstehen, was ich meine.
Nach einer Woche hatte sich das Ganze so eingepegelt, dass mein Kind meist nur noch kurz spielte (und jeden Abend ganz stolz fragte "Darf ich heute wieder selbst entscheiden, wann ich ins Bett gehe?"). Mit 4 Jahren machte sie an 50% der Abende das Licht sofort aus, weil sie müde war, an 30% der Abende spielte sie noch etwa 10 Minuten, an 10% noch etwa 30 Minuten und an nur 10% aller Abende war sie länger auf. Offenbar hat sich da ein selbstregulierender Prozess eingependelt, der erstaunlich gut funktioniert. Das könnte für diejenigen Eltern eine Idee sein, die Wenigschläferkinder haben, aber gerne auch abends mal die eine oder andere Stunde für sich selbst. Bestimmt auch interessant zu diesem Thema: Unsere Podcastfolge über Probleme beim Ein- und Durchschlafen. © Danielle Page 2 |