Welcher Sportler sagte Schwebe wie ein Schmetterling stich wie eine Biene?

Er war einer der Größten des Sports, und er schrie es immer wieder in die Welt hinaus. Er war der bekannteste und beste Boxer aller Zeiten. Er war „Sportler des Jahrhunderts“ und so beliebt wie kein anderer seiner Zunft auf diesem Planeten.

Den Namen Muhammad Ali kennen sogar Kinder, die ihn niemals boxen sahen. Sie alle trauern nun um „The Greatest“. Mit 74 Jahren starb Muhammad Ali am Freitag (Ortszeit) in einem Krankenhaus bei Phoenix, wie mehrere US-Medien übereinstimmend berichteten. Er hinterlässt neun Kinder, viermal war Ali verheiratet gewesen.

„Rumble in the Jungle“ und „Thrilla in Manila“ sind Begriffe, die Sportfans rund um den Erdball noch heute zum Schwärmen bringen. Ali war ein Idol, ein Künstler im Ring. Sein leichtfüßiger Kampfstil und die einzigartigen Reflexe machten ihn weltweit zum Mythos. „Schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene“, umschrieb der frühere Schwergewichts-Weltmeister sein flinkes, scheinbar schwereloses Boxen. Ali war aber auch ein Mann, der sich gegen Ungerechtigkeit wehrte und den Mächtigen die Stirn bot. Rassismus und Vietnam-Krieg prangerte er an, opferte dafür sogar einen wesentlichen Teil seiner Karriere. Weil er den Kriegsdienst in Vietnam verweigerte, wurde er knapp drei Jahre gesperrt.

„Er war größer als der Präsident der Vereinigten Staaten, war der berühmteste Mensch der Welt“, sagte Alis einstiger Gegner George Foreman. Ali hatte ein Charisma, das Millionen Menschen faszinierte. Er war vorlaut, ließ manchmal kein gutes Haar an seinen Gegnern, provozierte ohne Ende. Ali war Marktschreier und Top-Verkäufer seiner selbst. „I am the Greatest“, fauchte er in jedes Mikrofon. Ali, der in frühen Jahren Cassius Clay hieß und 1964 zum Islam übertrat, war ein unvergleichliches Marketing-Talent.

Die große Klappe konnte er sich leisten. Ali entthronte 1964 den als unbesiegbar geltenden Weltmeister Sonny Liston. „Ich habe die Welt durchgeschüttelt“, tönte er danach. Nach dem Comeback Anfang der 70er Jahre wurden die Kämpfe gegen Joe Frazier, Ken Norton und George Foreman zu globalen Ereignissen, für die Zuschauer in aller Welt nachts ihrer Wecker stellten. Er musste auch Niederlagen hinnehmen wie gegen Frazier 1971 und Norton 1973. „Rumble in the Jungle“ in Kinshasa gegen den vermeintlich übermächtigen Foreman, den er in der achten Runde k.o. schlug, gilt heute noch als einer der besten Boxkämpfe überhaupt.

Ali stand länger im Ring als sein Körper es verkraften konnte. Sein letzter Auftritt war geradezu erschütternd. Am 11. Dezember 1981 verlor er gegen den Kanadier Trevor Berbick. Das ging als das „Drama auf den Bahamas“ in die Annalen ein. Die 1984 bei ihm diagnostizierte Parkinson-Krankheit bezeichnete er als „einen Test Gottes“. In den vergangenen Jahren war Ali nur noch selten in der Öffentlichkeit zu sehen. Er saß zumeist im Rollstuhl, konnte kaum reden. Alis Credo: „Du wirst eines Tages sterben. Also sei bereit, um in den Himmel zu gehen und um ewig glücklich zu leben.“

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"Rumble in the Jungle" - sein wohl bekanntester Kampf: Am 30. Oktober 1974 boxte Ali in Kinshasa (Zaire, heute: Demokratische Republik Kongo) gegen Weltmeister George Foreman. Ali überraschte seinen Gegner, indem er er sich von diesem zunächst freiwillig in die Seile drängen ließ. Zudem reizte er Foreman mit permanenten Provokationen, er fragte: "Ist das alles, was du draufhast?" Ali gewann den Kampf mit einem K.o. in der achten Runde. Er war nach Floyd Patterson erst der zweite Schwergewichtsboxer, der den Titel zurückgewinnen konnte.

Louisville/Hamburg. Wenn einer der „Größte“ war, hat es ihm an großen Auftritten nicht gemangelt. Doch einen besonderen Moment für Muhammad Ali, Amerika und den Rest der Welt hätte der ehemalige Schwergewichts-Weltmeister beinahe verpasst. Ali hatte in seiner wandlungsreichen Karriere vor Millionen Menschen geboxt. Er war der globale Athlet schlechthin. Doch als er 1996 bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Atlanta vor einem globalen Milliarden-Publikum das Feuer entflammen sollte, gab es Widerstände.

Ein Kriegsdienstverweigerer, der seine Goldmedaille von 1960 weggeworfen haben will, der sich sträubte, im Krieg seinem Land zu dienen – der war auserkoren, bei den Coca-Cola-Spielen zum 100. Jubiläum des neuzeitlichen Olympia die Fackel in die zitternde Hand zu nehmen?

Olympia 1996: Ali sollte die Fackel nicht tragen

Das konnte nicht sein. Billy Payne vom Organisationskomitee hatte Bedenken. Gerade im konservativen Süden der USA konnte man das eigentlich nicht machen. Payne hatte schon Boxer Evander Holyfield in der Hinterhand, als die Entscheidung doch zugunsten Alis fiel. Und so wackelte der seit 1984 mit der Diagnose der Parkinsonschen Erkrankung lebende Ali über das Podium und entzündete das Olympische Feuer.

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So wie der aufmüpfige Ali in den Sechzigern Amerika gespalten hat, so einte er durch diesen Auftritt das Land der Freien, die Heimat der Mutigen. Es gelang dem berühmtesten Muslim der Welt ein zweites Mal, als er nach den Anschlägen des 11. September 2001 sagte, das hätten Terroristen getan, die nichts mit dem Islam zu tun hätten. Die Uno erkor ihn zum Friedensbotschafter und schickte Ali im Jahr darauf nach Afghanistan.

In der Nacht zu Sonnabend ist der Mann, der Cassius Marcellus Clay war und diesen „Sklavennamen“ Mitte der 60er-Jahre ablegte, im Alter von 74 Jahren in Phoenix gestorben. Parkinson wurde ihm zum Verhängnis. Eine heimtückische Krankheit, die vermutlich wenig mit seiner Profiboxkarriere von 1960 bis 1981 zu tun hat. Die Schüttellähmung bremste seine Mobilität, löste unkontrolliertes Zittern aus. Er konnte nur schlecht schlucken, das Sprechen kam verzögert, vermurmelt. Zuletzt war eine Blutvergiftung der Todesauslöser. In den vergangenen Jahren war bei Begegnungen zu spüren, wie schnell er körperlich abbaute.

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Man spürte seine Aura, wenn er im Raum war

Sein Geist war aber wach. Auch wenn häufig seine Frau Lonnie und sein Freund, der Fotograf Howard Bingham, für ihn sprachen, so erinnerte sich Ali an seine Karriere, an den Quatsch, den er verzapft hat, gab inhaltlich klare Antworten auf die Fragen, die man ihm stellte. Ihn umgab nach wie vor eine Aura, die man spürte, wenn er im Raum war.

Eine Ikone der amerikanischen Bürgerbewegung. Stolz, selbstbewusst, frei – immer auch politisch und oft polarisierend. Ali war ein Fighter. Im Ring wie im Leben hat er nie aufgegeben.Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD)

Unser Vater war ein bescheidener Riese! Und nun ist er heim zu Gott gegangen. Gott segne dich, Daddy. Du bist die Liebe meines Lebens.Hana Ali, Tochter

Er war meine Inspiration von Anfang an, ein Mann ohne Kompromisse. Ali ist und bleibt einzigartig. Für mich, das Boxen und den Sport überhaupt.Ex-Weltmeister Wladimir Klitschko

Ali, Frazier und Foreman, wir waren wie ein Mann. Ein Teil von mir ist heute von uns gegangen, der großartigste Teil.Ex-Boxweltmeister George Foreman

Gott hat seinen Champion zu sich geholt.Ex-Boxweltmeister Mike Tyson

Sein Geist wird für immer leben. Er repräsentierte das, was jeder Athlet anstrebt, den unbedingten Siegeswillen. Er war fabelhaft, ein großartiger Mensch, ein Champion des Volkes. Der Größte aller Zeiten.Promoter Don King 

Er war ein Athlet, der sich für Frieden und Toleranz eingesetzt hat – ein echter Olympionike.Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees 

Seit dem Tag, als er 1960 Olympia-Gold gewann, wussten Boxfans auf der ganzen Welt, dass sie eine Mischung von Schönheit und Eleganz, Schnelligkeit und Stärke sahen, die vielleicht nie wieder erreicht werden wird.Ex-Präsident Bill Clinton 

Ein sehr trauriger Tag: Der Größte ist gegangen.Franz Beckenbauer 

Ich habe ihn bei den Olympischen Spielen 1996 kennengelernt, habe ihn umarmt, mit ihm Schattenboxen gemacht. Das werde ich nie vergessen.Ex-Europameister Luan Krasniqi

Morgen werden wir unsere Köpfe wieder heben, uns an seinen Mut, seine Freimütigkeit und an seine Opfer erinnern, die er für seine Gemeinschaft erbracht hat.Ex-Basketballstar Kareem Abdul-Jabbar

Dieser Mann. Dieser König. Dieser Held. Dieser Mensch. Worte können es nicht ausdrücken. Er hat die Welt wachgerüttelt. Gott segne ihn.US-Popsängerin Madonna

Wir werden deinen Geist und deine Menschlichkeit vermissen. Du wurdest verschmäht, missbilligt und eingesperrt aus dem gleichen Grund, der dich zum Helden gemacht hat.Ex-Tennisstar Martina Navratilova   

Einer, der die (Sport-)Welt verändert hat. Manche Kämpfe kann man nicht gewinnen. R.I.P. Mr. Ali.Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste 

Der GOAT, der „Greatest Of All Times“ hat das Boxen revolutioniert und die Welt abseits des Rings so nachhaltig verändert wie kein zweiter Sportler. US-Präsident Barack Obama sagte: „Er war ein Mann, der für uns gekämpft hat. Sein Kampf außerhalb des Rings kostete ihn seinen Titel und seinen Ruf. Er brachte ihm viele Feinde und Verunglimpfungen ein, und beinahe wäre er im Gefängnis gelandet. Aber Ali stand seinen Mann. Sein Sieg hat uns geholfen, uns an das Amerika zu gewöhnen, das wir heute kennen.“

"Kein Vietcong hat mich je Nigger genannt"

Ali, der wegen seiner Nähe zu den Schwarzen- und Muslim-Aktivisten sogar vom FBI und der NSA überwacht wurde, verweigerte 1967 die Einberufung nach Vietnam. „Ich hab’ keinen Ärger mit dem Vietcong. Keiner von denen hat mich je ,Nigger‘ genannt“, sagte er. Er verlor seine Boxlizenz, wäre fast im Gefängnis gelandet und konnte erst drei Jahre später sein Comeback starten.

Finanziell wurde es eng, wie mehrfach in seinem turbulenten Leben. In den Sechzigern hatte er die (Box-)Welt mit Siegen über Sonny Liston und Floyd Patterson geschockt. Als er 1970 wieder in den Ring stieg, waren „die Beine weg“, wie Experten und Biografen feststellten. Sein Tempo, der legendäre Speed in Beinen und Fäusten war passé. Die Einzigartigkeit von „Float like a butterfly, sting like a bee“ (Schwebe wie ein Schmetterling, stich zu wie eine Biene) wich einer ruhigeren, taktischeren Kampfführung. Das Ali-Momentum war scheinbar verloren gegangen. Scheinbar.

Rumble in the Jungle: Ali übertölpelte Foreman

Er unterlag in zwei Kämpfen, tingelte umher, ehe er beim „Rumble in the Jungle“ 1974 in Kinshasa (Zaire) vor dem blutrünstigen Diktator Mobutu Sese Seko die Urgewalt von George Foreman mit seiner „Ich steh’ am Seil“-Taktik (Rope-a-dope) stoppte. Foreman powerte sich aus. Ali flüsterte ihm ins Ohr: „George, ist das alles, was du hast?“ Nach acht Runden knockte Ali ihn aus. So wie er Foreman übertölpelte, trickste Ali die vermeintlichen Schlauberger alle aus. Er hatte sogar den Fans und Zuschauern in Zaire weißgemacht, dass er, Ali, jetzt nach Hause, nach Afrika komme, um den WM-Titel zurückzugewinnen.

Erst in dem Moment, als Foreman aus dem Flugzeug stieg, erkannten die Menschen in Kinshasa, dass auch Foreman Afroamerikaner ist. Foreman hatte seine Schäferhunde dabei, was seine Popularität in Afrika schmälerte. Die Hunde gelten als Symbol der Unterdrückung, weil die Kolonialherren sie früher hielten. Da hatte Ali selbst schon einen afrikanischen Slogan aufgenommen, den die Fans brüllten: Ali, boma ye. Ali, schlag ihn tot.

"Angelo ist kein Weißer. Er ist Italiener"

Aber Ali führte auch die radikale Schwarzenbewegung aufs Glatteis. Er sollte seinen Trainer Angelo Dundee feuern, wurde ihm einst nahegelegt. Dundee sagte vor einigen Jahren im Abendblatt-Interview, was der Champ den Black Muslims entgegnete: „Angelo ist kein Weißer. Er ist Italiener.“

Foto: dpa

Seine Sprüche waren legendär, alle geprobt natürlich, wie Dundee dem Abendblatt verriet. Vor Kämpfen lernte Ali ganze Gedichte auswendig und ratterte als erster Rapper der Sportgeschichte seine Verunglimpfungen herunter. „Ich habe mit einem Alligator gerungen, mit einem Wal gerauft, habe einem Blitz Handschellen angelegt, den Donner ins Gefängnis gesteckt. Letzte Woche habe ich einen Fels ermordet, einen Stein verletzt, einen Ziegel ins Krankenhaus geschickt. Ich bin so fies, dass selbst Medizin krank wird.“

Ali behauptete so schnell zu sein, dass er den Schalter betätigen könne und im Bett sei, ehe das Licht verloschen ist.

So sehr er alle überlieferten Gesetze und Konventionen außer Kraft setzte, so schmerzlich waren seine Niederlagen. Die im Ring und die außerhalb. Vier Ehen, neun Kinder – Ali war ein Frauenheld. Oft vertraute er falschen Freunden, umgab sich wie die anderen US-Ikonen Elvis und Frank Sinatra mit einer Horde von Schulterklopfern. Seine Niederlage gegen Leon Spinks im ersten Kampf 1978, dann das verlorene Duell gegen Larry Holmes sowie der letzte Kampf gegen Trevor Berbick auf den Bahamas am 11. Dezember 1981 (Punktniederlage) – musste das sein? Ali wurde ausgebeutet von einer wahren Hydra an Schattenmännern, die einen alternden Superstar bis zum Letzten monetarisieren wollten.

Der Hamburger Profiboxer Jürgen Blin bekam 180.000 Mark für den Ali-Kampf

Schon der Kampf gegen den Hamburger Jürgen Blin in Zürich war eine solche Veranstaltung. In Europa war Geld zu holen. Am zweiten Weihnachtstag 1971 knockte Ali den späteren Europameister in der siebten Runde aus. Blin, 73, sagte dem Abendblatt zuletzt, er habe 180.000 Mark für den Kampf bekommen, das konnte er nicht ablehnen. „Das war der einzige Kampf, bei dem ich wusste, dass ich es nicht schaffen kann.“ Ali sei grundsätzlich freundlich gewesen. Die siebte Runde sieht Blin so: „Ich war nicht wirklich k.o., aber er hatte mich erwischt. Ehe ich ganz ausgeknockt wurde, blieb ich einfach liegen.“

Foto: imago sportfotodienst

Die Trauerfeier für Ali soll am Freitag in seiner Heimatstadt Louisville (Kentucky) stattfinden, wo ihm einst das Fahrrad gestohlen wurde und er wütend zum Boxen fand. Der frühere US-Präsident Bill Clinton sowie der Komiker Billy Crystal sollen sprechen.

Muhammad Ali erfand das kürzeste Gedicht der Weltgeschichte

Muhammad Ali wurden im Laufe seine Lebens Wunder und Fähigkeiten zugeschrieben, die er als zutiefst sensibler, verletzlicher Mensch, der er war, natürlich nie zu leisten imstande war. Weil er so eloquent rüberkam, musste er bereits in den Siebzigern an der Uni Harvard seine gesammelten Weisheiten kundtun. Das schmeichelte ihm natürlich, dass das arrivierte Amerika ihn in seinen Schoß aufnahm, seine Botschaften hören wollte.

Am Ende einer Veranstaltung mit Professoren und Studenten wurde er mal um ein Gedicht gebeten. Er sollte das Auditorium rappen. Ali sagte das vermutlich kürzeste Gedicht der Literaturgeschichte auf, wie Experten später diskutierten. Nach „Adam had them“, dem bis dato knappsten Reim der bekannten Lyrik sagte Ali langsam: „Me. We.“ Der ex- wie egozentrischste Sportler, den die Geschichte kennt, fasst seine Sicht auf die Welt in zwei Worte. „Ich. Wir.“

Mo, 06.06.2016, 09.00 Uhr Hamburger Abendblatt

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