Wenn mindestens dreimal pro Woche über einen Zeitraum von einem Monat Ein- oder Durchschlafprobleme bestehen, spricht man von einer Schlafstörung (Insomnie, Hyposomnie). Diese ist selber in den wenigsten Fällen eine eigenständige Erkrankung, sondern ein schwerwiegendes Symptom, das sehr viele Gründe haben kann. Die Gründe der Schlafstörung sollten diagnostiziert und behandelt werden, da sie zu erheblich gestörtem Wohlbefinden, aber auch zu Konzentrationsstörungen und den damit verbundenen Gefahren im Alltag führen können. Bei folgenden Beschwerden sollten Sie Ihren Arzt aufsuchen:
Sollten die medizinischen Ursachen für Schlafstörungen (z.B. Schlaf-Apnoe-Syndrom) in einem Schlaflabor ausgeschlossen sein, so können wir Ihnen mit unseren psychotherapeutischen Methoden zu einer Verbesserung Ihrer Schlafstörungen verhelfen.
Schlagwörter: Insomnie, Hypersomnie, Parasomnie, Schlafstörung, Schläfrigkeitsdiagnostik Summary The causes of sleep disorders can be divided into organic (airway obstruction, pulmonary and brain dysfunctions, etc.) and non-organic disorders. This article describes sleep disorders with neurological causes as well as diagnostic methods and treatment options. In addition, it also addresses the diagnosis of excessive daytime sleepiness (EDS) recommended by the German Sleep Society (DGSM) and based on criteria of the American Academy of Sleep Medicine (AASM).
Einführung Neurologisch bedingte Schlafstörungen sind bei jungen Soldaten im Vergleich zu der dort dominierenden Genese einer psychiatrischen Erkrankung eher selten. Ihre Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter aber an. Am häufigsten sind periodische Beinbewegungen im Schlaf (periodic leg/limb movements in sleep (PLMS)) zu finden, die auch im jüngeren Lebensalter bereits eine Prävalenz von 4 % haben. Interessanterweise werden in der aktuell gültigen Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) auch die schlafbezogenen Atmungsstörungen (zentrales / obstruktives Schlafapnoesyndrom, schlafbezogenes Hypoventilationssyndrom) dem neurologischen Fachgebiet zugeordnet (“G“-Codierung).Gemäß dieser ICD-10-Klassifikation werden Schlafstörungen unterteilt in solche mit organischem Ursprung und in solche psychischer Genese. Die organgebundenen Erkrankungen werden gegliedert in Ein- und Durchschlafstörungen, krankhaft gesteigertes Schlafbedürfnis, Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Schlafapnoe-Syndrome, die Narkolepsie und Kataplexie und sonstige Schlafstörungen. Krankheitsbilder Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnie) Eine Insomnie zeichnet sich durch nicht erholsamen Schlaf aus. Eine erhöhte Einschlafzeit, häufige Weckreaktionen mit teilweise längeren nächtlichen Wachphasen und ein frühmorgendliches Erwachen weit vor dem Weckerklingeln sind die Charakteristika der Erkrankung. Der Patient fühlt sich am Morgen erschöpft, weist eine verminderte Leistungsfähigkeit sowie Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen auf. Die müdigkeitsassoziierte Konzentrationsminderung und dadurch bedingte Neigung zu Arbeitsfehlern führt zu beruflichen Einschränkungen, die Reduktion des Antriebs und der Initiative teilweise zu sozialer Isolation. Die Unfallgefährdung im Straßenverkehr ist deutlich erhöht [1]. Begleitend werden häufig Organsymptome (u. a. Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen) beklagt. Eine manifeste Insomnie weist nach den diagnostischen Kriterien der ICD-10 ca. 6 % der deutschen Bevölkerung auf [2]. Ein Großteil der Betroffenen leidet unter einer nichtorganischen Störung. Primär bedarf es dennoch des Ausschlusses einer mitverursachenden somatischen Erkrankung. Nach Erhebung der allgemeinen Anamnese, körperlicher Untersuchung und Bestimmung der unten angeführen Laborparameter ist ggf. eine weitergehende psychiatrische und neurologische Untersuchung mit Dokumentation der spezifischen Schlafanamnese erforderlich. Mittels Polysomnographie und im Bedarfsfall weiterer neurophysiologischer Zusatzdiagnostik (z. B. Elektroencephalographie (EEG), Multipler Schlaflatenztest (MSLT)) werden schlafgebundene organische Erkrankungen (beispielsweise schlafgebundene Atmungsstörungen, Bewegungsstörungen) ausgeschlossen. Neurologische Erkrankungen, die sekundär mit nicht erholsamem Schlaf vergesellschaftet sind, sind neurodegenerative Erkrankungen wie der M. Parkinson oder demenzielle Erkrankungen. Bei diesen Krankheitsbildern beklagen die Patienten häufig ausgeprägte Schlafstörungen, bedingt durch aufgelöste Tages- und Nachtrhythmik. Organische, nicht neurologische Ursachen einer Ein- und Durchschlafstörung sind beispielsweise die Hyperthyreose, (nächtliche) tachykarde Herzrhythmusstörungen und chronische Schmerzzustände. Krankhaft gesteigertes Schlafbedürfnis (Hypersomnie) Hypersomnien zeichnen sich durch eine erhöhte Tagesschläfrigkeit aus. Dies unterscheidet sie von den Insomnien, die mit einer verstärkten Tagesmüdigkeit einhergehen. Trotz teilweise ungestörten Nachtschlafs wirkt dieser nicht erholsam. Der Patient wacht am Morgen bereits “wie erschlagen“ auf und weist über Tage eine gesteigerte, teils imperative Einschlafneigung auf, auch außerhalb von monotonen Situationen. Die Häufigkeit der Neigung zur verstärkten Tagesschläfrigkeit liegt in der Allgemeinbevölkerung bei 4– 9 % [3, 4]. Die Einteilung der Schlafstörungen nach AASM-Kriterien (American Academy of Sleep Medicine [5]) ordnet den Hypersomnien die Narkolepsie unter. Nach ICD-10-Kriterien wird dieser Erkrankung ein eigenständiger Überpunkt zugewiesen, so dass auf die Narkolepsie weiter unten eingegangen wird. Zum Ausschluss einer Organerkrankung als Ursache einer Hypersomnie bedarf es einerseits der Abklärung in Bezug auf schlafunterbrechende Störungen (z. B. schlafbezogene Atmungsstörungen, nächtliche Bewegungsstörung), andererseits hinsichtlich Erkrankungen aus dem internistischen (kardial-endokrinen) Formenkreis. So führt eine Hypothyreose zu verstärkter Tagesmüdigkeit und kann zudem eine obstruktive Schlafapnoe triggern [6]. Auch andere hormonelle Fehlsteuerungen können ein obstruktives Schlafapnoesyndrom initiieren und dadurch zu einer Hypersomnie führen. Hierzu zählen unter anderem die verstärkte Ausschüttung des Wachstumshormons mit konsekutiver Akromegalie, das Cushing-Syndrom bei Hypercortisolismus, der ACTH-Überschuss bei z. B. M. Cushing und der Diabetes mellitus. Kardiale Erkrankungen wie die Hypotonie und die Herzinsuffizienz sind oftmals begleitet von verstärkter Müdigkeit. Eine Niereninsuffizienz, Schlaganfälle und entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems können ebenfalls eine Schlafstörung, zudem auch komplexe schlafgebundene Atmungsstörungen initiieren. Schlafbezogene Atmungsstörungen Atmungsstörungen mit Obstruktion: Je nach Grad der Obstruktion differenziert man das harmlose primäre Schnarchen, die Frühform der Atmungsstörung, das sogenannte Upper Airway Resistance Syndrom und schließlich die manifeste obstruktive Schlafapnoe. Bezüglich der Schweregradeinteilung ist neben der Symptomatik einer erhöhten Tagesschläfrigkeit der Apnoe-Hypopnoe-Index pro Stunde Schlaf (AHI) entscheidend. Eine verbindliche Definition existiert hierzu allerdings nicht. Nach der Medizinischen Leitlinie “Nicht erholsamer Schlaf - Schlafstörungen“ wird ein obstruktives Schlafapnoesyndrom mit einem AHI bis 15 als leichtgradig, zwischen 15 und 30 als mittelgradig und ab einem AHI größer als 30 als schwergradig eingestuft [7]. Therapeutisch wird je nach Ursache und Ausprägung ein Rückenlagevermeidungstraining, eine Unterkieferprotrusionsschiene, insbesondere aber die Überdrucktherapie (vornehmlich mittels kontinuierlich positivem Atmungsdruck (CPAP)) empfohlen. Zu einer generellen Verbesserung führt eine Gewichtsreduktion bei bestehender Adipositas. Aber auch Didgeridoo-Spielen soll durch Kräftigung der Weichteilmuskulatur der oberen Atemwege eine Abnahme der Obstruktion bewirken [8]. Operative Verfahren sollten nur bei Unverträglichkeit der nicht operativen Möglichkeiten angewendet werden.
Atmungsstörungen ohne Obstruktion: Hierunter werden einerseits Erkrankungen subsumiert, die den Atmungsantrieb im Hirnstamm hemmen (zentrales Schlafapnoesyndrom), beispielsweise primäre Hirnerkrankungen (u. a. Schlaganfall, Enzephalitis) und/oder eine manifeste Herz- oder Niereninsuffizienz. Andererseits fallen in diese Kategorie die Hypoventilations- bzw. Hypoxämiesyndrome. Therapeutisch bedarf es in diesen Fällen vorrangig einer Positivdruckbeatmung (Bilevel-Therapie). Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus Narkolepsie und Kataplexie Narkolepsie ist definiert als eine chronische Erkrankung, die meist zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr beginnt und durch eine erhöhte Einschlafneigung am Tage (auch in ungewöhnlichen Situationen, z.B. während des Essens oder eines Gespräches), Kataplexien (plötzlicher Muskeltonusverlust mit der Folge eines Zusammensackens bei emotionaler Erregung ohne Verlust des Bewusstseins), Schlaflähmungen und sogenannte hypnagoge Halluzinationen (“verfrühter Traumschlaf“ - lebhafte Vorstellungen, die während des Einschlafens auftreten und meist negativ getönt sind) gekennzeichnet ist. (Tabelle 1) Als Ursache wird eine Überaktivität des REM-Schlaf steuernden Systems beschrieben, welches durch seine passagere Aktivierung zumindest die REM-Schlaf assoziierten Symptome erklärbar macht (Kataplexie, hypnagoge Halluzinationen und Schlaflähmung). Parallel dazu kommt es zu einem Abfall der Hormone Hypocretin 1 und 2. Diese Peptide scheinen stimulierend auf die Wachheit fördernden Systeme zu wirken. Mit einer Prävalenz von 26 - 50 pro 100000 Einwohner ist diese Erkrankung keineswegs selten [9, 10]; obwohl klare Diagnosekriterien vorliegen, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen [10]. Nur ca. 1/3 der Patienten weist das Vollbild der Erkrankung auf; insbesondere zu Beginn kann sich die Narkolepsie monosymptomatisch präsentieren, vorrangig mit dem Leitsyndrom der Tagesschläfrigkeit. Erst im Laufe von Jahren treten bei den meisten Patienten dann weitere Symptome hinzu. Zur medikamentösen Behandlung der Tagesschläfrigkeit ist Modafinil und Methylphenidat (BTM-pflichtig), zur Therapie der REM-Schlaf-assoziierten Symptome ist Clomipramin und Natriumoxybat (BTM-pflichtig) zugelassen [11]. Ergänzend bedarf es aber auch verhaltensmodifizierender Maßnahmen: Verbesserungen können durch die Anwendung von Coping-Strategien, einer strikten Schlafhygiene (u.a. kein Schichtdienst, Alkoholverbot) und durch die Einrichtung individuell angepasster Tagschlafepisoden erreicht werden. Auf die Durchführung der Polysomnographie und des Multiplen Schlaflatenztests wird im Abschnitt “Diagnostik“ eingegangen. REM-Schlaf-Verhaltensstörungen Periodische Bewegungen der Gliedmaßen im Schlaf (periodic limb movements in sleep – PLMS) PLMS gehen häufiger mit anderen Schlafstörungen einher; sie treten bei Insomnie, bei der Schlafapnoe, bei der Narkolepsie oder auch der REM-Schlaf-Verhaltensstörung (s.o.) gehäuft auf. Diagnostik bei Schlafstörungen Bei Schlafstörungen jeglicher Art bedarf es primär einer organischen Differenzialdiagnostik. So kann wiederholt nächtliches Erwachen bzw. der nichterholsame Schlaf Ausdruck einer somatischen Erkrankung sein. Findet sich in der Anamnese und Basisdiagnostik (u.a. Laborscreening gem. Tabelle 3, Ausschluss Herzerkrankung, Lungenerkrankung, höhergradige Stoffwechselstörung, Schilddrüsenerkrankung, neurologische Erkrankung, s.o.) und ggf. spezifischen schlafmedizinischen Abklärung (häusliche Polygraphie, stationäre Polysomnographie) kein relevanter organischer Befund einerseits, andererseits anamnestisch belastende psychische Faktoren, ist die Ursache einer nicht organischen Ein- und Durchschlafstörung (Insomnie) wahrscheinlich. In diesen Fällen bedarf es weitergehender psychiatrischer Exploration und ggf. multimodaler (pharmakologisch-psychotherapeutischer) Therapie.
Elektroenzephalographie (EEG) Multipler Wachbleibetest (MWT) Multipler Schlaflatenztest (MSLT) Polysomnographie (PSG) Die PSG stellt das Kernstück bei der Diagnostik von Schlafstörungen dar. Mit ihr lassen sich u.a. die Verteilung der Schlafphasen, die Einschlaflatenz, die Häufigkeit des Erwachens (Arousals) und die Dauer der Wachperioden ermitteln und deren Ursache detektieren (beispielsweise höhergradige Atmungsstörungen, Herzrhythmusstörungen, unwillkürliche Körperbewegungen). Unregelmäßigkeiten der Herzfrequenz können neben primären Herzerkrankungen auch im Rahmen von Atmungsstörungen oder nächtlichen Angstreaktionen vorkommen. Zudem wird die Schlafarchitektur erfasst. Diese ist physiologisch gekennzeichnet durch ein periodisches Muster (Zyklus) zwischen Leichtschlaf, mitteltiefem Schlaf und Tiefschlaf, gefolgt von einer Traumschlafphase. Alle Zyklen addiert ergeben das Hypnogramm. Mittels Atmungsfühler, Brust- und Bauchgurt wird die Atmungsperiodik und deren Tiefe festgehalten. Mittels Pulsoximetrie wird die Sauerstoffsättigung, mittels Kehlkopf- und Raummikrophon Schnarchen und Sprechen im Schlaf (Somniloquie) dargestellt. Mittels Elektroden an den Unterschenkeln und an der Kinnmuskulatur wird Muskelaktivität aufgezeichnet: An den Beinen dient diese Diagnostik führend zur Darstellung von periodischen Beinbewegungen, an der Kinnmuskulatur zur Detektion von Zähneknirschen (Bruxismus) und einer veränderter Muskelanspannung in Abhängigkeit der unterschiedlichen Schlafphasen. Der an der Brust angebrachte Lagesensor dokumentiert die Schlafposition (Rückenlage, Seitenlage, Bauchlage). [Einfügen der Grafiken 1 (Zentrale Apnoe) und 2 (PLMS)] Fazit Schlafstörungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit im Beruf und im täglichen Leben. Aus wehrmedizinischer Sicht darf ihr Einfluss auf die Fähigkeit zur Ausübung komplexer militärspezifischer Tätigkeiten nicht unterschätzt werden, kann hier doch die geminderte Leistungsfähigkeit eines Soldaten/einer Soldatin durchaus auch das ganze Team gefährden. Literatur
Tabelle 2: Diagnosekriterien der Periodischen Beinbewegungen im Schlaf gemäß der International Classification of Sleep Disorders (ICSD-2) Tabelle 3: Empfohlenes Laborscreening bei Schlafstörungen Abb. 1: Polysomnographie bei zentraler Apnoe: Beinbewegungen, bevorzugt des linken Beines (erste Spur) mit konsekutiver Weckreaktion (Mikroarousal) in der 5 Minuten-Darstellung der Polysomnographie (01:42:58 – 01:47:58); zusätzlich stellen sich 2 zentrale Atmungsaussetzer (Apnoen) ohne Atmungsfluss (dritte Spur) und mit aussetzender Thorax-/Abdomenexkursion (Spuren 4 und 5) dar. Die Sauerstoffsättigung bleibt dabei konstant (Spur 6). Abb. 2: Periodische Beinbewegungen im Schlaf (PMLS) (1. und 2. Spur) mit konsekutiver Weckreaktion (Mikroarousal) in der 10 min-Darstellung der Polysomnographie (22:30:11 – 22:40:14). Die scheinbar schwankende Sauerstoffsättigung (6. Spur) begründet sich durch Messartefakte, bedingt durch PMLS assoziierte Körperbewegungen. Datum: 25.02.2015 Quelle: Wehrmedizinische Monatsschrift 2015/2
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