Welche blutwerte stimmen bei leukämie nicht


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Welche blutwerte stimmen bei leukämie nicht

Großes Blutbild, kleines Blutbild, Leberwerte, Nierenfunktion, Schilddrüsenhormone, Blutzucker, Cholesterin – die Liste dessen, was gemessen und geprüft werden kann, ist nahezu endlos. Wichtig ist dabei vor allem: Jedes Messergebnis sollte im Zusammenhang betrachtet werden. Denn ein einzelner zu hoher Wert besagt in der Regel nicht viel.

Welche blutwerte stimmen bei leukämie nicht

Prof. Michael von Bergwelt, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Klinikum der Universität München

Der Text beruht auf einem Gespräch mit Prof. Michael von Bergwelt, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Klinikum der Universität München.

Wenn ein Blutbild gemacht wird, bedeutet das, dass ausschließlich die zellulären Bestandteile des Blutes und ihr Verhältnis zueinander untersucht werden. Dazu gehören die weißen Blutkörperchen (Leukozyten, zuständig für die Immunabwehr), die roten Blutkörperchen (Erythrozyten, verantwortlich für den Sauerstofftransport im Blut), die Blutplättchen (Thrombozyten, zuständig für die Blutgerinnung) sowie der Anteil der zellulären Bestandteile im Blut (Hämatokrit-Wert). Dagegen werden bei einer vom Hausarzt durchgeführten Blutuntersuchung häufig noch zusätzliche Werte erhoben, um die Funktion bestimmter Organe wie Leber, Niere oder Schilddrüse zu überprüfen. Zudem können ernährungsspezifische Parameter und Werte bezüglich der Blutgerinnung gemessen werden.

Regelhafte Untersuchungen des Blutes im Labor sind nur dann sinnvoll, wenn entweder eine chronische Erkrankung vorliegt (z.B. Diabetes) oder längerfristig heftige Symptome wie etwa starkes Fieber oder die Anzeichen einer Gelbsucht auftreten. Durchaus nützlich ist hingegen die fokussierte Untersuchung des Blutes im Rahmen des sogenannten 'Check-up 35', der nach dem fünfunddreißigstem Lebensjahr alle zwei Jahre wiederholt werden kann.

Beim sogenannten 'kleinen Blutbild' werden lediglich die weißen Blutkörperchen, die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen untersucht. Beim 'großen Blutbild' werden (vor allem bei den Leukozyten) noch verschiedene Untergruppen genauer unter die Lupe genommen.

Bei den Leukozyten gibt es verschiedene Untergruppen. An ihrem Verhältnis zueinander kann unter anderem abgelesen werden, wie stark die Immunabwehr eines Patienten ist, ob es Anhaltspunkte für eine chronische Virusinfektion oder eine bösartige Erkrankung des Blutes (z.B. Leukämie) gibt. Zum großen Blutbild gehören auch mikroskopische Untersuchungen, während das kleine Blutbild rein maschinell erstellt wird.

Die weißen Blutkörperchen sind wichtig für die Abwehr von Infektionen. Hat man beispielsweise eine eitrige Mandelentzündung oder eine Virusgrippe, reagiert der Körper und die Zahl Leukozyten im Blut steigt an. Bessert sich die Infektion wieder, fällt entsprechend auch der Leukozyten-Wert.

Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff, der in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) sitzt. Er ist für den Sauerstofftransport im Blut verantwortlich. Hier ist nur selten ein zu hoher Wert das Problem (so z.B. beim Blutdoping mit Epo), sondern meist das Fehlen von Blutfarbstoff, die sogenannte Blutarmut (Anämie). Ursache hierfür kann beispielsweise ein unbemerkter Blutverlust sein (etwa durch einen Polypen im Darm).

Die Thrombozyten sind wichtig zum Verschließen von Löchern oder Rissen in den Gefäßen, welche zum Beispiel durch kleinere Verletzungen entstehen können. Bei bestimmten Chemotherapien, einer Leukämie oder einer Infektion kann die Zahl der Thrombozyten den Normbereich unterschreiten. Dies zeigt sich häufig durch eine schnellere Neigung zu Blutungen. Erhöhte Thrombozyten-Werte kommen nur bei einigen wenigen seltenen Erkrankungen vor.

Der Hämatokrit-Wert beschreibt den Anteil der zellulären Bestandteile im Blut. Er steigt beispielsweise dann signifikant an, wenn jemand länger zu wenig Flüssigkeit zu sich nimmt.

Das Blutbild eines Menschen verändert sich im Laufe seines Lebens. So haben Kinder und ältere Menschen oft in vielen Bereichen Blutwerte, die von denen durchschnittlicher Erwachsener erkennbar abweichen.

Es gibt auch wesentliche Unterschiede zwischen dem Blutbild von Männern und Frauen. Beispielsweise ist der Hämoglobin-Wert bei Frauen um etwa 20 Prozent niedriger als bei Männern. Man vermutet, dass das damit zusammenhängen könnte, dass Frauen während der Menstruation regelmäßig Blut verlieren. Auch der Wert des Kreatinin (Eiweiß-Abbaustoff, abhängig von der Muskelmasse und wird im Rahmen der Untersuchung der Nierenfunktion gemessen) ist aufgrund der geringeren Muskelmasse bei Frauen niedriger.

Durch unser Ess- oder Trinkverhalten, aber auch durch andere Lebensstil-Faktoren beeinflussen wir unser Blutbild. Während eine ausgewogene Ernährung hilft, die Blutwerte im Normbereich zu halten, kann z.B. eine vegane Lebensweise zu Mängeln bei bestimmten Werten (z.B. Spurenelemente, Vitamine) führen. Auch Rauchen oder viel Sport können übrigens das Blutbild verändern.

"Anderes Beispiel: Trinken. Wer sehr viel auf einmal trinkt oder andersherum längere Zeit gar nichts, der verändert die Konsistenz seines Blutes. Es wird dünner bzw. dicker."

Prof. Michael von Bergwelt, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Klinikum der Universität München.

Auch Gifte (Noxen), die regelmäßig über die Ernährung zugeführt werden (z.B. Alkohol), sind im Blutbild zu erkennen. Man kann also tatsächlich beispielsweise an erhöhten Leberwerten erkennen, ob jemand übermäßig Alkohol trinkt!

Wenn einzelne Werte ihren Normbereich verlassen, kann das die unterschiedlichsten Gründe haben. Es kann eine Akutsituation wie eine Infektion dahinterstecken, aber auch eine chronische Problematik. Auch Messfehler können durchaus vorkommen.

Deshalb sollten einzelne Werte nie isoliert betrachtet werden und im Zweifelsfall immer zu verschiedenen Zeiten erneut gemessen werden! Denn es gibt immer verschiedene Werte, die sich auf eine bestimmte Körperfunktion beziehen. Erst, wenn mehrere dieser Parameter abweichen, sollte man reagieren. Entscheidend ist zudem, ob ein auffälliger Wert zum Beschwerdebild eines Patienten passt.

Wichtig: Ein einzelner erhöhter oder erniedrigter Wert deutet nie automatisch auf eine Erkrankung hin!

Erhöhte Infektions-Werte im Blutbild können auch die Folge einer sogenannten latenten (oder subklinischen) Infektion sein. Hier trägt der Patient zwar einen Erreger in sich, verspürt aber keine Symptome. Solche Infektionen heilt der Körper in der Regel innerhalb einiger Wochen selbst aus. In diesen Fällen sollten die Infektions-Parameter nach einer gewissen Zeit erneut kontrolliert werden.

Bei vielen Blutwerten, wie beispielsweise dem Blutzucker und dem Cholesterin, gibt es mehr oder weniger offiziell festgelegte Richtwerte. Diese werden dann auch immer wieder nach unten korrigiert und sind häufig nicht unumstritten. Das Problem: Wann ein Wert tatsächlich zu hoch ist, hängt von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. Alter, Geschlecht, Gewicht, Körpergröße oder Konstitution eines Patienten und muss deshalb immer im Gesamtzusammenhang betrachtet werden. Auch setzen unterschiedliche Labore oft unterschiedliche Referenzwerte an.

Deshalb gilt auch hier, wenn Werte abweichen: Messfehler ausschließen, Werte mehrmals checken, Werte mit ähnlicher Aussagekraft vergleichen. Nur wenige Werte sind akut gefährlich, wenn sie abweichen (Beispiel Kalium, weil hier schwere Herz-Rhythmus-Störungen auftreten können) und müssen sofort nachkontrolliert werden!

Das bedeutet auch: Laborwerte checken geht nicht über eine App, sondern braucht immer zusätzlich den menschlichen Blick des Arztes!

Bei einigen Blutwerten (z.B. Blutzucker, Cholesterin), sind die Normwerte, die als gesund gelten, in den letzten Jahren immer wieder herabgesetzt worden. Stecken da womöglich finanzielle Interessen (etwa der Pharmaindustrie) dahinter?

"Natürlich gibt es ein gewisses Interesse, Medikamente und Therapien an den Patienten zu bringen. Ich glaube aber, dass die Fachgesellschaften, die Empfehlungen für Normwerte herausgeben, ziemlich unabhängig von der Industrie sind. Wir haben in den letzten Jahren vor allen Dingen gelernt, dass empfohlene Werte zur Lebenssituation des Patienten passen und für ihn realistisch sein sollten."

Prof. Michael von Bergwelt, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Klinikum der Universität München.

Über das kleine und große Blutbild hinaus kann noch sehr viel mehr anhand des Blutes überprüft werden: Leberwerte, Nierenfunktion, Cholesterin und Blutzucker beispielsweise.

Schlechte Leberwerte kennen die meisten im Zusammenhang mit übermäßigem Alkoholgenuss oder sehr fetthaltiger Ernährung. Aber auch bei Vergiftungen, Virusinfektionen (z.B. Hepatitis) oder bösartigen Gewebewucherungen der Leber verändern sich die Werte negativ. Manchmal liegt die Ursache für schlechte Leberwerte aber auch gar nicht in dem Organ selbst, sondern beispielsweise im Blut.

Bei der Untersuchung der Leberfunktion werden verschiedene Werte gemessen, zum Beispiel die Konzentrationen der Enzyme, die in den Leberzellen gebildet werden (z.B. Gamma GT, GOT, GPT und alkalische Phosphatase). Findet man eine Erhöhung dieser Stoffe im Blut, liegt wahrscheinlich ein Leberzellschaden vor, durch den die Enzyme vermehrt ins Blut übergetreten sind. Außerdem kann über die Leberwerte geprüft werden, ob die Produktion wichtiger Eiweiße (z.B. Albumin) in der Leber funktioniert, ob sie ihre Entgiftungsfunktion richtig wahrnehmen kann und ob Galle und Gallenwege frei und sauber sind.

Zur Untersuchung der Nierenfunktion werden hauptsächlich drei Werte gemessen: Kreatinin, Harnsäure und Harnstoff. Das Kreatinin (ein Muskelabbau-Produkt) wird über die Niere aus dem Körper ausgeschieden und steigt an, wenn die Nieren schlechter arbeiten. Auch der Harnstoff (Eiweiß-Abbauprodukt) gibt Hinweise auf die korrekte Nierenfunktion, ist aber als einzelner Wert eher ungenau.
Erhöhte Harnsäurewerte findet man beispielsweise bei Gicht-Patienten.

In der Schilddrüse kann an drei verschiedenen Hormonen abgelesen werden, ob sie richtig funktioniert (TSH, T3, T4). Entscheidend ist hier vor allem das Steuerhormon der Schilddrüse (TSH). Ein erhöhter TSH-Wert deutet meistens auf eine Unterfunktion der Schilddrüse hin. Ist der Wert zu niedrig, spricht man dagegen von einer Überfunktion der Schilddrüse. In typischen Jodmangel-Regionen (z.B. Süddeutschland) sollte der Wert bei Auffälligkeiten öfter kontrolliert werden.

Bei einer größeren Blutuntersuchung können auch verschiedene Nährstoffwerte im Blut kontrolliert werden, um zu klären, ob der Körper mit allem Lebensnotwendigen ausreichend versorgt ist. Gemessen werden können hier etwa verschiedene Vitamine oder Spurenelemente wie Eisen, Zink, Kalium, Kalzium oder Folsäure.

Die Blutfett-Werte sind deshalb von Bedeutung, weil sich zu viel 'schlechtes' Fett im Blut (LDL-Cholesterine) in die Gefäßwände einlagert und zu Entzündungen und Versteifungen der Gefäße führt. In der Folge steigt der Blutdruck und der Prozess verstärkt sich noch weiter. Es gibt allerdings auch 'gute' Blutfette, die diesen Abbauvorgang zumindest etwas bremsen (HDL-Cholesterine). Aber auch hier gilt: Zu hohe Werte sind nur dann ein Problem, wenn sie längerfristig so hoch bleiben!

Auch beim sogenannten 'Check-up 35', einer umfassenden Routineuntersuchung, die ab dem 35sten Lebensjahr angeboten wird (und ab da alle zwei Jahre wiederholt werden kann), werden (neben einer ausführlichen Anamnese, einem Herz-Kreislauf-Check und anderen Untersuchungen) noch einige Blutwerte gemessen. Dazu gehören der Blutzucker, die Blutfette und die Harnsäure. Darüber hinaus wird auch der Urin untersucht. All diese Werte sind relativ schnell zu erheben und sehr aufschlussreich zur Prävention bestimmter Erkrankungen wie z.B. Diabetes und Gefäßverkalkung. Deshalb ist diese Routine-Untersuchung durchaus zu empfehlen!

Natürlich kann man seine Laborwerte beim Arzt jederzeit einsehen. Allerdings: Die genaue Interpretation seiner Blutwerte sollte man dem Fachmann überlassen. Mehrere geringe Überschreitungen der Normwerte haben oft gar keine große Bedeutung. Patienten sollten sich davon nicht verunsichern lassen. Anders stellt sich die Situation dar, wenn jemand schon länger chronisch krank ist und deshalb bereits Erfahrung mit 'seinen Werten' hat.