Was würde passieren wenn sich die Erde schneller dreht?

Dass ein Tag 24 Stunden hat, nehmen wir als selbstverständlich hin. Wissenschaftler haben nun festgestellt, dass die Erde an Fahrt aufgenommen hat in den vergangenen Jahren. Wenn das so weiter geht, könnten die Tage auf Dauer kürzer werden und auch unsere technischen Instrumente müssten neu justiert werden. Einige Fun-Facts zur Erdrotation gibt es auch.

Im Video oben: Gletscherschmelze schreitet voran

Wissenschaftler haben im vergangenen Jahr festgestellt, dass sich die Erde schneller dreht. © iStockphoto

Die kürzesten 28 Tage seit Beginn der Aufzeichnungen 1960 erlebten wir allesamt im Jahr 2020. Das ist deshalb so ungewöhnlich, weil sich die Erde seit Jahrmillionen eigentlich immer langsamer dreht. So betrug die Anzahl Stunden eines gesamten Tages vor rund 600 Millionen Jahren 21. Üblicherweise wurden die Tage innerhalb von 100 Jahren im Schnitt 1,8 Millisekunden länger. Das führte dazu, dass für Atomuhren immer eine Schaltsekunde alle 2 oder 3 Jahre dazu addiert wurde. Nun wird aber von Seiten des Internationalen Dienstes für Erdrotation und Referenzsysteme (IERS) überlegt, 2021 erstmalig eine Sekunde abzuziehen. Der IERS misst die Erdrotation und trägt zur Berechnung der koordinierten Weltzeit (UTC) bei.

Ziffernblatt mit der englischen Aufschrift Greenwich Mean Time, Greenwitch-Zeit: In 2021 sieht es so aus, als wenn wir eine Schaltsekunde abziehen müssten. © picture alliance / blickwinkel/M, McPHOTO/M. Gann

Die Tageslänge hängt von mehreren Faktoren ab. Dazu zählen die von Mond und Sonne ausgelösten Gezeiten (Tiden). Sie bewirken, dass es an der Küste Ebbe und Flut gibt. Ein weiterer Punkt ist die Wirkung des Erdkerns auf den Erdmantel (Kern-Mantel-Kopplung). Die westwärts gerichtete Bewegung des Erdkerns hat einen Einfluss auf die gesamte Erdrotation. Weitere Faktoren für eine unterschiedliche Tageslänge sind seismische Aktivität, Gletscherbildung, das Wetter, die Ozeane und das Erdmagnetfeld. Warum die Erdrotation nun schneller vonstatten geht, ist noch ungeklärt und soll nun untersucht werden. Denn auch im Jahr 2021 dreht sich unser Planet schneller. Wir steuern auf 86.399 Sekunden an einem Tag zu. Also eine Sekunde schneller als üblich.

Satellitensysteme wie das europäische Galileo oder GPS sind auf genaue Zeitsysteme angewiesen. © deutsche presse agentur

Warum sich die Erde schneller dreht, ist bisher noch nicht geklärt. Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass es sich nur um einen vorübergehenden Effekt handelt. Eine der Vermutungen ist, dass das Abschmelzen der Gletscher durch den Klimawandel dazu geführt hat, dass sich mehr Wasser Richtung Pole bewegt hat und dadurch die bisherige Balance ins Schlingern geraten ist.

Besorgniserregend muss diese Tatsache bisher auch nicht sein, es sei denn die fehlende Sekunde wirft den Tagesplan völlig durcheinander. Für unsere technischen Geräte wie GPS-Satelliten, Smartphones, Computer und Kommunikationsnetze sieht das allerdings schon anders aus, da diese auf äußerst genaue Zeitsysteme angewiesen sind. Doch wie der IERS bereits vorgeschlagen hat, könnte das Abziehen einer Schaltsekunde in diesem Jahr eine Lösung sein.

Wenn die Erde sich in rund 60 Minuten um sich selbst drehen würde, wäre die Zentrifugalkraft in Deutschland größer als die Erdanziehungskraft und wir würden ins Weltall geschleudert werden. © iStockphoto

Zeit für ein wenig Gedankenspinnerei mit ein paar Fun-Facts rund um die Erdrotation:

  • Was würde passieren, wenn die Erde stillstehen würde? Zuallererst gäbe es dann eine Tag- und eine Nachtseite auf der Erde. Ein Tag-Nacht-Wechsel fände demnach nicht mehr statt. Das Wasser der Ozeane würde sich an die Stellen bewegen, wo die Erdanziehungskraft am größten ist, nämlich an den Polen. Wir hätten dann eine dicke Landmasse rund um den Äquator und einen Nordozean sowie einen Südozean.

  • Wie schnell müsste sich die Erde drehen, damit wir ins All fallen würden? Am geringsten ist die Gravitation der Erde am Äquator. Damit sie uns dort also nicht mehr gebunden hält, müsste sie sich mit einer Geschwindigkeit von rund 28.500 km/h in etwa 84 Minuten komplett drehen. Das wäre 17 Mal schneller, als sie es derzeit tut. Dann wären die Fliehkräfte größer als die Erdanziehungskraft und wir würden in den Weltraum geschleudert werden. In Deutschland würden es eine Umdrehungsgeschwindigkeit von rund 60 Minuten benötigen, um uns das Fliegen zu lehren.
  • Warum dreht sich die Erde überhaupt? Als unser Sonnensystem vor rund fünf Milliarden Jahren entstand, tat es das aus einer Wolke aus Gas und Staub. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Teilchen dort bereits in Bewegung befanden. Dieser Drehimpuls blieb auch bestehen, als sich diese Wolken verdichteten und Planeten entstanden. Den Drehimpuls haben die Planeten also offenbar geerbt.

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Veröffentlicht am 03.02.2021 | Lesedauer: 4 Minuten

Am 19. Juli 2020 drehte sich die Erde besonders schnell, es war der kürzeste je gemessene Tag

Quelle: picture alliance / dpa

Hilfe, die Erde dreht sich schneller. So schnell wie nie, seit es Aufzeichnungen gibt. Unsere Tage werden also kürzer, obwohl Geodäten das Gegenteil erwartet hatten. Für Erklärungen schauen die Forscher ins Innere des Planeten.

Je weiter 2020 zurückliegt, umso leichter fällt es, Bilanz zu ziehen und das Jahr mit anderen Jahren zu vergleichen. Dabei ist Wissenschaftlern nun aufgefallen: Die abgelaufenen zwölf Monate sind so schnell vergangen wie sonst keine seit Beginn der Aufzeichnungen. Der Grund für dieses beschleunigte Jahr ist unser Planet selbst: Die Erde nämlich hat sich 2020 so schnell gedreht wie nie zuvor.

In Zahlen ausgedrückt heißt das: Der 19. Juli 2020 war der kürzeste je gemessene Tag. Dieser Sommertag ging 1,46 Millisekunden früher zu Ende als ein durchschnittlicher Tag. Und das bedeutet: Die Erde hat sich in diesen 24 Stunden 1,46 Millisekunden schneller gedreht, als sie es sonst tut.

Der Sternenhimmel in einer Langzeitaufnahme über Brandenburg macht die Erdrotation sichtbar

Quelle: picture alliance / dpa

„Wir haben seit rund 70 Jahren hochpräzise Aufzeichnungen über die Rotation der Erde“, betont Florian Seitz, Geophysiker und Präsident der Kommission für die Rotation der Erde der Internationalen Astronomischen Union. „Somit verfügen wir über langfristige Angaben, die uns verraten, wie sich die Länge eines Tages mit der Zeit verändert.“

Seit den 60er-Jahren beobachten Geodäten, welche Kapriolen die Erdachse schlägt. Dabei gab es bisher einen eindeutigen Trend: Eigentlich sollte sich der Planet immer langsamer drehen, die Tage also immer länger werden.

Wie bei einem Eiskunstläufer, der während der Pirouette die Arme an den Körper zieht, beschleunigt sich die Rotation der Erde, wenn die Massen näher an die Achse rücken. Umgekehrt verlangsamt sie sich, wenn die Massen von der Achse entfernt werden. Die Umverteilung der Wassermassen aus den Eisschilden und den Gletscherregionen in den Ozean entspricht einem Ausbreiten der Arme des Eiskunstläufers: Die Masse des Wassers entfernt sich von der Achse. Dadurch wird die Rotation verlangsamt.

Und da der Klimawandel sich weiter auswirkt, sollte die Erde sich eigentlich weiter langsamer drehen. „Es überrascht also, dass in den vergangenen fünf, sechs Jahren die Erdrotation kontinuierlich zugenommen hat, die Erde sich also schneller dreht.“ Zu diesem Schluss kommt auch Mathis Bloßfeld vom Deutschen Geodätischen Forschungsinstitut der Technischen Universität München.

Gleich 28 Tage unterboten im vergangenen Jahr die kürzeste Tageslänge, die Geodäten bis dahin je gemessen hatten. Den bisherigen Rekord hielt der 5. Juli 2005. Und nun gleich 28 neue Rekorde in nur zwölf Monaten.

Was ist passiert?

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Die Geodäten sind sich sicher: Es ist kein Messfehler, der ihnen eine beschleunigte Erdrotation vorgaukelt. Auf der Suche nach Gründen tappen die Wissenschaftler noch im Dunkeln. Einflüsse von außerhalb, aus dem All, scheiden aus. Bleiben Veränderungen im inneren Aufbau unseres Planeten. „Man geht davon aus, dass ein Großteil dieser langfristigen Änderungen durch Kopplungsprozesse zwischen dem flüssigen Erdkern und dem Erdmantel verursacht werden“, erklärt Florian Seitz.

Die da koppeln, das sind geschmolzenes Eisen sowie flüssiges Nickel im Kern und Gestein aus dem Erdmantel. Das alles reibt sich aneinander und beeinflusst dadurch den Drehimpuls des Planeten. „Wie diese Kopplungsmechanismen zwischen Kern und Mantel allerdings genau ablaufen und wie sie demnach die Erdrotation beeinflussen, ist aber nach wie vor nur sehr eingeschränkt bekannt“, muss der Geodät zugeben.

Sollte sich die Drehung der Erde auch 2021 beschleunigen, könnten die Zeitmesser in vielleicht fünf Jahren vor einem Problem stehen. Spätestens dann würden Erdrotation und Atomuhren womöglich nicht mehr zusammenpassen. Unter anderem mit dem Navigieren würde es schwierig werden. Denn das GPS ist auf millisekundengenaue Daten angewiesen, um die Position des Empfängers auf der Erde zu berechnen. Ansonsten würde er woanders verortet werden.

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Erstmals in der Geschichte der Menschheit müsste also vielleicht bald eine Schaltsekunde nicht – wie schon 27-mal geschehen – eingefügt, sondern abgezogen werden. „Während der vergangenen Dekaden war die Länge eines Tages meistens länger als 24 Stunden“, vergleicht Geodät Florian Seitz. Daher seien alle bisherigen Schaltsekunden positiv gewesen. „Aber natürlich kann es auch negative Schaltsekunden geben, wenn die Tage tatsächlich längerfristig kürzer als 24 Stunden sein sollten.“

Und so könnte es in ein paar Jahren erstmals eine Zeit geben, die es nicht gibt; eine ausgefallene Sekunde, die ins Nichts führt.

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