Warum vermissen wir Menschen die uns nicht gut tun

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Niemand kann besser auf uns aufpassen als wir selbst. Das klingt offensichtlich und ist doch im Alltag nicht immer einfach. Besonders im Umgang mit anderen Menschen. Diese haben einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Sie bauen uns auf oder ziehen uns runter. Sie spenden Energie oder zapfen sie für sich ab. Sie unterstützen oder sabotieren uns, je nach dem, auf welcher Seite sie stehen.

Die Einen von den Anderen zu unterscheiden, fiel mir früher recht schwer. Ich ließ mich oft blenden, freute mich über Aufmerksamkeit und Zuspruch – ohne auf mein Bauchgefühl zu achten, das bei der ersten Begegnung schon Zweifel anmeldete. Wenn die Beziehung schließlich nicht funktionierte, glaubte ich, selbst schuld zu sein. Nicht nur einmal versuchte ich an mir zu arbeiten, um den Menschen doch noch zufrieden zu stellen. Nicht nur einmal brachte mir dieser Versuch viel Schmerz und große Selbstzweifel ein, die bis heute andauern.

Auch heute noch fällt es mir schwer zu erkennen, wer mir guttut und wer nicht. Viele Gedanken und Motive überdecken, wie ich mich bei einem Treffen wirklich fühle. Nur wenn ich in einem ruhigen Moment in mich hineinhorche, merke ich, wie ich mich in Gesellschaft einer Person fühle: wohl und energiegeladen oder eher unbehaglich.

Ein paar Verhaltensweisen übersehe ich mittlerweile jedoch nicht mehr so leicht. Es sind in meinen Augen eindeutige Hinweise darauf, dass mir jemand nicht guttut. Das sagt mir entweder meine eigene Erfahrung oder die von Freunden. Falls du diese Anzeichen in deinem Umkreis wiedererkennst, sei behutsam gewarnt.

Übrigens: Es versteht sich von selbst, dass körperliche Gewalt ein No Go ist. Aber auch psychische Gewalt ist nicht so selten, wie man denkt. Sie ist allerdings weniger offensichtlich, auch weil die Verletzungen unsichtbar sind, z. B. wenn eine Person jemanden vor anderen fertigmacht, beleidigt oder tyrannisiert.

„Psychische Gewalt ist ein feindseliger Angriff auf das Denken, die Psyche, die Wahrnehmung und das Sein des Opfers. Je länger man dieser Gewalt ausgesetzt ist, desto größer werden die Selbstzweifel: Botschaften und Verhalten des Täters führen dazu, dass Betroffene an der eigenen Wahrnehmung und dem eigenen Verstand zweifeln. Es gehört zur Strategie des „Partners“, dem Opfer einzureden, dass [es] die Grausamkeiten verdient, dass es an [ihm] liegt; dass die Beziehung [seinetwegen] in der Schieflage ist und es daher auch [seine] alleinige Verantwortung ist, dass die Partnerschaft für [den Täter] zufriedenstellender und befriedigender läuft.“ (Quelle und mehr Infos hier)

Psychische Gewalt umfasst im Grunde alles, was die folgenden Anzeichen beinhalten. Trotzdem möchte ich sie einzeln nennen und beschreiben.

1. Sie machen dir ein schlechtes Gewissen

Ein Familienmitglied gab mir früher regelmäßig zu verstehen, wie ich zu funktionieren hatte. Wenn ich nicht gehorchte, bekam ich es durch heftige Gewissensbisse zu spüren. Diese habe ich auch heute noch oft – so tief hat sich dieses Muster in meinen Kopf eingebrannt.

Erst viel später begriff ich, dass es nie legitim ist, jemandem ein schlechtes Gewissen zu machen, und dass man kein schlechtes Gewissen zu haben braucht, nur weil man drei Tage nicht angerufen hat. Und dass Heulattacken eine Form der Erpressung sind. Diese nutzen solche Menschen gern, um das schlechte Gewissen ihres Opfers zu verstärken. Auch Schwächen oder Krankheiten sind gute Druckmittel, wenn jemand dafür empfänglich ist. Dann hieß es mir gegenüber: „Ich habe Kopfschmerzen, also wäre es schön, wenn du Dieses oder Jenes tust.“ oder „Er darf sich nicht aufregen wegen seinem Herz, also sei jetzt lieb!“

2. Sie geben dir die Schuld für etwas, was nichts mit dir zu tun hat

Die Verantwortung abzuschieben ist leichter als sich seine Fehler einzugestehen. Daher suchen viele Menschen die Schuld bei anderen bzw. bei dir, obwohl du nichts damit zu tun hast.

Eine Freundin erzählte mir beispielsweise neulich von ihrem Ex-Partner und wie er sie nach vielen Ehejahren betrogen hatte. Es war eine üble Nummer, die in meinen Augen noch übler wurde, da er ihr die Schuld an allem gab. Er wollte ihr weismachen, dass sie ihn in seine Affäre getrieben hätte!

3. Sie machen sich über dich lustig

Ein Mensch kann dir nicht guttun, wenn er dir gegenüber verächtlich ist. Verachtung (ein sogenannter apokalyptischer Reiter beim Streiten) tritt in Beziehungen u. a. in Form von Sarkasmus, Zynismus und Spott zutage. Typisch verächtliche Aussagen sind beispielsweise „Du kannst ja nicht mal …“ oder „Ich bin wenigstens nicht so … wie du“. Sie zeugen von Respektlosigkeit.

Wenn dein Gegenüber sich über dich lustig macht, leidet automatisch dein Selbstwertgefühl. Daher solltest du wachsam sein und die Verachtung als solche erkennen, auch wenn sie sich als Humor tarnt („Das war doch nur Spaß!“).

Ich habe mal einen fiesen Scherz mitmachen müssen. Mein damaliger Partner verkündete zunächst das Ende unserer Beziehung, um ein paar Schockminuten später zu sagen: „Nee, war ein Scherz!“ Ich fand es nicht ganz so lustig wie er.

4. Sie machen dich klein

Menschen, die andere kleinmachen, haben wahrscheinlich selbst noch nie ein Lob bekommen. Daher können sie nur geringschätzige Bemerkungen machen. Ihr inneres Fass mit Anerkennung ist so leer, dass sie nichts für andere übrig haben.

So nachvollziehbar und bedauerlich dieser Mechanismus auch ist, er ist destruktiv für dich und alle anderen Opfer. Dieser Mensch kann dir auf Dauer nicht guttun, denn er bestärkt deine Selbstzweifel. Es reicht, wenn du dein Können selbst in Frage stellst. Du bist sowieso dein härtester Kritiker. Du brauchst nicht noch jemanden, der dich ständig niedermacht.

Für mich ist Kleinmachen auch, wenn ein Mensch jede Chance nutzt, um auf dem Fehler eines anderen Menschen herumzureiten. Sie lächeln zwar, aber erniedrigen einen dennoch mit Sprüchen wie: „Weißt du noch, wie du damals … kaputt gemacht hast?!“ Ich bin auch schon im Job von meinem Vorgesetzten auf nichtige Fehler von vor langer Zeit aufmerksam gemacht worden und dachte mir: „Als ob das jetzt irgend jemandem hilft!“

Selbst nach Jahren schmieren dir solche Menschen dein Versehen von damals aufs Brot. Es mag als Scherz getarnt sein, doch dahinter steckt nicht selten purer Ernst.

5. Sie geben dir das Gefühl, etwas stimme nicht mit dir

Dieses Gefühl kennen viele Hochsensible aus eigener Erfahrung: Da sie anders ticken, bekommen sie von anderen oft gesagt oder zu spüren, dass etwas mit ihnen nicht stimme bzw. dass sie sich grundlegend ändern müssen, um in Ordnung zu sein.

Immer wenn ich heute „Es liegt an dir“ höre, bin ich skeptisch. Schon früher habe ich mich abgestrampelt, weil ich dachte, es liege an mir. Aber ist nicht jeder Mensch genau so in Ordnung, wie er eben ist. Wenn du mal einen Schritt zurücktrittst, drängt sich ohnehin die Frage auf: Was ist überhaupt richtig und falsch?

Du gibst ja selbst wahrscheinlich auch niemandem das Gefühl, er sei irgendwie nicht richtig. Daher ist es auch nicht okay, wenn dir jemand einreden möchte, dass etwas falsch sei mit dir. Ihr seid höchstens nicht kompatibel. Das kann schon mal vorkommen, schließlich ticken wir alle sehr unterschiedlich.

Wir können unsere Mitmenschen nicht verändern oder sie erziehen. Doch wir können den Abstand zwischen ihnen und uns regulieren. Wir können das Gespräch suchen, wenn die Person gesprächsbereit ist. Wir können uns aber auch dafür entscheiden, den Kontakt zu minimieren oder abzubrechen.

Denn gut für uns zu sorgen heißt möglichst viel Zeit mit den „richtigen Menschen“ zu verbringen und uns von denen fernzuhalten, die uns nicht guttun. So gut es eben geht.

Foto: Paar beim Streiten von Shutterstock

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Text von: Lena Schulte

Manchmal passiert es, dass uns die Verhaltensweisen unseres Gegenübers tierisch aufregen. Und weil wir Menschen sind, geraten wir schon einmal in Streitereien. Reagieren mit Geschrei, sagen Dinge, die unter die Gürtellinie gehen und drohen uns Liebesentzug an – oder kappen sogar kurzfristig mal die emotionale Wärmezufuhr. Aber am Ende des Tages, wenn der Dampf aus dem Kessel ist, vertragen wir uns meistens wieder. Reden, analysieren, versuchen Lösungen zu finden, bis wir wieder bereit sind, uns gegenseitig mit Energie und Liebe zu versorgen. Oder man einigt sich auf eine Neuverlegung des Wärmezufuhrsendverbrauchers und trennt sich.

Kaum eine Beziehung kommt ohne toxische Momente aus. Ich will gar nicht wissen, wie viele ungerechte Beschuldigungen oder Kommunikationsverweigerungen ich mir schon im Eifer des Gefechts zu Schulden habe kommen lassen.

Diese destruktiven Verhaltensweisen wie Liebesentzug, Beschimpfungen oder Beschämungen können bereits in einer Ausnahmesituation großen Schaden anrichten.

Doch ihre wahres Potenzial zur Zerstörung liegt im Alltag. Regelmäßig praktiziert, fangen die kleinen sarkastischen Seitenhiebe oder die neckischen Vorwürfe plötzlich an zu wuchern und entwickeln sich zu einem Werkzeug der Kontrolle. Der Versuch (oder auch das Gelingen), mit emotionalen Erniedrigungen einen anderen Menschen zu kontrollieren, ist ein Missbrauch, der psychisch schlimme Folgen haben kann.

Das Machtgefälle ist entscheidend

Es ist kein emotionaler Missbrauch, wenn sich mein Partner von mir trennt. Und auch nicht, wenn ich auf offener Straße beleidigt werde und zutiefst gekränkt bin. Nur, weil ich mich gekränkt fühle, bin ich emotional noch nicht missbraucht worden. Anders sähe es aus, wenn ich sechs Jahre alt wäre und meine Mutter mich beleidigt, denn ein Kind ist abhängig von dieser Liebe und Zuneigung.

Auch im Erwachsenenleben gibt es diese Gefühle von Abhängigkeit auf der einen Seite – und das Wissen über diese Abhängigkeit auf der anderen Seite. Sind wir in einer gleichberechtigten Partnerschaft, ist ein Machtgefälle kein Thema und rationale  Diskussionen sind möglich, ohne, dass eine Seite befürchten muss, im nächsten Moment kleingemacht oder für seine Meinung ins Lächerliche gezogen zu werden. Für jemanden, der das Gefühl der Kontrolle nur durch emotionalen Druck erlangt, stellen valide Argumente jedoch die Reinform des Kontrollverlusts dar.

Nur unter kontrollierten Bedingungen!

Paradoxerweise ist vielen, die emotionale Druckmittel anwenden, die Tragweite ihrer Handlungen nicht richtig bewusst. Der Drang nach Kontrolle ist oft ein Bedürfnis, das ebenfalls aus einer Verletzung entspringt und sich als Lösungsstrategie tief im Unbewussten eingenistet hat. Dort tarnt es sich zur eigenen Sicherheit mit rationalen Erklärungen und Argumenten. So kann sich ein ausgeprägtes Kontrollbedürfnis zum Beispiel in Form eines quälenden Unsicherheitsgefühls zeigen, das die Treue und Loyalität des Partners vehement in Frage stellt. Die Kränkung, seinem Partner nicht trauen zu können und die daraus resultierend Ohnmacht wird dann, „logischerweise“, mit Überwachungen oder unfairen Anschuldigungen bekämpft.

Gleichzeitig kompensiert das Auskosten der eigenen (gefühlten) Überlegenheit fehlendes Selbstvertrauen und führt zu einem Adrenalinschub, wie der Psychologe Steven Stonsy erklärt. Mit der Zeit baut der Körper allerdings Toleranz gegenüber dem Adrenalin auf. Es wird immer mehr von dem „Kick“ der Erniedrigung benötigt. Die Vorwürfe, die verbalen Attacken und Strafandrohungen werden immer schlimmer und schlimmer.

Der schwierige Zyklus

Eine Beziehung mit jemanden zu führen, der durch emotionale Erniedrigungen sein Kontrollbedürfnis befriedigt, kann schwere seelische Schäden hinterlassen. Ein Selbstvertrauen, das in Schutt und Asche liegt, Selbstzweifel („Ich darf meinen Partner auch nicht immer so mit meinem Atem provozieren!“) und die Angst vor der eigenen Handlungskraft sind nicht selten Folgen. An eine Trennung ist kaum zu denken.

Denn ähnlich wie beim körperlichen Missbrauch, folgt auch emotionaler Missbrauch einem Zyklus – sobald der Verdacht aufkommt, dass der Geschädigte ernsthaft die Reißleine ziehen wird, gerät sein Gegenüber unter Druck. Nicht selten verhält er/sie sich von heute auf morgen absolut liebenswert. Und schon ist die Hoffnung wieder da. Jetzt wird vielleicht doch noch alles gut und die ständigen Nörgeleien und das Runtermachen findet endlich ein Ende. Aber sobald das Vertrauen wiederhergestellt ist und man wieder als „sicher“ erscheint, nimmt das Karussell der alten Muster wieder Schwung auf.

Was ist wirklich real?

In dieser Spirale erst einmal gefangen, wird es immer schwieriger aus ihr auszubrechen. Schließlich hat man viel Hoffnung auf Besserung investiert, die gerne einmal die Realität überdeckt. Die Psychologie rät in diesen Fällen einen Realitätscheck mit Hilfe von neutralen Außenstehenden vorzunehmen. Wie bewerten andere Deine Erlebnisse und Gefühle, die in eurer Beziehung vorherrschen? Finden sie, Dein Gegenüber hält seine Versprechungen? Finden sie, du hättest das Recht öfter deine Meinung sagen zu dürfen?

Zudem kann es helfen, die eigene emotionale Achtsamkeit zu stärken. Eine Übung dazu geht so: Notiere Dir, wie Du Dich fühlst, wenn Du daran denkst, dass Du den anderen um alles in der Welt brauchst. Welches Gefühl kommt, wenn Du Dir eine Welt ohne diese Person vorstellst? Und dann frage Dich weiter: Hast Du Angst davor alleine zu sein? Kannst Du mit Sicherheit sagen, dass Du ohne den anderen verloren wärst? Kann es bei mehreren Milliarden Menschen nicht auch einen geben, der dich so in Ordnung findet, wie du bist? Was müsstest Du über Dich wissen, um Dir sicher zu sein, dass Du auch ohne deinen Partner ein gutes Leben führen kannst? Wie lange kannst Du Dich auf Deine Gefühle konzentrieren, ohne, dass Du vor ihnen weg musst musst? Kannst Du vielleicht versuchen, diese Gefühle Stück für Stück länger auszuhalten und zu gucken, ob du es überstehst?

Wenn wir beginnen, unsere emotionale Achtsamkeit langsam zu stärken, stärken wir auch unser Mitgefühl – sowohl uns gegenüber als auch für unsere Lieben. Nur so können wir wirklich Abstand und eine klare Sicht auf die Dinge bekommen. Und sie schützt vor Wut. Mitgefühl löst nicht die Probleme, die wir haben, aber sie führt uns eher zu Lösungsalternativen. Wenn wir Mitgefühl und Güte uns selbst gegenüber entwickeln, wird es schwer, sich emotional missbrauch zu fühlen, da wir genug Güte für uns selbst haben, um uns Grenzen zu erlauben.

Durch Mitgefühl können wir auch erkennen, dass das Dulden von emotionalen Erniedrigungen ebenfalls zum Selbsthass des anderen beiträgt. Niemand kann sich selbst wirklich mögen, wenn er – ob nun bewusst oder unbewusst – nahestehenden Menschen ein schlechtes Gefühl gibt und ihnen ihr Selbstwertgefühl in Stücke hackt. Wahre Zuneigung hat nichts mit Besitzansprüchen oder Kontrolle zu tun. Deswegen ist das Beenden einer emotional erniedrigenden Beziehung das mitfühlendste, was man für beide Seiten tun kann. Und dann kann es wirklich besser werden.

Mehr unter 10 Gründe, warum Menschen in kaputten Beziehungen bleiben und unter Abhängigkeit und Angst vor Nähe: Wie und warum Beziehungen aus dem Gleichgewicht geraten.

Photo: Sad woman von  areebarbar / Shutterstock

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