Warum ist mein Kind so gemein zu mir

1. Mutter: Wir sind nur euretwegen zusammen geblieben!

Tochter: Darum habe ich euch nicht gebeten und dafür trage ich nicht die Schuld. Mir wäre es lieber gewesen, wenn ihr beide – jeder für sich – glücklich geworden wärt.

2. Mutter: Du musst auch mal sehen, wie es für mich war!

Tochter: Muss ich nicht. Denn ich bin die Tochter und nicht die Mutter. Aber vielleicht frage ich dich eines Tages danach, wenn du dein Leid nicht mehr über meines stellst.

3. Mutter: Es liegt alles an deinem Vater!

Tochter: Warum machst du meinen Vater schlecht? Zwing mich nicht mich zwischen euch entscheiden zu müssen. Ich will auch ihn lieben können und mir mein eigenes Bild von ihm machen.

4. Mutter: Du warst nicht geplant!

Tochter: Ich weiß, das kann passieren. Aber bitte lass es aus deinem Mund nie wie einen Fehler klingen! Lieber würde ich gern wissen, was durch mich Gutes in dein Leben gekommen ist.

5. Mutter: Ich war eben noch jung!

Tochter: Deshalb musst du trotzdem dazu stehen, was du falsch gemacht hast. Muss ich ja auch.

6. Mutter: Du warst aber auch schwierig!

Tochter: Kein Kind ist von Geburt an schwierig. Vielleicht hab ich dir ja nur gezeigt, dass es mir nicht gut geht. Oder es ging dir nicht gut und du warst überfordert. Gestehe dir das ein statt es mir vorzuwerfen.

7. Mutter: Daran erinnere ich mich gar nicht!

Tochter: Ich höre nur: Das kann nicht so gewesen sein. Oder: Dann kann es ja nicht so schlimm gewesen sein. Frag lieber: Wie war es für dich und glaube mir, wenn ich dir sage, wie es für mich war.

8. Mutter: Du hast dich ja trotzdem gut entwickelt!

Tochter: Ja. Aber was ich bis heute geschafft habe, ändert nichts an dem, was mir früher wehgetan hat. Erkennst du das an, können wir wieder reden.

9. Mutter: Mein Beruf war mir nun mal auch wichtig!

Tochter: Wie soll ich das wissen, wenn du mir nicht davon erzählst? Du warst weg oder gestresst und ich dachte, es lag an mir. Später werde ich vielleicht verstehen, warum du dir deine Unabhängigkeit erhalten wolltest. Noch bin ich zu jung dafür.

10. Mutter: Dein Leben möchte ich haben!

Tochter: Ich kann nichts dafür, wenn dein Leben nicht so verlaufen ist, wie du es dir gewünscht hast. Gib mir deshalb nicht das Gefühl, dass du neidisch auf mein Glück bist und freue dich lieber mit mir. Ich lasse dich gern an meinem Glück teilhaben.

11. Mutter: An deiner Stelle würde ich das anders machen!

Tochter: Das kann sein. Aber du bist nicht an meiner Stelle und ich mache es anders. Akzeptiere das oder bleibe weg.

12. Mutter: Ich hätte mir jemand anderes für dich gewünscht!

Tochter: Lehnst du meinen Partner ab, lehnst du mich ab. Vielleicht komme ich noch dahinter, dass er nicht perfekt ist. Aber bis dahin und gern länger will ich die Zeit maximal genießen. Du kannst gern zu uns kommen, wenn du dir Mühe gibst, ihn richtig kennen zu lernen.

13. Mutter: Das hätte ich damals nicht mit euch gemacht.

Tochter: Vertraue mir und lass mich meine eigenen Erfahrungen machen. Auch ich muss in die Mutterrolle noch reinwachsen und brauche Anerkennung und Verständnis statt Kritik und ungebetene Ratschläge.

14. Mutter: Das kannst du doch nicht deinen Mann machen lassen!

Tochter: Doch. Wir leben so, weil wir das gut finden und ich mit ihm auf Augenhöhe bin. Wenn du es damals anders gemacht hast, war das deine Sache. Bitte respektiere, wie ich lebe.

15. Mutter: Nie hast Du Zeit für mich!

Tochter: Davon hab ich auch wenig, weil ich noch meinen Weg finden muss und Gas geben will in meinem Leben. Weil ich schon Studium/Freund/Mann/Kinder/Job und Erholung unter einen Hut kriegen muss. Gib mir bitte das Gefühl, dass es dir auch ohne mich gut geht. Dann melde ich mich viel lieber von mir aus, als wenn du klagend Kontakt einforderst.

5 Kindheitserfahrungen, die dich als Erwachsener noch prägen

Ich habe ein schwieriges Kind. Dieser Satz klingt ein bisschen gemein, oder? Schließlich will niemand ein schwieriges Kind haben. Schwierige Kinder nerven, sie fügen sich nicht gut ein in unseren durchgeplanten, durchgetakteten Alltag, mit schwierigen Kindern lebt es sich schwer. Doch was bedeutet eigentlich „schwierig“? Und warum tut es mir plötzlich so gut, zu erkennen, dass mein Kind zu den „schwierigen“ Kindern gehört? Wieso zähle auch ich mich zu den eher schwierigen Menschen? Und wie gedenke ich nun mit diesen neuen Erkenntnissen umzugehen, um mir und meiner Familie das Leben ein bisschen leichter zu machen? Darum soll es in dieser kleinen Reihe gehen. Los geht es mit Teil 1, in dem ich euch erzähle, wie ich erst begreifen musste, dass mein Sohn und ich manchmal ein bisschen aus der Reihe tanzen.

Mein Kind ist ein bisschen anders, ein bisschen „mehr“ als andere Kinder. Was viele erstaunt: Damit steht es gar nicht so alleine da! Man schätzt, dass bis zu 20% aller Kinder, und damit auch Erwachsenen, ein ausgeprägteres Gefühlsleben haben als die Mehrheit. Sie sind besonders impulsiv, besonders sensibel, besonders intensiv. Das kann wunderbar sein – und hölleanstrengend.

Wie sehr mich das Leben mit meinem Sohn im letzten Jahr angestrengt hat, habt ihr hier im Blog bereits verfolgen können. Das Hübchen fordert uns ganz besonders heraus – und vom Alter her passte es bisher prima, zu sagen: Ganz normal, das ist die Autonomiephase, das geht vorbei. Oder in unserem Fall auch: Ganz normal, er hat ein Geschwisterchen bekommen, das geht vorbei. Aber irgendwas in mir war immer skeptisch: Was, wenn es nicht vorbei ginge? Was, wenn es sogar immer schlimmer würde? Was, wenn wir unser Kind die ganze Zeit falsch behandelten oder irgendetwas versäumten, um ihm und uns das Leben etwas leichter zu machen?

Unser Gang zur Erziehungsberatung war dann so ein bisschen die Initialzündung, die Sache mal aktiv anzugehen und nicht mehr allein darauf zu hoffen, dass es irgendwann von alleine besser würde. Seitdem haben nicht nur die Gespräche mit der Beraterin geholfen, sondern auch schlaue Bücher und viele Gespräche von Elternteil zu Elternteil (mit dem eigenen Mann und anderen Müttern bzw. Vätern).

Ich habe ein „schwieriges“ Kind!

Heute bin ich an dem Punkt, glücklich zu sagen: Mein Kind ist ein „schwieriges Kind“ – jedenfalls ist es ein Kind, dass wir in unserem Alltag, der durchaus von vielen Zwängen und Erwartungen bestimmt ist, oft als schwierig empfinden. Mein Kind hat mich insbesondere im vergangenen Jahr oft isoliert: Ich spürte die Blicke, wenn andere (auch Freunde!) sich dachten, was denn mit diesem Kind nicht stimme. Ob ich mein Kind denn gar nicht erziehen würde. Was denn jetzt schon wieder los sei.

Was los ist? Ich weiß es ja in den meisten Fällen auch nicht. Bei meinem Kind reichen Kleinigkeiten und es explodiert. Es fühlt einfach stärker, ist viel sensibler und dadurch auch reizbarer als andere Kinder. Die starken Gefühle müssen raus, und es ist extrem schwer, die Ausbrüche vorauszusehen oder gezielt abzuschwächen.

Durch dieses oft unvorhersehbare und unkontrollierbare Verhalten wurde auch ich noch sensibler und allgemein reizbarer. Sätze wie „Das ist normal, das geht vorbei“ wurden von anderen bald mit noch weniger geliebten Sätzen kombiniert: „Mach dich mal locker!“, „Nur entspannte Eltern haben entspannte Kinder!“, „Bleib einfach gelassen, es bringt doch nichts, wenn du dich aufregst!“.

Ach was! Dass es kontraproduktiv ist, wenn ich mich zusätzlich aufrege, war mir immer klar. Allein: Ich konnte nicht mehr. Irgendwann hatte ich selbst meine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle. Es gab tatsächlich den Punkt, an dem ich mir wünschte, dieses Kind niemals bekommen zu haben. Ich hatte als Mutter auf voller Linie versagt. Ich hatte gestillt, getragen, jahrelang einschlafbegleitet. Ich hatte mir die Grundlagen bindungsorientierter Elternschaft nicht mühsam beibringen müssen, sondern sie als selbstverständlich vorausgesetzt. Ich wollte keine mütterliche Alleinherrscherin sein, sondern mit meinem Kind auf Augenhöhe leben. Fürsorge, Liebe, Respekt, Vertrauen, das sollte es bei uns geben.

Ist wirklich alles meine Schuld?

Wenn ich mich doch so bemühte, warum kam von meinem Kind dann trotzdem so viel Widerstand? Warum funktionierte es nicht so wie andere Kinder? Die Lektüre in diversen Blogs aus der Attachment Parenting Ecke ließen mich ziemlich hilflos zurück. Denn sie forderten von mir immer ein „noch mehr“. Noch mehr Liebe, noch mehr Geduld, noch mehr Achtsamkeit, noch mehr Hingabe, noch mehr Aufopferungsbereitschaft. Natürlich nicht, ohne immer wieder zu betonen, wie wichtig auch die Bedürfnisse der Eltern seien.

Wie genau ich meine Bedürfnisse mit dem ständigen „noch mehr“, das ein anspruchsvolles Kind beansprucht, aber in Einklang bringen sollte, stand nirgendwo. Stattdessen begleitete mich schon bald das schlechte Gewissen, wenn ich mal wieder nicht in der Lage gewesen war, „noch mehr“ zu geben. Schließlich leidet angeblich sofort die Beziehung, bekommt die so wichtige Bindung zwischen Mutter und Kind Risse – mit jedem harten Wort, mit jedem „Lass mich jetzt endlich in Ruhe!“.

Ich bemühte mich also weiter. Dumm war nur: Strategien, die bei anderen Kindern offenbar gut funktionierten, klappen bei uns oft einfach gar nicht. Wie oft dachte ich beim hundertsten Tipp, den ich zum tausendsten Mal las: Ja, mit einfacheren Kindern mag das klappen. Wenn mein Kind drei Wutanfälle pro Tag hätte, könnte ich das auch total geduldig spiegeln und liebevoll begleiten. Aber bei Ausnahmesituationen, die an manchen Tagen im 10-Minuten-Takt eintreten, reicht meine Kraft einfach nicht aus, um auch nur einen einzigen ganzen Tag ohne eigene Wutanfälle zu überstehen. Vielleicht gibt es ultra-achtsame Hardcore-AP-Mütter, die das können. Ich kann es nicht. (Ich gehöre nämlich selbst zu den 20% Menschen, die alles ein bisschen intensiver erleben. Aber dazu im nächsten Teil mehr.)

Was ich in „normalen“ Ratgebern und in diversen Blogs also immer wieder las, war: Es liegt an dir. Du bist nicht gut genug. Und ganz ehrlich: Das hat mich verdammt fertig gemacht. Und auch wütend. Wütend auf dieses meine Kind, das mir täglich meine Unzulänglichkeit vorhielt. In meiner Wut sagte ich mir irgendwann oft: Das ist aber doch auch nicht mehr normal! Dieses Kind ist nicht normal! Es liegt nicht nur an mir! Und auch, wenn das ziemlich eindimensional gedacht ist, war ich damit der Sache tatsächlich auf der Spur.

Die Herausforderung annehmen

Denn heute kann ich mir zweierlei eingestehen: Ich bin zwar nicht immer eine gute Mutter, ich habe viele Fehler gemacht und werde sicher noch viele machen. Aber dass es mit meinem Kind oft besonders anstrengend ist, ist nicht allein meine Schuld. Denn leider ist die Sache ein bisschen komplizierter: Auf Grundlage dessen, was ich mir angelesen habe, was ich aus Gesprächen und der Erziehungsberatung weiß, zähle ich meinen Sohn nun ganz sicher zu den 20% Menschen, die von der intensiveren Sorte sind. Das Leben mit ihm ist ein bisschen (und an manchen Tagen auch viel, viel, viel) anstrengender als mit Kindern, die über ein durchschnittliches Gefühlsleben verfügen.

Seit ich das verstanden habe, geht es mir viel besser. Und ich habe das Gefühl, dass ich seitdem nicht nur mit mir selbst nachsichtiger sein kann, sondern auch mit meinem Kind. Jetzt, wo ich eingesehen habe, dass er ein bisschen anders tickt, dass auch ich ein bisschen anders ticke, und dass unsere Uhren dabei leider nicht immer parallel laufen, kann ich nach und nach lernen, damit umzugehen. Das erklärte Ziel lautet: Mein Kind (und auch mich selbst) so anzunehmen, wie es ist (und wie ich bin) und ihm zu helfen, seine Gefühle in Zukunft selbst zu verstehen und gesellschafts- und familienkonform in den Griff zu kriegen.

Und demnächst:

Im nächsten Teil dieser Reihe will ich euch erzählen, warum ich so sicher bin, dass das Hübchen und ich zu den 20% gehören, die ein besonders intensives Gefühlsleben haben und warum wir trotz dieser Gemeinsamkeit leider auch extrem verschieden sind. Und ich will darauf eingehen, warum es eigentlich ein Geschenk ist, ein überdurchschnittlich temperamentvoller Mensch zu sein – und erst recht, ein solches Kind zu haben. Ihr seht: Es wird positiv! Also bleibt dran!

Hier geht es zu Teil 2: Mein gefühlsstarkes Kind | Erziehungsratgeber und wie sie helfen können

Und jetzt ihr:

Habt ihr auch intensive Kinder? Und habt ihr vielleicht auch lange in dem Dilemma gesteckt, diese Besonderheit nicht anzuerkennen, euch mit anderen Kindern/Eltern zu vergleichen und die Schuld nur bei euch selbst zu suchen? Ich freue mich sehr, wenn ihr davon in den Kommentaren erzählt!