Übertritt von der 5. klasse mittelschule auf realschule bayern corona

Das Übertrittszeugnis enthält in der Jahrgangsstufe 4 die Jahresfortgangsnoten in allen Fächern, in den Fächern Deutsch und Mathematik mit zusätzlichen Erläuterungen, die Gesamtdurchschnittsnote aus den Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht, eine zusammenfassende Beurteilung zur Übertrittseignung, eine Bewertung des Sozial- sowie des Lern- und Arbeitsverhaltens gemäß  § 6 Abs. 3 GrSO und - soweit erforderlich - einen Hinweis entsprechend § 15 Abs. 4 Satz 3 (GrSO).

Hinweis: Das Übertrittszeugnis hat nur für das unmittelbar folgende Schuljahr Gültigkeit.

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Auch diese Schüler einer vierten Klasse in Fürth werden am 7. Mai das Übertrittszeugnis erhalten. Doch wie aussagekräftig sind Noten in diesem Ausnahme-Schuljahr? © Hans-Joachim Winckler, NN

Eine Grundschullehrerin aus dem Landkreis Ansbach

"Meine vierte Klasse hat seit Ende Februar wieder Präsenzunterricht, und die Kinder kommen auch jeden Tag, weil im Zimmer genügend Platz ist, damit sie weit genug auseinander sitzen können. Insofern sind wir in einer besseren Situation als viele andere Lehrer und Klassen. Ich spüre, dass viele Kinder in diesem Schuljahr wenig einschätzen können, was sie zu leisten imstande sind und was von ihnen erwartet wird in der Fünften. Zurzeit laufen die Gespräche mit den Eltern, in denen ich gut erkläre und begründe, weshalb welche weiterführende Schule für ihr Kind am besten geeignet ist. Ich habe in den Gesprächen noch nicht den Wunsch gehört, dass man nur den Elternwillen zählen lassen soll, wenn es um die Wahl der weiterführenden Schule geht. Ich befürworte das aber grundsätzlich – unter der Voraussetzung, dass dem ein gutes Beratungsgespräch vorausgegangen ist. Alle weiterführenden Schulen werden sich darauf einstellen müssen, dass die Defizite dieses Corona-Schuljahrs nicht nach einem Jahr schon ausgebügelt sind, das wird länger dauern. Dennoch müssen wir den Kindern Zutrauen und Zuversicht geben, dass sie es schaffen werden!"

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Thomas Kutter, Vater einer Viertklässlerin in Nürnberg


"Meine Tochter ist im Wechselunterricht, an den Präsenztagen testet sie sich selbst mit Schnelltests in der Schule. Das klappt ganz gut, aber ich frage mich schon: Was passiert denn, wenn sie zum Beispiel eine Probe schreiben müsste, gerade an diesem Tag aber in Quarantäne ist? Oder was ist mit den Kindern, die sich nicht testen lassen und deswegen im Distanzunterricht sind: Wie kommen denn da die Noten für den Übertritt zustande? Auf meine Anfrage kam vom Kultusministerium nur eine nichtssagende Standard-Antwort. Uns Eltern wird die Pistole auf die Brust gesetzt. Meine Tochter ist in diesem Schuljahr total durch den Wind. Es gibt nur 14 statt 22 Proben, und wenn man eine verhaut, ist der Druck groß."

Das sind Nürnbergs weiterführende Schulen

Das Bayerische Kultusministerium
Es wird auch in diesem Schuljahr einen begabungsgerechten Übertritt unter fairen Bedingungen geben. Um das zu gewährleisten, hatte die vierte Klasse in diesem Schuljahr beim Präsenzunterricht Priorität gegenüber den anderen Jahrgangsstufen, außerdem wurden Sonderregelungen und Erleichterungen umgesetzt. Ansonsten kommen die bewährten Elemente des Übertrittsverfahrens zum Tragen: eine ausführliche Elternberatung, ein Übertrittszeugnis mit Schullaufbahnempfehlung, die Möglichkeit des Probeunterrichts und die Berücksichtigung des Elternwillens, auch wenn der Probeunterricht nur mit der Note 4 bewertet wird. Alleine den Eltern die Entscheidung zu überlassen, halten wir unverändert für den pädagogisch falschen Weg.

8.4.2021, 12:25 Uhr

Anni, Viertklässlerin in Nürnberg "Die gesamte Klasse hat sich zuletzt vor Weihnachten gesehen, seitdem haben wir Wechselunterricht. Am liebsten wäre ich aber jeden Tag in der Schule. Wenn ich Fragen habe, kann ich an den Tagen, an denen ich daheim bin, die Lehrerin nämlich nicht direkt fragen und manchmal kann sie auch nicht gleich auf meine Mail zurückschreiben. In meiner Klasse ist einer, der hat eine Rechtschreibschwäche, und einer, der hat eine Behinderung und muss alles erklärt bekommen. Es wäre besser, wenn die beiden jeden Tag in der Schule wären. Ich möchte auf das Gymnasium gehen, auf dem schon mein Bruder ist. Wenn Kinder daran glauben, dass sie das Gymnasium schaffen und wenn sie durchschnittliche Noten haben, dann sollen sie es auch probieren dürfen, finde ich."

Eine Gymnasiallehrerin in Fürth


"Auf Zensuren muss man immer schauen, sonst landen viele Kinder auf einer Schulart, die nichts für sie ist. Aber ich bin der Meinung, dass ein besonderes Jahr besondere Regeln erfordert: Für diesen Übertritt sollte ausnahmsweise der Elternwille ausschlaggebend sein. Weil die Noten in diesem Schuljahr durch die unterschiedlichen Möglichkeiten des Unterrichts eine ganz andere Aussagekraft haben als sonst und deswegen einen anderen Stellenwert haben. Die Ausnahme muss aber eng an Beratungen für die Eltern gekoppelt sein, sie müssen wissen, wie durchlässig unser Schulsystem ist, dass viele Wege zum Abitur führen. Sollte der Elternwille ausschlaggebend werden, erwächst daraus eine große Verantwortung, sie müssen genau einschätzen: Wie robust ist mein Kind? Wenn es die Schulart verlassen müsste – wird das als Befreiung oder Demütigung empfunden?"

Siebeneinhalb Wochen sind es bis zum Übertrittszeugnis, das mag Kinderlosen ewig erscheinen. Aber bei vielen Eltern der 109 000 Viertklässler in Bayern liegen die Nerven blank.

Das Übertrittszeugnis weist den Notenschnitt aus, an dem die weitere Schullaufbahn der Kinder hängt. Nicht wenige Mütter und Väter trimmen ihre Kinder monatelang mit Nachhilfe daraufhin: 2,33 in Mathe, Deutsch sowie Heimat- und Sachunterricht reichen fürs Gymnasium, 2,66 für die Realschule. Und im Corona-Frühjahr 2021, nach vielen Wochen Lockdown, Distanzunterricht und drohender neuer Schulschließungen, ist die Aufregung noch größer als sonst.

Martin Löwe, Chef des Bayerischen Elternverbands (BEV) schrieb Kultusminister Michael Piazolo (FW) kürzlich von zahllosen Fragen "entkräfteter" Eltern und fragte, ob der Übertritt weiter an Noten geknüpft werden solle. Und ob der Minister dies angesichts der Unterschiede im Distanz- und Wechselunterricht "wirklich für objektiv, vergleichbar und aussagekräftig" halte.

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Corona-Krise im Freistaat

Am 3. April entfallen fast alle Vorschriften. Nur noch in Nahverkehr, Kliniken und Heimen gibt es dann eine Maskenpflicht. Ungeimpfte dürfen wieder überall hin. Die neuen Vorschriften im Überblick.   Von Max Ferstl und Kassian Stroh

Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbands (BLLV), ging weiter: "Es wird kein fairer Übertritt möglich sein heuer." Statt der Noten müssten Eltern entscheiden, auf welche weiterführende Schule ihre Kinder gehen.

Das wäre ein radikaler Bruch. Der notenbasierte Übertritt ist wie das gegliederte Schulsystem Grundpfeiler des Bildungssystems im Freistaat - und umstritten. Die meisten Bundesländer lassen die Eltern entscheiden, Bayern hält wie Sachsen oder Berlin an Noten fest. Das sieht die CSU-geführte Staatsregierung als Qualitätsmerkmal, daran rüttelt der FW-Minister nicht.

Aber Fleischmanns Aussage und das emotionale Echo dürften ein Grund dafür gewesen sein, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sich am Dienstag nach dem Ministerrat in Rage redet: Statt ständig mit Maximalforderungen wie der Abschaffung der Noten zu kommen, sollten Lehrerverbände lieber kreative, pädagogische Lösungen vorschlagen.

Lehrerverbände sind gespalten

Die abgewatschten Lehrerverbände sind beim Übertritt gespalten: Gymnasial- und Realschullehrer favorisieren das notenbasierte Verfahren samt Probeunterricht für Wackelkandidaten. Auch Andreas Fischer, Vizechef des Bayerischen Schulleitungsverbands von Grund- und Mittelschulen, nennt Fleischmanns Aussagen "medienwirksame Panikmache". Bis Weihnachten seien die meisten Grundschüler im Unterricht gewesen, der Fokus liege ohnehin auf den Kernfächern.

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Klar, der Distanzunterricht laufe in Bayern unterschiedlich gut, aber Fischer bleibt dabei: "Bei den Viertklässlern gibt es keine Defizite, da kann man die Eltern auch beruhigen. Der Übertritt ist gebongt." Seine Lehrer an der Grundschule in Landau an der Isar seien im Stoff sogar weiter als üblich.

Im Kern steht die Frage, was "fair" ist. Das notenbasierte Zeugnis? Oder wissen Eltern besser, was Kinder können? Für "faire Bedingungen" verringerte Piazolo die Zahl der Viertklass-Proben von 22 auf 14. Lehrer dürfen sogar "deutlich" weniger schreiben, teilte sein Ministerium mit. Weitere "flächendeckende" Anpassungen halte man für unnötig. Änderungen in "Einzelfällen" seien möglich.

"Auch durch Elternwillen kann Ungerechtigkeit zunehmen"

Grundschüler durften drei Wochen vor allen anderen zurück in die Klassen. Viertklässler in Hotspots könnten nach Ostern wie Abschlussklassen unabhängig von der Inzidenz in die Schule gehen. Fleischmann nennt dieses Festhalten am System "Bankrotterklärung".

Weil die Inzidenz über 100 steigt, müssen Kinder vielerorts wieder zu Hause bleiben. Dabei gäbe es Wege, um diesem fatalen Mechanismus der Corona-Politik zu entkommen.   Von Hans Gasser

Die Debatte sei höchst komplex, sagt dagegen Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg. "Ich würde den Elternwillen nicht freigeben, dadurch kann auch Ungerechtigkeit zunehmen." Es gebe viele Kinder, die trotz Gymnasiumsschnitt auf Realschulen gehen und es gibt jene, die zum Gymnasium getrieben werden, obwohl es ihnen an Real- oder Mittelschulen besser ginge. Natürlich halten Eltern ihr Kind für das "größte, schlauste, beste", aber sie sollten nicht allein entscheiden. Lehrer lernten Schüler in vier Jahren gut kennen. Zierer weiß das als Grundschullehrer und er hat Kinder in der ersten, vierten und sechsten Klasse.

Mehr Fokus auf die Persönlichkeit

Wie sich der freie Elternwille auswirkt, zeigt Baden-Württemberg: Eltern entscheiden seit 2012 allein, die Zahl der Übertritte aufs Gymnasium stieg deutlich an. Zehn Prozent der Schüler wechselten seitdem ohne Empfehlung aufs Gymnasium, teilt das Stuttgarter Kultusministerium mit. Ein Viertel der Realschüler habe nur die Hauptschulempfehlung. Die Leistungen der Gymnasiasten hatten sich laut IQB-Studie zwischen 2012 und 2017 verschlechtert. Und Pädagogen warnen davor, dass überforderte Kinder die Lust an Schule komplett verlieren könnten.

Auch Zierer sagt, dass nicht allein die Noten, sondern besonders die Persönlichkeit der Kinder für den Übertritt wichtig sei. Deren Umgang mit Fehlern und Erfolg sei entscheidend. Schüler, die viel lernen, sich aber bei Misserfolg "zerfleischen", könnten am fordernden Gymnasium straucheln. Im Gegensatz zu resilienten Strategen mit schlechteren Noten, die nur lernen, wenn sie müssen. Für Zierer müsste sich grundsätzlich etwas ändern: Mehr echtes Feedback, mehr Fokus auf die Persönlichkeit.