Seit wann gibt es das duale Ausbildungssystem

Seit wann gibt es das duale Ausbildungssystem

In Deutschland gibt es eine besondere Art, seinen Beruf zu lernen: die duale Berufsausbildung. Die duale Ausbildung besteht aus viel praktischer Arbeit. Sie dauert meistens zwischen zwei und dreieinhalb Jahre und hat zwei Phasen: Jede Woche sind Sie einen oder zwei Tage oder in längeren zusammenhängenden Blöcken in einer Berufsschule. Dort vermitteln Ihnen Lehrerinnen und Lehrer theoretisches Wissen. An den anderen Tagen sind Sie dann in einem Unternehmen und wenden dieses Wissen an, indem Sie zum Beispiel an einer Maschine mitarbeiten. Außerdem sehen Sie, wie das Unternehmen funktioniert, was es macht und ob Sie sich vorstellen können, dort später weiterzuarbeiten.

Die Kombination aus Theorie und Praxis bereitet Auszubildende besonders gut auf das vor, was Firmen von ihnen erwarten: nicht nur Fachwissen, sondern auch praktische Erfahrung darin, dieses Wissen anzuwenden. Und bei den rund 325 anerkannten Ausbildungsgängen in Deutschland finden auch Sie sicher einen, der Ihnen Spaß macht und Ihren Talenten entspricht. Welcher genau das sein könnte, können Sie zum Beispiel auf einer der zahlreichen Ausbildungsmessen herausfinden, die regelmäßig in verschiedenen deutschen Städten veranstaltet werden. Informationen darüber, welche Messen es gibt und wann und wo sie stattfinden, erhalten Sie auf der Website von Planet Beruf.

Die duale Ausbildung bietet Ihnen sehr gute Chancen auf eine Stelle und ist deshalb besonders populär bei deutschen Schülerinnen und Schülern: Rund zwei Drittel aller Jugendlichen, die die Schule verlassen, machen anschließend eine Ausbildung. Welche Voraussetzungen Sie erfüllen müssen, um eine Ausbildung in Deutschland zu starten, erfahren Sie hier.

Das Duale System der beruflichen Bildung ist eine wesentliche Säule für die Deckung des Fachkräftebedarfs in Deutschland. Mehr als die Hälfte eines Altersjahrgangs wählt diesen Weg als Einstieg in eine qualifizierte Berufs- bzw. Erwerbstätigkeit.  Die im europäischen Vergleich niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist ein Beleg für die besondere Arbeitsmarktrelevanz dieses Bildungsangebots, das im internationalen Vergleich lange Zeit unterschätzt worden ist.

Ausbildungsdauer und Voraussetzungen

Die Dauer einer Berufsausbildung im Dualen System variiert je nach gewähltem Beruf zwischen zwei und drei Jahren. In einigen Fällen kann sie auch dreieinhalb Jahre betragen. Für den Zugang zur Ausbildung im dualen System bestehen formal keine Zugangsvoraussetzungen; die Ausbildung im dualen System steht grundsätzlich allen offen. Die Mehrzahl der Auszubildenden verfügt bei Ausbildungseintritt jedoch über den Mittleren Schulabschluss oder sogar über eine Hochschulzugangsberechtigung.

Warum dual? – Zwei Lernorte

Das System wird als dual bezeichnet, weil die Ausbildung an zwei Lernorten stattfindet: im Betrieb und in der Berufsschule. Die Berufsausbildung hat zum Ziel, die notwendigen Kompetenzen und Qualifikationen für die Ausübung einer qualifizierten Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt zu vermitteln. Ferner soll sie die erforderliche Berufserfahrung ermöglichen. Der erfolgreiche Abschluss befähigt zur unmittelbaren Berufsausübung als qualifizierte Fachkraft in einem von derzeit etwa 330 anerkannten Ausbildungsberufen.

Struktur der Ausbildung

Der Ausbildungsbetrieb schließt mit dem oder der Auszubildenden einen Berufsausbildungsvertrag ab. Die Jugendlichen werden wöchentlich an drei bis vier Tagen im Betrieb und an bis zu zwei Tagen in der Berufsschule ausgebildet. Die Betriebe übernehmen die Kosten der betrieblichen Ausbildung und zahlen dem Auszubildenden eine Ausbildungsvergütung. Die Höhe der Vergütung steigt mit jedem Ausbildungsjahr und beträgt durchschnittlich etwa ein Drittel des Anfangsgehalts für eine ausgebildete Fachkraft. Während der Ausbildung sind die Auszubildenden in der Regel zum Besuch der Berufsschule verpflichtet und werden dazu vom Betrieb freigestellt. Der Besuch der Berufsschule ist für die Auszubildenden kostenfrei.

Wie ist die Ausbildung geregelt?

Für die betriebliche Ausbildung sind die zu erwerbenden beruflichen Handlungskompetenzen in einer Ausbildungsordnung vorgegeben, die vom Ausbildungsbetrieb in einem individuellen Ausbildungsplan konkretisiert wird. Für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule werden für alle anerkannten Ausbildungsberufe Rahmenlehrpläne erstellt, die inhaltlich und zeitlich mit den jeweiligen Ausbildungsordnungen abgestimmt sind.

Internationale Berufsbildungszusammenarbeit

Der reibungslose Übergang von der Schule in das Arbeitsleben, eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz und die ausgezeichnete Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen sind wesentliche Erfolgsfaktoren der dualen Ausbildung, die auch international große Beachtung erfahren. Die Kultusministerkonferenz beteiligt sich im Rahmen der Internationalen Berufsbildungskooperation(Englischsprachige Broschüre) an Konzepten zum Transfer dieses Ausbildungsprinzips.

Seit wann gibt es das duale Ausbildungssystem
Auszubildende im Betrieb | Foto (Ausschnitt): © BIBB / Edmud Schenk

Unkenrufe hatten die duale Ausbildung, bei der die Auszubildenden an ein oder zwei Tagen die Berufsschule besuchen und ihre praktische Ausbildung während des Rests der Woche im Betrieb erhalten, schon vor dem Aus gesehen. Nun erlebt sie ein fulminantes Comeback – überall in Europa.

Ein Hohelied auf die duale Ausbildung als Hotelkauffrau singt Bianca aus Portugal. „Du wirst oft ins kalte Wasser geschmissen und stehst vor Aufgaben, die du noch nie vorher bewältigt hast“, erklärt die junge Frau.

Selbstbewusstsein, Durchhaltevermögen und Schauspielkunst seien bei ihrer Ausbildung gefragt gewesen, Dinge, die man nicht lernt, wenn man „zu Hause bei Mama“ bleibe. „Ich kann nur sagen, es kommt immer gut an und jeder meiner Arbeitgeber war zutiefst beeindruckt, wenn ich von meiner Ausbildung in Portugal sprach.“

Konzerne exportieren duale Ausbildung

Bevor deutsche Unternehmen wie AEG, Bosch oder Miele in Portugal die duale Ausbildung einführten, vermittelten portugiesische Lehrer wirtschaftliches Know-how noch an Berufsschulen. Und zwar in Vollzeit. Lediglich am Ende des Schuljahres wurden zwei- bis dreimonatige Praktika angehängt. Doch weil Fachkräfte fehlten, kam es zum Umdenken. Laut Jörg Heinrich, Leiter Berufliche Qualifizierung der Deutsch-Portugiesischen Industrie- und Handelskammer (DPIHK), baten deutsche Konzerne in den Achtzigerjahren die Kammer, Jugendliche praxisnäher auszubilden.

Das daraufhin ersonnene Konzept für eine Qualificação Inicial Dual sollte sich rasch zu der anerkannten Marke „DUAL“ entwickeln. Die duale Ausbildung beispielsweise zum Automobilkaufmann, Industriekaufmann oder Mechatroniker ist heute dem portugiesischen Abitur gleichwertig. Doch es gibt einen Haken: „DUAL führt noch ein Inseldasein in Portugal, denn pro Jahr haben nur 850 Absolventen diesen Bildungsgang absolviert“, erklärt Steffen G. Bayer vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK).

„Gebt ihnen Werkzeuge, sonst greifen sie zu den Waffen“

Infolge der seit 2008 grassierenden Finanzkrise stieg die Jugendarbeitslosigkeit in Europa im Durchschnitt auf 23 Prozent an. In Griechenland und Spanien liegt sie sogar weit über 50 Prozent. In Deutschland sind trotz Krise nur rund acht Prozent der Jugendlichen arbeitslos geblieben. Vor dem Ausschuss für Bildung und Forschung des Deutschen Bundestages trieb Politikberater Jürgen Männicke berechtigterweise die Sorge um, dass es in Ländern mit großer Jugendarbeitslosigkeit zu „verheerenden sozialen Spannungen“ kommen könnte. Eine qualifizierte Berufsausbildung würde dem sozialen Frieden eines Landes dienen. „Gebt ihnen Werkzeuge, sonst greifen sie zur Kalaschnikow“, so Männicke.

Wie dual aber ist die Berufsausbildung in Europa? Zu den klassischen Ländern mit dualer Ausbildung in Europa zählen Deutschland, Österreich, die Schweiz, Dänemark und die Niederlande; diese Länder haben laut dem Bundesinstitut für Berufliche Bildung (BiBB) die duale Berufsausbildung in großem Umfang eingeführt. In Deutschland lernen 60 Prozent aller Auszubildenden im dualen System. Vereinzelte Ansätze zu einer dualen Berufsausbildung gibt es laut der IHK Rhein-Neckar in Belgien, Finnland, Frankreich, Irland, Luxemburg, Malta, Portugal, Slowenien, Ungarn und England. Doch in den meisten Ländern Europas ist Vollzeitschule noch die Regel. „Das Modell der Vollzeitschule hat jedoch keine Zukunft, weil es am Markt vorbei ausbildet“, meint Steffen Bayer vom DIHK.

„Exportschlager“ duale Ausbildung

„Das deutsche System der dualen Berufsausbildung entwickelt sich zu einem echten Exportschlager“, erläutert auch Außenminister Guido Westerwelle auf der Konferenz „Deutsche Unternehmen – Pioniere der dualen Berufsausbildung im Ausland“ im Frühjahr 2013. Das System der dualen Berufsausbildung sei ein Garant für gut ausgebildete Fachkräfte und geringe Jugendarbeitslosigkeit. Mittlerweile hat sogar die OECD ein Einsehen und empfiehlt den USA einen „Blick nach Deutschland und in die Schweiz“, weil die duale Ausbildung große Vorteile böte.

Angesichts der Nachfrage hat das Bundesbildungsministerium bereits mehr als 40 zwischenstaatliche Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen – von Algerien über Griechenland, Spanien und Portugal bis zu den USA. Und um die internationalen Tätigkeiten zu koordinieren, hat das Ministerium eine Zentralstelle für internationale Berufsbildungskooperationen gegründet. Ferner sind rund 80 Außenhandelskammern dem Bund behilflich, Know-how zur praxisorientierten Berufsbildung ins Ausland zu übertragen. Auch die EU tritt für die duale Berufsausbildung ein. „Lehre und Praktikum können jungen Menschen als Sprungbrett in den Arbeitsmarkt dienen und somit dazu beitragen, die exorbitant hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa in den Griff zu bekommen“, meint László Andor, EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration.

Signalwirkung für Arbeitgeber

Die Abschlüsse, erklärt Holger Seibert vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in Nürnberg, besitzen eine „sehr hohe Signalwirkung für die Arbeitgeber“, da die Absolventen die Prüfungen bei den Industrie- und Handelskammern ablegen müssten. Zwischen 50 und 60 Prozent der Auszubildenden würden nach der Lehre von den Betrieben übernommen. Da die Zeit der Ausbildung eine „Testphase für die Arbeitgeber“ sei, ließen die Abschlüsse viel genauere Vorhersagen zu, wie produktiv die Absolventen tatsächlich sind.

Auf der anderen Seite müsse Seibert zufolge eine Reihe von Voraussetzungen gegeben sein, um eine duale Ausbildung zu installieren: Gesetze, Berufs- und Ausbildungsordnungen und gut vernetzte Kammern. Die Gesetze zum Beispiel müssten die Inhalte der Ausbildung regeln und landesweit normieren, Berufs- und Ausbildungsordnungen etwa die Inhalte der Ausbildungsberufe festschreiben. Industrie- und Handelskammern braucht man, um das Niveau der Ausbildung zu sichern und die staatlichen Prüfungen zu organisieren. Das alles aufzubauen kostet aber viel Zeit – und Geld. „Ob alle Länder in Europa das deutsche duale System zeitnah übernehmen können, bezweifle ich“, resümiert Steffen Bayer. Unternehmen, die um ihr Überleben kämpften, seien kaum zu motivieren, Geld in die Ausbildung zu stecken, auch wenn es eine sinnvolle Investition wäre.

Das krisengeschüttelte Spanien ist jedenfalls auf dem Weg, dual zu werden. Mitte 2012 hat Seat als erstes spanisches Unternehmen das duale System eingeführt. Voraussetzung war eine Arbeitsmarktreform der Regierung, die den Unternehmen erlaubt, Auszubildende sehr viel stärker in die Arbeit im Betrieb einzubinden. Und das soll nach dem Willen der Regierung in Zukunft in möglichst vielen Betrieben die Regel sein.