Renault grand scenic vergleich

Der erste Eindruck: Pep statt Pampers.

Das sagt der Hersteller: Renault-Designchef Laurens van den Acker ist ein glühender Verfechter des Vans, dieser einst geliebten Fahrzeuggattung, die sich in den letzten Jahren aber dem SUV geschlagen geben musste. Die von ihm gestalteten neuen Modelle Scénic und Grand Scénic sollen mit dem Spießer-Image der Vans brechen und sie wieder für bisherige SUV-Käufer attraktiv machen. Zwar sorgt auch Renault selbst mit SUV-Modellen wie dem Kadjar oder künftig dem neuen Koleos für die Kannibalisierung des Van-Segments. Van den Acker stellt aber klar: "Wenn wir als Miterfinder dieses Segment aufgeben, verlieren wir unsere Eigenständigkeit und werden zu einer charakterlosen Mainstream-Marke."

Das ist uns aufgefallen: Was den bequemen Einstieg oder die gute Sicht nach draußen angeht, geben sich SUV und Van nicht viel. Doch wer als Familienmensch nicht nur an sich selbst, sondern auch an die mitfahrenden Kinder denkt, für den kommt eigentlich nur ein Auto wie der Grand Scénic in Frage. Tief gelegener Fahrzeugboden, hohes Dach, langer Radstand - der große Scénic bietet mehr Knie- und Kopffreiheit als jeder SUV in dieser Klasse - von der Option auf eine dritte Sitzreihe und dann sieben Mitfahrgelegenheiten mal ganz abgesehen.

Aber es ist nicht nur die effiziente Raumausnutzung, die einen für den Grand Scénic einnimmt, sondern zum großen Platzangebot bietet der Renault viele Kleinigkeiten, die so in nur wenigen anderen Fahrzeugen erhältlich sind. Klapptische an den Rücklehnen der Vordersitze zum Beispiel mögen ein alter Hut sein, aber wenn dort Halterungen für Tablet-Computer integriert sind, wird daraus eine ziemlich zeitgemäße Neuerung.

Und auch die große Mittelkonsole ist pfiffig. Sie bietet nicht nur mehr Platz als eine typische Krimskramskommode zu Hause, sie ist auch noch um 27 Zentimeter in Längsrichtung verschiebbar und deshalb für die Passagiere in der ersten Reihe genauso leicht zu erreichen wie für die in der zweiten. Drittens schließlich ist das Handschuhfach im Grand Scénic keine dunkle Höhle, in der man umständlich nach der gesuchten Kleinigkeit wühlen muss, sondern eine große Schublade. Um sie zu öffnen, muss der Beifahrer zwar kurz die Knie einziehen, doch dann liegt alles übersichtlich vor einem.

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Für den Konkurrenzkampf mit den SUVs ist der Grand Scénic damit gut gerüstet, weil er eine ebenso elegante wie funktionale Alternative zu den Möchtegern-Geländewagen ist. Doch eine Frage können oder wollen sie auch bei Renault nicht beantworten: Weshalb soll man noch den Espace kaufen, wenn der Grand Scénic mehr Platz für weniger Geld bietet und sich fast genauso vornehm ausstatten lässt?

Das muss man wissen: Der Grand Scénic kostet mindestens 21.290 Euro und ist damit 1300 Euro teurer als der normale Scénic. Dafür gibt es sieben Zentimeter mehr Radstand, 23 Zentimeter mehr Länge und entsprechend mehr Platz im Innenraum - wahlweise für Koffer und Kisten oder eine dritte Sitzreihe, die 800 Euro Aufpreis kostet. Die lässt sich dann mit zwei Handgriffen aus dem Wagenboden falten und ist zumindest auf kurzen Strecken selbst für Erwachsene einigermaßen erträglich. Erst recht, wenn man die verschiebbare Mittelbank ein wenig nach vorne rückt.

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Weil alle Renault-Modelle von Mégane bis Espace auf der gleichen Plattform basieren, haben sie auch weitgehend die gleichen Antriebe. Auch für den Grand Scénic gibt es deshalb die Auswahl zwischen zwei Benzin- und drei Dieselmotorisierungen mit einem Leistungsspektrum von 110 bis 160 PS. Und weil der große Van eben doch ein ganz schöner Brocken ist, fährt sich das Auto mit dem stärksten Dieselaggregat am besten. Weniger, weil man bei so einem Wagen tatsächlich eine Leistung von 160 PS bräuchte, als vielmehr wegen des hohen Drehmoments, das im Zusammenspiel mit dem Doppelkopplungsgetriebe ein wunderbar gelassenes Fahren ermöglicht.

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Auch Ambiente und Ausstattung sind beim Grand Scénic ähnlich wie bei Mégane oder Espace. Das Cockpit ist komplett digital und die Armaturentafel wird dominiert von einem hochformatigen Touchscreen. Es gibt eine charmante Charakterregelung, die neben der Motor- und Getriebesteuerung vor allem auf Klimatisierung, Sitzmassagefunktion und Ambientebeleuchtung wirkt. Man kann LED-Scheinwerfer, Head-up-Display und einen Tempomat mit Abstandsregelung bestellen.

Was dem Grand Scénic im Vergleich mit dem Espace jedoch fehlt, ist zum Beispiel die Allradlenkung. Aber unhandlich fühlt sich das 4,64 Meter lange Auto auch ohne diese virtuelle Radstandverkürzung nicht an. Und wenn der Rangierraum knapp wird, hilft eine Rückfahrkamera weiter.

Das werden wir nicht vergessen: So gut es Renault beim Grand Scénic gelungen ist, das Auto gleichermaßen praktisch und peppig, nobel und bezahlbar zu machen, stößt diese Strategie bisweilen an ihre Grenzen. So gibt es für die Sitze in der ersten Reihe zwar eine Massagefunktion, aber man muss sie trotzdem noch manuell verstellen. Und viel wichtiger als die Schalter und die dazugehörigen E-Motoren, mit denen man jeden Sitz im Fond separat umklappen kann, wäre eine elektrisch angetriebene Heckklappe, die idealerweise per Gestensteuerung bewegt werden könnte. In diesem Fall könnte der Van von einigen SUVs noch etwas lernen.

Wer glaubt, es seien nur ein paar Zeichen im Namen, ein paar Zentimeter bei den Abmessungen sowie 1.300 Euro, die Renault Scénic und Grand Scénic trennen, hat die beiden noch nicht in der Praxis erlebt. Klar, wie auch? Schließlich steht die kleine Variante erst ab 15. November beim Händler, die Langversion folgt etwas später Ende 2016. Sie wollen aber jetzt schon mehr wissen? Dann steigen Sie mit ein, wir durften bereits eine ausgedehnte Runde drehen und die Kompaktvans intensiver kennenlernen.

Kompaktvan in Langversion 1:05 Min.

Renault Scénic mit großen Rädern für die Optik

Auch in der neuen vierten Generation gruppiert sich der Scénic eindeutig in die Klasse der Vans ein. Obwohl SUV und Crossover-Varianten boomen und immer öfter die klassischen Familienwagen ersetzen, hält der französische Hersteller an dem Konzept fest, welches er immerhin mit der ersten Scénic-Generation vor 20 Jahren maßgeblich geprägt hat.

Bewährte Details wie die verschiebbare Mittelkonsole hat er beibehalten, Technik und Aussehen aber modernisiert. Letzteres folgt nun klar der aktuellen Design-Sprache mit dem großen Emblem und den auffälligen LED-Tagfahrleuchten in C-Form an der Front. Eines der ungewöhnlicheren Merkmale dürften die serienmäßigen 20-Zoll-Räder sein, die den Van sehr propper auftreten lassen. Dank 107 Millimeter Flankenhöhe und lediglich 195 Millimeter Breite leiden aber weder Komfort noch Verbrauch.

Unterschiede zwischen den beiden Vans außen: Der Grand Scénic erreicht 23 Zentimeter mehr Länge mit lediglich sieben Zentimeter längerem Radstand und darf im Gegensatz zum kürzeren Modell eine Dachreling tragen. Die Verlängerung erlaubt dem Grand Scénic im hinteren Abteil optional eine dritte Sitzreihe (800 Euro) anzubieten. Da ein passender Griff oder eine Schlaufe fehlt, lassen sich die beiden einzelnen Sitze aber nur mit etwas Fummelei aufrichten und auch Ein- und Ausstieg gestalten sich schwierig. Hinten angekommen sind die Sitze selbst recht komfortabel, aber bei voller Besetzung wird es in beiden hinteren Reihen sehr eng für die Knie. Außerdem sind unabhängig von der Zahl der Passagiere Kopffreiheit und Position der Kopfstützen selbst für mittelgroße Erwachsene hinten kaum ausreichend.

Renault grand scenic vergleich
© Renault

Der kleine Scénic ist 23 Zentimeter kürzer als der Grand Scénic.

Sitze klappen im Scénic einfach

Besser gelungen ist dagegen die Variabilität. Die Rückbank lässt sich im Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel teilen und zu einer ebenen Fläche umlegen, und zwar entweder per Fernentriegelung vom Kofferraum aus oder über das Bordmenü. Außerdem gibt es eine Vielzahl an Ablagen und Staufächern im Innenraum und die Gepäckraumabdeckung findet Platz im Unterboden des Kofferraums.

Die wahre Musik spielt aber vorne. Sowohl der 132 PS starke Benziner, der heute den Scénic vorantreibt, als auch der Topdiesel mit 160 PS, der auf unserer Runde im Grand Scénic arbeitet, summen zurückhaltend ihr kultiviertes Lied. Alternativ werden später für beide Modelle noch der 115-PS-Basisbenziner sowie drei Dieselvarianten ab 110 PS zur Wahl stehen. Ab Ende 2016 vervollständigt zudem ein 48-Volt-Diesel-Hybrid das Angebot. Je nach Motorisierung rollen die Vans mit Handschaltgetriebe oder Doppelkupplungsgetriebe vor. Wobei das Sechsgang-DSG unserem Grand Scénic heute vor allem beim Rangieren eine gewisse Trägheit verleiht. Der handgeschaltete kleine Scénic wirkt dagegen deutlich wacher und spritziger.

An dem spürbar anderen Charakter sind auch Lenkung und Fahrwerk beteiligt. Technisch sind beide Scénic-Varianten zwar gleich, dank des kürzeren Radstands fährt sich der kleine aber agiler. Zudem gibt die Lenkung einen Tick mehr Rückmeldung. Komfortabler dagegen ist die Langversion, die Bodenwellen etwas weicher wegbügelt.

Scénic mit Head-up-Display und Assistenzsystemen

Ansonsten können und wollen die beiden Vans ihre Verwandtschaft zu Mégane, Talisman und Espace nicht verstecken, immerhin basieren alle auf dem CMF-Baukasten der Renault-Nissan-Allianz. So sitzt das Kombiinstrument mit Tacho und Drehzahlmesser (ab Ausstattungslinie Intens als TFT-Display) wieder direkt vor dem Fahrer. Optional sind zudem ein Head-up-Display sowie der hochformatige 8,7-Zoll Bildschirm in der Mitte zu haben. Bei den Fahrerassistenzsystemen profitiert der Scénic ebenfalls vom Konzern-Baukasten. Serienmäßig an Bord ist der Notbremsassistent mit Fußgängererkennung, optional sind Systeme wie ein adaptiver Tempomat, Müdigkeitserkennung und Toter-Winkel-Warner bestellbar. Außerdem sind Einparkhilfen und Rückfahrkamera verfügbar, die angesichts der aus Designer-Sicht zwar gelungenen, aber recht unübersichtlichen Karosserie durchaus empfehlenswert sind.

Die Preise beginnen für den Scénic ab 19.990 Euro. Der Grand Scénic kostet grundsätzlich 1.300 Euro Aufpreis, ist jedoch erst ab der Ausstattungslinie Experience und somit ab 23.490 Euro verfügbar.