Kind wird immer schlechter in der Schule

Was mache ich falsch beim Lernen? Ist mein Kind faul oder leidet es vielleicht an einer ernsthaften Lernstörung, wie beispielsweise einer Lese-Schreib-Schwäche? Warum kann sich mein Sohn nicht konzentrieren? Brauche ich Hilfe von einer Schulpsychologin? Solche oder ähnliche Fragen treten bei den meisten Eltern im Laufe der Schulzeit ihres Sohnes oder ihrer Tochter irgendwann auf. Schulprobleme sind etwas Normales. Allerdings können sie Kinder und Eltern stark verunsichern oder mitunter alle Beteiligten an den Rand der Verzweiflung bringen.

Dabei fängt es doch gut an: Die ersten drei Jahre in Kindergarten und Schule sind in der Regel noch recht gemütlich und stressfrei. Aber in der zweiten Klasse geht «der Ernst des Lebens» los. «In der ersten Klasse werden die Kinder noch etwas geschont und haben die Möglichkeit, sich langsam an das Lernen zu gewöhnen. Auch lernschwache Kinder sind in dieser Phase mit dem System der Einführungsklasse gut versorgt. Am Ende der ersten Klasse müssen die Kinder jedoch einige Lernziele erreicht haben, sodass sich viele Probleme erst jetzt offenbaren», sagt Martin Brunner, Leiter des Schulpsychologischen Dienstes im Kanton Basel-Landschaft.

Die nächste potenziell problematische Phase tritt beim Übertritt in die nächste Schulstufe auf, sei es ab der vierten oder fünften Primarstufe. «Das gibt häufig

Anlass für eine Reihe von neuen Untersuchungen», bemerkt Brunner. Entweder seien die Eltern nicht einverstanden mit der Einstufung, Kinder werden falsch eingestuft oder erfüllen das Niveau nicht.

Was ist Schulerfolg?

Schlechte Schulleistungen oder Schwierigkeiten in der Schule können viele Ursachen haben. Da ist guter Rat teuer. Der erste ist sicher: Nicht in Panik geraten und in Ruhe abklären, woran es liegen könnte. Die Ursachen für Schulprobleme sind nämlich in der Regel vielschichtig. Selten ist der Schüler einfach nur zu bequem oder es liegt an einem einzigen Defizit. Und viele Schwierigkeiten sind auch nur vorübergehender Natur.

Eltern sollten zudem überlegen: Was bedeutet Schulerfolg für mein Kind und woran messe ich das? Er sollte nicht ausschliesslich an den Noten abgelesen werden. «Noten sind ein Versuch, eine Leistung zu bewerten, gemessen an einer fiktiven Norm», schreibt Christina Schaller in ihrem Buch «Eltern und Kind – ein starkes Team». Ein «normaler» Schüler sollte eine Note «befriedigend» erreichen. Ist also ein Mädchen, dem alles zufällt und teilweise gar unterfordert ist, erfolgreicher als eines, dass viel lernen muss und trotz Anstrengung nicht in den oberen Notenbereich vordringt? Christina Schaller weiss: «Beide Kinder sind auf ihre Art und Weise erfolgreich. Doch in unserem Leistungssystem ist der eine Erfolg sichtbar und wird stärker anerkannt als der andere. Vielmehr sollte der Lernprozess im Vordergrund stehen.» Ein Kind ist nicht automatisch erfolgreich, weil es in das Gymnasium geht. Manche Kinder werden von den Eltern stark unter Druck gesetzt. Dabei droht die Gefahr, dass so manchem die Freude am Lernen vergeht. Mancher Schüler und manche Schülerin entwickelt möglicherweise gar eine derart grosse Prüfungsangst, die sich dann als Grund für ein Leistungsversagen entpuppt. Eine allzu grosse Fixierung auf Noten kann grossen Stress hervorrufen und am Selbstbewusstsein nagen. Und unter Stress lernt man bekannterweise nur schlecht. «Ein entscheidender Faktor für Erfolg ist doch auch, sich in der Schule wohlzufühlen und gerne und stressfrei Leistung erbringen zu können», lautet das Fazit der Autorin.

Ohne Motivation geht gar nichts

Wer glaubt, dass man Kinder zum Lernen zwingen muss, irrt. Im Gegenteil: Das menschliche Gehirn lernt immer. Ent-scheidend ist vor allem eine intrinistische Motivation, das heisst eine Motivation, die von innen heraus kommt. Eigenmotivation ist eine der stärksten Kräfte im Menschen. Häufig stellen sich Eltern nämlich die Frage, wie sie ihr Kind zum Lernen motivieren könnten. Hirnforscher Manfred Spitzer sagt dazu: «Wer sich das fragt, stellt aber eine unsinnige Frage. Ebenso könne man sich fragen: Wie erzeuge ich Hunger?»

Gute Leistungen erbringt man, wenn man sich für etwas interessiert. Sicher spielt die Begabung eine grosse Rolle, aber das wirkliche Interesse an einer Sache ist massgebend. Voraussetzung ist natürlich, dass ein Kind die kognitiven und intellektuellen Voraussetzungen erfüllt und nicht an einer Rechen-, Lese-Schreib-Schwäche oder an einer anderen angeborenen Störung leidet. Auch die Stufe und der Schultyp und später die gewählte Berufsausbildung müssen selbstverständlich stimmen.

Ähnlich verhält es sich mit der Konzentration: Ein Kind – vorausgesetzt, es leidet nicht an einer Konzentrationsschwäche – kann sich sehr wohl konzentrieren, sobald es begeistert und fasziniert ist. Zwar ist die Dauer der Konzentrationsfähigkeit je nach Alter verschieden. Aber die Lernmotivation beeinflusst die Aufmerksamkeit, Konzentration und Ausdauer. Martin Brunner weist noch auf einen anderen wichtigen Faktor hin: «Ich frage immer erst, wie ein Kind schläft, ob es genug Schlaf hat und gut ein- und durchschläft. Hinter Schlafproblemen und daraus resultierender Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten können sich nicht erkannte Krankheiten oder auch psychische Probleme verbergen.»

Auch wie ein Kind am besten lernt, ist individuell verschieden. Eine schlechte Lernleistung kann auch an der falschen Lernstrategie liegen. Angelegt werden Lernstrategien früh. «Zu Beginn der Schullaufbahn ist es entscheidend, dass man lernt, richtig zu lernen. Es geht auch darum, seinen eigenen Lernstil zu entwickeln», sagt Martin Brunner. Leistung hängt unter anderem davon ab, ob ein Kind auf Grundregeln zurückgreifen kann. Wer beispielsweise den 10er-Übergang und damit das Dezimalsystem nicht verstanden hat, der wird im Hunderterraum und der Multiplikation grosse Probleme bekommen. Die Fachleute aus der Schule können zusammen mit dem Kind herausfinden, ob und wo Lücken im Grundlagenwissen und bei Lernstrategien liegen. «Sie tun gut daran, das zu tun: Denn zum Tragen kommen solche Defizite oftmals erst später. Und dann ist es schwierig, diese nachzuholen.»

Zudem ist es gut zu wissen, zu welchem Lerntyp das Kind gehört. Mancher Schüler lernt am besten durch Anfertigen einer Zusammenfassung des Lernstoffs, ein anderer merkt sich den Stoff, indem er oder sie zuhört. Der visuelle Lerntyp etwa tut sich schwer damit, eine Textaufgabe rein vom Text her zu lösen. Er muss eine Zeichnung herstellen. «Bei jüngeren und auch bei lernschwachen Kindern müssen die verschiedenen Sinne angesprochen werden», so Martin Brunner. Hat ein Kind ein akustisches Verarbeitungsproblem, kann die Lehrkraft oder ein Lerntherapeut herausfinden, was dem Kind helfen kann.

Wichtig für erfolgreiches Lernen ist die Lernatmosphäre und Lernumgebung. Von Anfang an sollten feste Lernzeiten für die Hausaufgaben abgemacht werden sowie ein eigener Arbeitsplatz vorhanden sein, an dem das Kind in Ruhe und ohne Ablenkungen arbeiten kann. Zur weiteren Umgebung, die einen grossen Einfluss auf die Schulleistungen haben kann, zählen schliesslich die Familie, Schule und Freunde. Wie sich ein Kind in seiner persönlichen Umgebung fühlt, hat grossen Einfluss darauf, wie gut es lernen kann. Familienkonflikte, Scheidung oder Tod eines Angehörigen, ein schlechtes Klassenklima oder Mobbing können eine grosse Belastung darstellen und sich auf die Leistung auswirken.

An einem Strick ziehen

Bei schlechten Schulleistungen rät Schulpsychologe Martin Brunner: «Als Erstes sollten Eltern unaufgeregt das Gespräch mit ihrem Kind suchen. Sie sollten fragen, wie es ihm oder ihr in der Schule geht, ob es Konflikte hat, wie es den Lehrer findet etc. Sie sollten es auch eine Weile gut beobachten, wie es an Aufgaben herangeht.»

In einem zweiten Schritt sollten die Eltern mit dem Klassenlehrer/den Lehrkräften sprechen. Sind sich Schule und Eltern einig über die Ursachen der Lernschwierigkeiten, kann man gezielt helfen. Wendet ein Schüler beispielsweise eine falsche Lernstrategie an, kann ein Lerntraining hilfreich sein. Im Falle von massiver Prüfungsangst kann ein Entspannungstraining gut helfen. Manchmal wird von Seiten der Lehrer oder Eltern die Situation falsch eingeschätzt: So kann Prüfungsangst im schlimmsten Fall als Faulheit gedeutet werden, steckt hinter schüchternem oder provokativem Verhalten grosse Angst vor Versagen oder hinter dem Leistungsabfall handfestes Mobbing. In Fällen von Müdigkeit, Schlaflosigkeit, aber auch diffusen körperlichen Beschwerden muss immer nach allfälligen psychischen und physischen Ursachen gesucht werden. Dafür gibt es eine ganze Reihe von verschiedensten Testverfahren und differenzierte Methoden, die zur Anwendung kommen können. Grundsätzlich sollte das Problem nicht alleine beim Schüler gesucht werden. Und der Umgang der Beteiligten mit dem Problem ist ebenso wichtig wie die Etikettierung mit einer Diagnose. Wichtig ist, dass Lehrpersonen und Eltern das Problem richtig einschätzen und sich bei den Massnahmen einig sind.

Schliesslich sollte bei aller Problematik nicht vergessen gehen: Kinder wie

Erwachsene lernen gerne und man sollte versuchen zu verhindern, dass einem suggeriert wird, dass dem nicht so sei.

Kinder, die in der Schule Mühe haben, stellen ihre Eltern vor Herausforderungen. Was hilft – und wie man seinen Nachwuchs am besten unterstützt.

Kind wird immer schlechter in der Schule

Es sind nicht wenige, die an einer Lernschwäche leiden: Eine Teenagerin verzweifelt am Schulstoff. Foto: iStock

Ein schulisch schlechtes Kind vergleicht sich mit anderen und stellt fest, dass seine Leistungen nicht mit den Erwartungen der Umwelt, sprich jener der Eltern und Lehrer mithalten können. Es fühlt sich als Versager. Tag für Tag. Dabei sind es die Schüler, die es zu bewundern gilt, dass sie diese Mühsal tagtäglich auf sich nehmen, es immer wieder erneut versuchen – auch wenn nicht wenige von ihnen innerlich bereits abgeschlossen haben mit der Schule.

Die Gründe für leistungsschwache Schüler sind vielfältig. Nicht immer lassen sie sich leicht abspeisen mit lapidaren Aussagen und Vermutungen wie: «Die sitzt halt zu viel vor der Glotze», oder: «Der ist nur faul, der Bub.»

Aber eine Dyskalkulie (Rechenschwäche) oder eine LRS (Lese-Rechtschreibe-Schwäche) lässt sich nun mal nicht wegtherapieren; es lassen sich höchstens Methoden einüben, die das Verständnis von Zahlen und Buchstaben fördern. Auch ein ADHS lässt sich selbst mit Medikamenten nicht wegradieren. Sauerstoffmangel bei der Geburt und andere Geburtsschäden sind irreparabel und können sich nachweislich negativ auf die intellektuelle Leistung auswirken. Tatsache ist: Es gibt diese Kinder – und es sind nicht wenige, die an einer Lernschwäche leiden oder kognitiv nicht mithalten können.

Zwischen schlechtem Gewissen und Zukunftsängsten

Gerade dieses Unwissen und das Unverständnis in unserer Leistungsgesellschaft lassen manche Eltern verzweifeln. Wo bleibt ihr Vertrauen ins viel beschworene «Alles wird gut»? Wo bleibt die Gelassenheit, und warum lässt es sich so schwer ertragen, wenn das eigene Kind in der Schule nicht zurechtkommt?

Es gibt Eltern, die sich selbst als Versager erleben, und zwar in Bezug auf ihre Erziehung. Sie quälen sich mit dem Gedanken, selber schuld an der schulischen Misere ihrer Kinder zu sein. Das schlechte Gewissen schlummert unter dem Kopfkissen und lässt die elterliche Seele des Öfteren schlecht schlafen. Gedanken kreisen: Haben wir zu viel Druck ausgeübt? Haben wir es schleifen lassen? Sie fragen sich, warum sie sich schämen und es hassen, wenn die Frage aufkommt, wie es ihrem Kind in der Schule geht. Oder schlimmer noch, wenn Zeugnisnoten bei Kaffee und Kuchen in der elterlichen Runde besprochen werden! All dies zerrt an den Kräften.

Eltern von «schlechten» Schülern gehen einen schmalen Grat.

Andere Eltern wiederum plagen vor allem Zukunftsängste. Es sind liebende Eltern, wie alle. Und liebende Eltern haben die Zukunft im Auge. Sie befürchten, dass alles bachab geht, die Kinder den Übertritt in die Sek A nicht schaffen, keine Lehrstelle finden, auf der Strasse landen. Diese Angst ist nicht unbegründet, sind die Anforderungsprofile für etliche Berufe doch enorm hoch.

Ja, Eltern von «schlechten» Schülern gehen einen schmalen Grat. Ständig stehen sie wie Kaffeefiltermaschinen den Forderungen der Schule gegenüber, indem sie versuchen, den Druck und den Schulstoff zu filtern und in verdünnter Form ihren Kindern zu verabreichen. Es braucht viel Fingerspitzengefühl, Verständnis gepaart mit Beharrlichkeit, eine Engelsgeduld und Nerven wie Drahtseile. Eltern, die Schulkinder haben, welche eben nicht als Selbstläufer durch die Schuljahre flutschen, können ein Lied davon singen. Und eine Arie auf den Hausaufgabenstress dazu.

Was also können diese Eltern Gutes tun, für sich selber und für ihre Kinder?

  • Für das Kind körperlich, emotional und moralisch zur Verfügung stehen.
  • Auf Dauerpredigten und Drohungen verzichten.
  • Zuversicht ausstrahlen anstatt Schreckensszenarien entwerfen!
  • Niemals dem Kind abnehmen, was es selber kann!
  • Weniger Lernstoff abfragen, sondern mit dem Kind über Gott und die Welt reden – auf diese Weise also sein Interesse wecken.
  • Sich selber mal auf die Schulter klopfen. Ihr täglicher Einsatz ist eine Leistung.
  • Das Gefühl der Wertschätzung auch einem Kind vermitteln, welches schulisch nicht top ist.
  • Richten Sie Ihr Augenmerk auf die momentanen Interessen Ihres Kindes!
  • Schaffen Sie Situationen, in denen es Anlass zur Freude und zum Lachen gibt.
  • Sorgen Sie für Erfolgserlebnisse. Fördern Sie die Stärken Ihres Kindes!
  • Hadern Sie nicht. Denken Sie: Wer weiss, wofür es gut ist! Sie werden an Ihrer Lebensaufgabe wachsen und reifen – wie Ihr Kind!

Und das Allerwichtigste: Bleiben Sie ihrem Kind nahe! Bemühen Sie sich, es als Ganzes zu sehen, nicht nur als Schüler.

Lassen Sie es nicht zu, dass Aussenstehende oder die Gesellschaft ihr schulisch schwaches Kind als minderwertig betrachten. Stehen Sie für ihr Kind ein. Es verdient die gleiche Anerkennung wie Gymischüler. Erfahrene Wanderer wissen: Geradlinige Wege sind langweilig und monoton. Eine Wanderung über Stock und Stein, Hindernisse, Umwege und Abzweigungen: Davon lässt sich später spannend berichten. Letztlich führt jeder Weg irgendwann irgendwo hin. Irgendwie.

Und zum Schluss folgendes Zitat für die Kühlschranktür von Stacia Tauscher: «Wir sorgen uns, was morgen aus unserem Kind werden wird, dabei vergessen wir, dass es heute schon jemand ist.»

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