"Speer wird zerschellen, Schild zersplittern, ein Schwerttag, ein Bluttag, ehe die Sonne steigt!" Nach dieser Ansprache reitet Theoden mit seiner Armee in die Schlacht und bildet damit einen der Gänsehaut-Momente der Filmgeschichte! Wenn Orks, Elfen, Menschen, Zwerge und Hobbits in "Herr der Ringe" aufeinandertreffen, wächst kein Gras mehr. Das dachte sich auch Electronic Arts. Der Publisher hatte Mitte der 2000er die Lizenz der Filme und Bücher unter seinem Dach und deswegen wurden mehrere Spiele entwickelt, darunter ein Echtzeitstrategiespielserie.
Schlacht um Mittelerde zauberte die epischen Kämpfe um Helms Klamm und Minas Tirith auf den Bildschirm, und ein gutes Jahr später kam der noch einmal rundere zweite Teil: Schlacht um Mittelerde 2. Weil der dieses Jahr seinen 15. Geburtstag feiert, haben wir uns das Spiel noch einmal aus dem Archiv geholt und uns in an der Seite von Aragorn, Gimli und Legolas in die Schlacht gestürzt!
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DHdR: Schlacht um Mittelerde 2: Retro-Special zur besten HdR-Strategiespiel
Auch der Zahn der Zeit nagt am Programmcode und so zickt das Spiel, wie so viele andere ältere Titelauch, unter Windows 10 herum und lässt sich nicht starten. Glücklicherweise haben hier die Fans mit einem Patch Abhilfe geschaffen. Also dann! Das Spiel startet, die Logos laufen und wir kommen in das vermutlich schönste Hauptmenü der Spielegeschichte, das Fans der Filme Nostalgietränen in die Augen treibt.
Wir sehen keine epischen Kämpfe oder Armeen, sondern eine Szene aus Der Herr der Ringe - Die Gefährten, in der die Gemeinschaft des Rings den Fluss Anduin hinabfährt und die Argonath passiert. Diese Szene, in der Frodo, Aragorn & Co. an den riesigen Steinstatuen entlangfahren, strahlt eine unglaubliche Ruhe und Frieden aus. Währenddessen untermalt der heimelige Soundtrack der Filme die Kulisse. Diese Bilder stehen in einem krassen Kontrast zum Rest des Spiels, in dem es schließlich um epische und gigantische Schlachten geht. Das Hauptmenü ist also der Ruhepol, von dem aus man sich in die Schlacht stürzt.
Karten auf denen gespielt wird, besitzt das Spiel in Hülle und Fülle. Haben wir uns ein Match nach unseren Wünschen zusammengeklickt, geht es auch schon los. Wir starten immer mit einem bereits gebauten Hauptgebäude und zwei Baumeistern, die unsere Siedlung hochziehen. Im Gegensatz zu Schlacht um Mittelerde 1 hat man keine festgelegten Bauplätze mehr innerhalb einer stehenden Festung mit Burgmauern. Nun bauen wir alles selbst auf. Bis heute spaltet diese Entscheidung die Fans. Wo die einen die fertige Festung toll finden, bauen die anderen lieber alles selbst auf.
Der Hauptteil von Schlacht um Mittelerde 2 ist klassische Echtzeitstrategie. Mit Ressourcengebäuden farmen wir unser Geld, von dem wir dann wieder andere Gebäude bauen und Truppen ausbilden. Zusätzlich gibt es noch Verteidigungsanlagen, wie Mauern, Abwehrtürme und Ballisten, aber auch passive Boni, wie ein stärkeres Mauerwerk. Die Truppen sind unterschiedlich, doch zwischen den Fraktionen recht ähnlich. Neben Schwertkämpfern, Fernkämpfern und Lanzenträgern, warten außerdem noch Reiter und schwere Kriegsmaschinerie, wie Katapulte oder Ballisten. Die Stärken und Schwächen folgen dem klassischen Schere-Stein-Papier-Prinzip. Schwertkämpfer sind schwach gegen Bogenschützen, die wiederum halten keine Kavallerie aus und die Kavallerie wird schnell von den Lanzenträgern aufgespießt.
Ganz neu kommt in Schlacht um Mittelerde 2 die Mechanik rund um den einen Ring dazu. Wo man im Vorgänger den guten alten Gollum noch als Helden rekrutieren konnte, rennt dieser jetzt zufällig über das Schlachtfeld. Im Gepäck hat er den einen Ring. Wer Gollum also kurzerhand umnietet, kassiert den Ring der Macht und rekrutiert sich für aberwitzig viele Ressourcen entweder Sauron persönlich oder Galadriel Sturmkönigin. Das ist ein nettes Gimmick und kann eine aussichtslose Situation noch einmal drehen.
Das Balancing ist durchaus gelungen, doch hakt es an der einen oder anderen Stelle. Bei manchen Fraktionen merkt man sehr deutlich, dass sie schwächer sind als die anderen. Wer beispielsweise mit den Höhlenorks oder den Zwergen in die Schlacht zieht, hat nicht so viel zu lachen. Die Schwierigkeitsgrade der Computergegner sind ebenfalls nicht sonderlich ausgeglichen. Während sie auf "Leicht" und "Mittel" nur abwesend in der Gegend lungern und keine Herausforderung sind, ist der schwere Modus fordernd, aber machbar und der brutale Schwierigkeitsgrad der Gegner dann wiederum fast zu extrem.
Trotzdem machen die Gefechte Spaß und die Details im Spiel sind auch heute noch schön anzusehen. Wenn man zuschauen kann, wie die Orks ihre Trolle quälen oder die Uruks ihre Soldaten aus der Grube ziehen, erkennt man jedes Mal aufs Neue die Liebe zum Detail.
Dabei erzählt Schlacht um Mittelerde 2 nicht die Hauptgeschichte der Filme, sondern konzentriert sich auf unbekanntere Schlachtfelder im Norden von Mittelerde, wie Dol Guldur oder den Erebor. Kenner der Bücher und der Zusatzliteratur kommen hier voll auf ihre Kosten. So hält die Figur des Tom Bombadil Einzug in die Spiele, der aus den Filmen gestrichen wurde. Trotzdem kommen auch bekannte Orte nicht zu kurz, etwa wenn wir Lorien, Bruchtal oder das Auenland brennen lassen. Die Kampagne erfindet das Rad zwar nicht neu, doch sie bietet einige Stunden Spielspaß, in denen man die Eigenheiten aller Fraktionen kennenlernt.
Ebenfalls spannend ist der dritte Modus, der Schlacht um Mittelerde 2 komplettiert und dabei seine ganz eigenen Geschichten erzählt: Der Ringkrieg-Modus! Der verfrachtet uns auf eine Landkarte von Mittelerde, die in verschiedene Zonen und Länder eingeteilt ist. Auf dieser verschiebt man seine Einheiten, baut Häuser, rekrutiert Armeen und zieht natürlich in den Krieg. Wer da jetzt an die Total-War-Serie denkt, liegt goldrichtig. Die Entwickler von Schlacht um Mittelerde haben sich stark an dieser Strategiespielserie orientiert. Die Gefechte können auf Wunsch automatisch oder in Echtzeit ausgetragen werden.
Ein halbes Jahr nach Release erhielt Schlacht um Mittelerde 2 eine offizielle Erweiterung mit dem Addon "Der Aufstieg des Hexenkönigs". Bis heute hält die Erweiterung im Guinness Buch der Rekorde den Titel für den längsten Namen einer Computerspieleerweiterung. Neben dem langen Namen bekommen Spieler eine neue Story rund um den Anführer der Nazgûl, eine neue Fraktion für Gefechte und Ringkrieg und neue Helden.
Doch ab dann trat die große Stille ein. Das Spiel kam sehr gut an, räumte Top-Wertungen ab und schafft es heute noch auf einen Meta-Score von 84 - etwas höher als der des Vorgängers. Das hilft aber alles nichts, denn die Serie war zum Tode verurteilt. 2006 nahm der Hype um die Filme langsam wieder ab und die Echtzeitstrategie war sowieso auf dem absteigenden Ast. Drei Jahre später musste EA die Lizenz am Universum dann auch abtreten.
Obendrauf bastelt ein weiteres Fan-Entwicklerteam an einem kompletten Remake des ersten Teils. Mit Schlacht um Mittelerde: Reforged will man den Zauber der Spiele in die Unreal Engine 4 verfrachten. Doch gilt hier wie bei so vielen riesigen Modprojekten, dass man erst mal abwarten und schauen muss, was da kommt.
Doch auch der Zauber der Originalteile lebt nach wie vor! Nachdem wir uns erneut in der Kampagne durch die nördlichen Lande geschlagen haben, gemeinsam mit Gandalf an die Front gestürmt sind und Schlachten gerade noch mit Müh und Not zu unseren Gunsten drehen konnten, hatten wir das große Bedürfnis, sofort alle drei Filme erneut zu schauen. Das Schlachtengefühl der Filme wird fantastisch eingefangen und auch 15 Jahre nach Teil 2 strotzt das Spiel nur so vor kleinen Details, bei denen es Fans des Tolkien-Universums warm ums Herz wird.
Deswegen können wir nur an Warner Games - den aktuellen Lizenzhalter - appellieren: Klopft doch mal bei EA an und einigt euch. Ein Remaster oder sogar ein offizielles Remake, bei dem wieder mehr Leute Zugriff auf die Spiele bekommen, hätte die Serie mehr als verdient!
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Der Balrog wird zwar als etwas zu mächtig angesehen, doch ist es trotzdem ein fantastischer Moment, ihn in der Schlacht zu rufen. [Quelle: Electronic Arts]
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Von
Carlo Siebenhüner
Redakteur
25.07.2021 um 10:00 Uhr