Antrag auf Besuch einer anderen als der zuständigen Grundschule nrw

In Deutschland herrscht gem. Artikel 7 des Grundgesetzes Schulpflicht. Dabei ist die Grundschule für alle Kinder die erste Station ihres Bildungsweges. Doch wer entscheidet, auf welche Grundschule ein Kind gehen muss? Welche Rolle spielt das Sprengelprinzip und welche Möglichkeiten haben Eltern, ihr Kind trotz der Schulsprengelpflicht an einer alternativen Schule einzuschulen? Diese und weitere Fragen beantwortet dieser Artikel.

Freie Schulwahl: Wahl der Grundschule ist Ländersache

Die Bildung in Deutschland ist Sache der Bundesländer. Dementsprechend gelten auch bei der Schulwahl je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen. In vielen Bundesländern bestehen für staatliche Grundschulen festgelegte Einzugsgebiete.

Das bedeutet: Kinder, die im Umkreis einer bestimmten Schule leben, werden dieser automatisch zugeordnet. Dieser Vorgang wird als Schulsprengel-Prinzip bezeichnet. Dies soll dafür sorgen, dass der Schulweg möglichst kurz ist und die soziale Selektion zum Schuleintritt verhindert wird.

Schulsprengel: Ausnahmen möglich

Einige Bundesländer haben das Schulsprengel-Prinzip weitgehend oder gänzlich abgeschafft. Dazu zählen Nordrhein-Westfalen und Hamburg. In diesen Bundesländern gilt bei der Anmeldung für die Grundschule die freie Schulwahl – Eltern können sich frei zwischen allen Schulen im Stadt- bzw. Einzugsgebiet entscheiden.

Allerdings kommt es häufig vor, dass einige Schulen deutlich mehr Anmeldungen verzeichnen als sie aufnehmen können. Für solche Fälle hat der Gesetzgeber Auswahlkriterien definiert, welche bei der Zuordnung des Schulplatzes von Bedeutung sind. Dazu zählen:

  • eventuelle Geschwisterkinder auf der Schule
  • die Entfernung der Schule zum Wohnort des Kindes
  • eine schwere Erkrankung oder Behinderung des Kindes

Die Härtefall-Kriterien finden jedoch äußerst selten Anwendung. Im Jahr 2018 konnten über 95 Prozent aller Kinder an ihrer Wunschschule eingeschult werden.

Schulsprengel umgehen: So funktioniert es

Wer sein Kind trotz geltender Schulsprengel-Regelung auf einer anderen als der vom Staat vorgegebenen Grundschule einschulen möchte, hat zwei Möglichkeiten:

1. Die Einschulung an einer freien Schule

Soll das Kind auf einer alternativen Grundschule, beispielsweise auf einer Montessori- oder Waldorf-Schule eingeschult werden, darf diese grundsätzlich weiter entfernt vom Wohnort des Kindes liegen, da diese freien Schulformen üblicherweise nicht an allen Standorten zu finden sind. Die gewünschte Einschulung an einer freien Schule ist der zuständigen Schule sowie der örtlichen Schulbehörde schriftlich mitzuteilen.

2. Beantragung der Einschulung bei einer anderen staatlichen Grundschule als der zugewiesenen

Eltern können beim Schulamt einen begründeten Antrag einreichen, warum ihr Kind auf eine staatliche Grundschule außerhalb des Einzugsgebiets gehen soll. Die Begründung ist essentiell für die Bewilligung des Antrages. Aus diesem Grund sollte der Antrag mithilfe eines Rechtsbeistandes formuliert werden. Eine zuverlässige Privat-Rechtsschutzversicherung hilft bei der Suche nach einem kompetenten Anwalt.

Mögliche Gründe für die Beantragung sind:

  • Der Arbeitsort der Eltern macht den Besuch der staatliche zugewiesenen Grundschule schwierig.
  • Die zugewiesene Schule ist keine verlässliche Halbtagsschule, so dass die Betreuung des Kindes bei einem etwaigen Unterrichtsausfall nicht gewährleistet ist.
  • Das Kindeswohl ist durch einen unzumutbaren Schulweg gefährdet.

Grundsätzlich gilt: Argumente, die sich direkt gegen die zugewiesene Schule richten, führen häufig nicht zum Erfolg. Auch die bisherigen sozialen Kontakte des Kindes sind üblicherweise kein rechtsgültiger Grund für eine abweichende Einschulung (vgl. Verwaltungsgericht Wiesbaden, Az.: 6 L 4416/17).

Hinweis: Der Erfolg eines Ausnahmeantrags hängt von den Aufnahmekapazitäten der gewünschten Grundschule ab. Sind diese erschöpft, haben Eltern wenig Chancen, dass ihr Kind an der gewünschten Schule eingeschult wird.

Schulwahl: Wahl der weiterführenden Schule

Wie es für Schüler nach der Grundschule weitergeht, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. In einigen Bundesländern herrscht eine freie Schulwahl – Eltern können selbst entscheiden, ob ihr Kind eine Haupt-, Realschule oder ein Gymnasium besuchen soll. Die Grundschule spricht im Vorwege eine Empfehlung aus, für welche weiterführende Schule das Kind geeignet ist. Diese Empfehlung ist – mit Ausnahme von Baden-Württemberg – nicht bindend.

Andere Bundesländer legen anhand klarer Notengrenzen fest, welche Schüler ein Gymnasium besuchen dürfen. Schüler, deren Noten unter diesen Grenzen liegen, können spezielle Aufnahmeprüfungen oder mehrtägige Probeunterrichtsstunden absolvieren, um die Zulassung für ein Gymnasium zu erlangen.

Durch die Bildung von Schulbezirken bzw. Schuleinzugsbereichen hat der Schulträger die Möglichkeit, die Schülerströme gleichmäßig auf die Schulen zu verteilen. Wenn der Schulträger Schulbezirke bzw. Schuleinzugsbereiche gebildet hat, hat die Schülerin oder der Schüler die für den betreffenden Wohnsitz zuständige Schule zu besuchen. Aus "besonderen Gründen" kann die Schulaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit dem Schulträger den Besuch einer anderen als der zuständigen Schule gestatten. Bei dem Begriff "besondere Gründe" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die besonderen Gründe sind aufgrund einer Abwägung der Interessen des Schulträgers und den Schülers zu ermitteln. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen ist bei der Bestimmung der besonderen Gründe letztlich das Wohl des Kindes ins Auge zu fassen.

Als "besondere Gründe" werden von der Rechtsprechung u.a ein gefährlicher Schulweg und die Nachmittagsbetreuung des Schülers in einem anderen Schulbezirk bzw. Schuleinzugsbereich anerkannt. Dies hat in der Vergangenheit dazu geführt, daß insbesondere wegen der Nachmittagsbetreuung in einem anderen Schulbezirk bzw. Schuleinzugsbereich zahlreiche Schüler nicht in ihrer eigentlich zuständigen Schule eingeschult worden sind. Die Folge ist, daß Schulträger nicht mehr im angemessenen Umfang in der Lage sind, die Schülerströme gleichmäßig auf die Schulen zu verteilen.

Aufgrund dessen hätte in einer Schule einer Mitgliedskommune eine zusätzliche Klasse gebildet werden müssen. Da jedoch ein zusätzlicher Raum nicht zur Verfügung stand, hätte die Schule ausgebaut werden müssen. Das zuständige Schulamt hat die Auffassung vertreten, daß die Bildung einer zusätzlichen Klasse nicht abgelehnt werden könne. Die zu diesem Thema vorliegende Rechtsprechung messe dem Wohl eines Kindes eine besondere Bedeutung bei. Danach werde einem Antragsteller ein nahezu lückenloser Anspruch auf Stattgabe seines Antrages insbesondere dann eingeräumt, wenn er schlüssig darlegen bzw. nachweisen könne, daß z.B. wegen der Berufstätigkeit der Erziehungsberechtigten der ständige Aufenthalt des Kindes am Tage bei der mit der Betreuung und Beaufsichtigung beauftragten Personen oder Einrichtungen liegt.

Diese Auffassung ist abzulehnen, weil das Schulamt die Interessen des Schulträgers nicht angemessen berücksichtigt hat. Derzeit existiert keine verwaltungsgerichtliche Entscheidung, die sich mit dieser speziellen Problematik befaßt hat; es liegen vielmehr lediglich allgemeine Grundsätze der Rechtsprechung vor, die jedoch nicht die Auffassung des Schulamtes stützen.

Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen sind die Gründe für eine Ausnahmegenehmigung im Rahmen einer Abwägung der widerstreitigen Interessen dergestalt zu berücksichtigen, daß das öffentliche Interesse an der ausnahmslosen Durchsetzung der Schulbezirksordnung mit dem Individualinteresse an der Durchbrechung der Verordnung abgewogen wird. Eine solche Abwägung fällt um so eher zugunsten des Schülers aus, je schwerwiegender – einerseits – die im Falle einer Ablehnung seines Antrages ihn betreffenden Nachteile sind und je geringer – andererseits – die konkrete Beeinträchtigung der Schutzgüter der öffentlichen Hand ist (vgl. Urteil vom 20.10.1994 – Az.: 19 A 631/94).

Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, daß auch die Schutzgüter der öffentlichen Hand zu berücksichtigen sind. Zwar ist letztlich das Wohl des Kindes entscheidend, doch ist unzweifelhaft auch das öffentliche Interesse in die Abwägung einzustellen. Dies hat zur Folge, daß das Wohl des Kindes dann ausnahmsweise zurücktreten muß, wenn das öffentliche Interesse derart massiv betroffen ist, daß eine Beschulung des Kindes in der nicht zuständigen Schule als unverhältnismäßig erscheinen würde.

Dies ist der Fall, wenn die Beschulung des Kindes in der nicht zuständigen Schule dazu führen würde, daß der Schulträger eine zusätzliche Klasse einrichten müßte, für die kein zusätzlicher Klassenraum zur Verfügung steht, so daß der Schulträger letztlich gehalten wäre, die Schule auszubauen. In derartigen Fällen wird man aufgrund der erforderlichen Investitionen in Zeiten knapper Kassen nicht zu dem Ergebnis kommen können, daß das Individualinteresse grundsätzlich gegenüber den Interessen des Schulträgers als vorrangig zu bewerten ist.

Die erforderliche Investition würde sich letztlich auch zu Lasten der anderen Schülerinnen und Schüler auswirken, bei denen dann im freiwilligen Bereich der Ausstattung der Schule – z.B. im Medienbereich – Einsparungen vorgenommen werden müßten. Ohnehin sind zahlreiche Kommunen kaum in der Lage, ihre Schulbauten in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten. Wenn nunmehr der Schulträger die Schülerströme nicht mehr steuern und hierdurch zu kostspieligen Baumaßnahmen verpflichtet ist, so wird dies im Ergebnis dazu führen, daß die Schulen sich insgesamt in einem noch schlechteren Zustand befinden werden. Die Leidtragenden sind letztlich die Schülerinnen und Schüler. Auch aus diesem Grunde führt eine Abwägung der widerstreitenden Interessen hier zu dem Ergebnis, daß das öffentliche Interesse gegenüber dem Individualinteresse des Schülers oder der Schülerin als vorrangig zu bewerten ist.

Der Schul-, Kultur- und Sportausschuß des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen daher am 04. April 2001 den Beschluß gefaßt, daß der Besuch einer anderen als der zuständigen Schule gem. § 6 Abs. 3 Schulpflichtgesetz unter dem Vorbehalt steht, daß eine Beschulung dort organisatorisch möglich ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Bildung einer zusätzlichen Klasse dazu führen würde, daß die Schule ausgebaut werden muß.

Zwischenzeitlich ist die Thematik auch mit dem Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen erörtert worden. Das Ministerium hat hierzu mit Schreiben vom 13.7.2001 folgendes mitgeteilt:

- "Den Schulträgern steht grundsätzlich die Möglichkeit zu, Schülerströme durch die Bildung von Schulbezirken und Schuleinzugsbereichen innerhalb des Stadt- bzw. Gemeindegebietes sinnvoll zu lenken. Es können auch Überschneidungsbezirke geschaffen werden, um einen Ausgleich der Schülerströme ggfs. zu veranlassen (§ 9 Schulverwaltungsgesetz).

- In der Regel handelt es sich bei der Entscheidung über den Besuch einer anderen als der zuständigen Schule oder eines anderen als des zuständigen Berufskollegs um Einzelfallproblematiken. Ausnahmsweise können hierbei Individualinteressen zurücktreten, wenn andernfalls die Funktionsfähigkeit der Schule nicht gewährleistet ist. Bei diesem Abwägungsprozeß können die Kosten auch ein relevanter Abwägungsfaktor sein."

Az.: IV/2-213-0/2