Ab welcher Entfernung wird ein Gewitter gefährlich

Datum 28.06.2020

Man sieht die bedrohlich dunklen Gewitterwolken oft schon aus der Ferne oder man hört den Donner, der auf einen Blitz folgt. Aber wie weit ist das Gewitter weg?

Auch in diesen und den folgenden Tagen gibt es in Deutschland wie so oft im Sommer mal wieder teils kräftige Gewitter. Wolkentürme, die sich bei Gewittern stapeln, kann man über viele Kilometer hinweg sehen, den Donner von Blitzen oft bereits einige Zeit vor Ankunft des Gewitters hören. Wie weit sind die Gewitter dann tatsächlich entfernt?

Ein Gewitter bildet Wolkenberge aus, die in kräftigen Exemplaren in den mittleren Breiten im Winter bis etwa 8 und im Sommer 10 bis 12 km hoch werden können. In den Tropen sind sogar Gebilde mit bis zu stolzen 16 km Höhe möglich.

Über die Erdkrümmung und den Satz des Pythagoras sowie unter Beachtung der atmosphärischen Refraktion (Lichtbrechung) lässt sich berechnen, wie weit der Horizont entfernt ist. Für einen 1,70 m großen Menschen ist er rund 5 km entfernt. Kommen nun aber Objekte am Himmel dazu, kann man diese über eine viel größere Strecke noch sehen! Eine 8 km hohe Gewitterwolke wäre theoretisch bis zu 350 km weit sichtbar, eine 12 km hohe bis 435 km. Die höchsten Gewitterwolken bis in 16 km Höhe könnten sogar bis zu 500 km weit zu sehen sein!

Allerdings vermindern in vielen Fällen andere Faktoren diese theoretische Sichtweite. Dunst, Staubpartikel, andere Wolken, Bäume oder Objekte lassen die Sichtweite bei uns meist auf maximal 100 bis 150 km schrumpfen. An Tagen mit einer guten Sichtweite kann also ein sehr weit entferntes Gewitter gut am Horizont beobachtet werden (siehe dazu das angehängte Bild mit geschätzt etwa 50 bis 100 km weit entfernten Gewittern unter https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2020/6/28.html).

Die Chance, dass dieses Gewitter zum eigenen Standort zieht, ist jedoch gering. Zum einen müsste sich das Gewitter zu uns verlagern und dürfte sich dabei nicht vorher schon auflösen. Die meisten Gewitter haben allerdings nur eine Lebensdauer von einer bis anderthalb Stunde(n). Zum anderen müsste auch die Zugrichtung passen. Da sich das Gewitter ja in alle möglichen Himmelsrichtungen bewegen kann, ist es eher unwahrscheinlich, dass es genau die Richtung zu uns einschlägt. Manch einem Beobachter drängt sich dann der Verdacht auf, dass die Gewitter immer an einem vorbeiziehen, was in der Tat aber nicht so ist (siehe dazu das Thema des Tages "Warum ziehen die Gewitter immer an mir vorbei?" vom 15.08.2015 unter https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2015/8/15.html).

Die Blitze eines sehr weit entfernten Gewitters lassen sich nachts oft auch beobachten, tagsüber sind sie durch die Störung anderer Lichtquellen (vor allem der Sonne) meist nur in Entfernungen bis maximal 20 oder 25 km zu sehen. Den auf einen Blitz folgenden Donner eines weit entfernten Gewitters hört man jedoch meist nicht. Der sich in alle Richtungen ausbreitende Schall des Donners verliert sich ebenfalls spätestens nach 25 km, im seltenen optimalen Fall kann man ein dumpfes Grollen noch bis zu 50 km weit hören. Ein zu sehender Blitz ohne Donner wird per meteorologischer Definition übrigens als Wetterleuchten bezeichnet. Andererseits ist es auch möglich, dass man einen Donner hört, aber vor allem tagsüber gar keinen Blitz sieht. Dann wissen Sie jetzt, dass das Gewitter wohl nicht weiter als 25 km weit weg ist.

Um die genaue Entfernung des Blitzes zu ermitteln, lässt sich die Schallgeschwindigkeit ausnutzen. Während der Blitz quasi zeitgleich zum Auftreten zu sehen ist (Lichtausbreitung rund 300.000 km pro Sekunde), legt der Schall des Donners nur rund 330 m pro Sekunde zurück. Für einen Kilometer braucht er also 3 Sekunden. Zählt man nun die Sekunden zwischen dem Blitz und den Donner und teilt diese durch 3, hat man die Entfernung zum Gewitter in Kilometern. Beispiel: Zwischen Blitz und Donner lagen 9 Sekunden, dann hat der Blitz in etwa 3 Kilometern Entfernung eingeschlagen.

Hat das Gewitter eine Entfernung von etwa 10 km unterschritten, wird es zunehmend gefährlich. Spätestens dann sollte man sich in Sicherheit begeben, am besten in einem Gebäude oder zur Not auch im Auto. Ein "Blitz aus heiterem Himmel" (oder auch "Blitz aus dem Blauen") ist meteorologisch gesehen tatsächlich möglich (siehe auch https://www.weather.gov/pub/lightningBoltBlue). Meist ist das Gewitter dann aber schon in der Nähe, in der Regel nicht mehr als 10 bis 20 km weit weg. Allerdings sind nachweislich sogar schon Blitze aus heiterem (blauem) Himmel mit bis zu 40 km Entfernung beobachtet worden! Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Ereignis ist allerdings eher gering.

Dipl.-Met. Simon Trippler

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 28.06.2020

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Duschen?

Ja, aber nur wenn das Gebäude über einen Blitzschutz verfügt. In allen anderen Häusern ist wichtig, ob das Haus Wasserrohre aus Kunststoff hat, die Strom und Blitze nicht leiten. In älteren Gebäuden können im Badezimmer noch Metallteile wie Wasserleitungen und Badewanne elektrisch verbunden und an einen Haupt-Erdungsanschluss angeschlossen sein. Ist das laut VDE vollständig und dauerhaft haltbar, kann man ebenfalls duschen und baden während eines Gewitters. In allen Zweifelsfällen besser kurz warten. Es gilt die Faustregel: Wenn man eine halbe Stunde keinen Donner mehr gehört, ist das Gewitter vorbei.

Unter Bäumen Schutz suchen?

Ein bekanntes Sprichwort lautet: "Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen." Aber stimmt das? Auf keinen Fall sind Buchen sicherer als andere Bäume, erklärt der VDE. Es macht grundsätzlich keinen Unterschied, unter welchem Baum man steht. In der Nähe besteht immer Gefahr bei Gewittern. Am besten bleiben zu jedem Ast mindestens zehn Meter Abstand.

Auto fahren?

Sicher sind Passagiere in Autos mit Ganzmetallkarosserie, erklärt der VDE. Denn dort schützt sie ein sogenannter Faradayscher Käfig: Schlägt der Blitz ein, leitet die Außenhaut aus Metall den Strom zur Erde ab. Generell kann ein Auto durch den Blitzeinschlag Schaden nehmen, zum Beispiel die Reifen durch die Hitze des Stroms. Dessen elektromagnetisches Feld könne zudem die Elektronik des Autos beschädigen. Nach dem Gewitter prüfen die Autofahrer sicherheitshalber die Funktionen der Elektronik.

Schnell mit dem Rad nach Hause fahren?

Hier gibt es zwei Probleme: Die Nähe zu einem metallenen Gegenstand wie ein Rad ist gefährlich. Und dann ist da die Frage, wie viel Zeit man noch hat, bevor die Blitzgefahr unmittelbar ist. Beobachtungen zufolge kann ein Blitz fünf Kilometer und mehr weit weg von seiner Ursprungswolke einschlagen. Die Entfernung eines herannahendes Gewitters lässt sich recht gut abschätzen: Die Sekunden zwischen Blitzeinschlag und Donnerhall zählen und das Ergebnis durch drei teilen. Das ergibt die Entfernung in Kilometern.

Faustregel
Liegen zwischen Blitz und Donner zehn Sekunden und weniger, besteht Lebensgefahr, betonen die VDE-Experten.

Unter einem Regenschirm stehen?

Auch wenn man nass wird, schließt man besser den Regenschirm. Denn viele Modelle enthalten Metall, das man während eines Gewitters nicht anfassen darf. Wenn man außerdem auf freier Strecke mit dem Schirm der höchste Punkt einer Umgebung ist, steigt die Gefahr, dass ein Blitz einschlägt. Wer keinen sicheren Unterschlupf findet, sollte sich daher eine flache Stelle oder gar eine Mulde im Gelände suchen und dort in der Hockestellung mit eng geschlossenen Füßen abwarten, erklärt die Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder (BAG).

Warum blitzt es?

Gewitter entstehen, wenn warme und feuchte Luftmassen zusammenströmen, in kältere Schichten aufsteigen und eine Wolke bilden. Durch Reibung laden sich Wasser- und Eisteilchen in der Gewitterwolke elektrisch auf. Während sich die Eispartikel im kalten oberen Teil der Wolke positiv aufladen, reichert sich die negative Ladung in den Wassertropfen an der Wolkenunterseite an. Das immer stärker werdende elektrische Spannungsfeld entlädt sich – mit einem Kurzschluss vergleichbar – schließlich in einem Blitz. Meist innerhalb der Gewitterwolken.

Seit jeher fürchten wir Menschen uns vor Blitz und Donner: Die Griechen glaubten, dass sich durch ein Gewitter der Zorn Zeus entlade. Und bei den Germanen schlug Thor mit seinem Hammer zu. Die Angst ist nicht unbegründet. Der Verband der Elektrotechnik (VDE) geht davon aus, dass jährlich 800 Menschen in Deutschland vom Blitz getroffen werden. Drei bis sieben Menschen sterben – die meisten überleben, aber teils mit schweren Verletzungen.